Grosskonzerne
Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM)
Zürcherstrasse
Die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) wurde am 31. Oktober 1871 gegründet. Initiant war Ingenieur Charles Brown. Der Lokomotivbau, mit dem die Firma internationale Anerkennung erlangte, nahm stets die erste Stellung im Produkteprogramm ein. Nach 2000 löste sich das Unternehmen auf bzw. es splittete sich in verschiedene Nachfolgebetriebe auf.
Auflösung
2000
Gründungsdatum
1871
Adresse
Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM)
Zürcherstrasse
8406 Winterthur
um 1900: Zürcherstrasse, Schweizerische Lokomitivfabrik, SLM, Gebrüder Sulzer
Foto: winbib (Signatur 064069_O)
Charles Brown war 1851 von England nach Winterthur gekommen und hatte bei Sulzer 20 Jahre lang wesentlich zur Weiterentwicklung des Unternehmens beigetragen. Nachdem es mit Heinrich Sulzer-Steiner, der seit 1870 Sulzer praktische leitete, zu Spannungen gekommen war, löste er sich dort, um die Idee der Gründung einer Lokomotivfabrik zu entwickeln. In Winterthurer Finanzkreisen fand er Gehör und Unterstützung. Die Gründung der SLM fiel in eine schwungvolle Zeit. Das Ende des deutsch-französischen Krieges und der begonnene Ausbau des europäischen Schienennetzes liessen eine optimistische Beurteilung der Zukunft zu. Zusammen mit Conrad Keller-Egg, dem damaligen Direktor der Bank in Winterthur (später UBS), wurde das neue Unternehmen gegründet. Diese Bank übernahm einen Drittel des Aktien- und Obligationenkapitales. Zwei Basler Bankhäuser und die Mitteldeutsche Bank übernahmen die Sicherstellung der weiteren zwei Drittel. Am 31. Oktober 1871 wurde die Zeichnung des Aktienkapitals von 1'200'000 Franken und 600'000 Franken Obligationenkapital eröffnet. Die Überzeichung im Betrage von 26,5 Millionen Franken kam nicht ganz unerwartet, übertraf aber dennoch die kühnsten Vorstellungen. Brown Charles, siehe eigener Artikel in "Verwandte Einträge"
Im Gründungsjahr 1871 bestand in Winterthur bereits ein beachtliches industrielles Umfeld. Sulzer hatte 1'200 Mitarbeiter und auch Rieter beschäftigte bereits 1'100 Personen. Winterthur hatte 9'300 Einwohner und in den Vororten kamen 10'200 Personen dazu. Die Voraussetzungen für eine neue Maschinenfabrik waren somit gegeben. Zur Wahl eines Fabrikareals standen schliesslich drei Bauplätze zur Verfügung. Eine Parzelle lag im Geiselweid-Quartier, eine in Veltheim und schliesslich eine im Tössfeld. Der Leitende Ausschuss (Eduard Bühler-Egg, Präsident, Textilindustrieller; Salomon Volkart in Firma Gebr. Volkart (Mitgründer der Volkart AG); Conrad Keller-Egg, Direktor der Bank in Winterthur) entschied sich für das Tössfeld.
Gekauft wurde ein Landstück von 20 Jucharten zum Preis von 7000 pro Juchart. (Ein Juchart bezeichnete in der Regel die Grösse eines in einem Tag gepflügten Stücks Ackerland, je nach Lage etwa 27-36 Aren.) Der Kaufpreis an die Stadt wurde in Aktien und Obligationen entrichtet. Die Stadt hätte einen anderen Standort, nicht beim Sulzer-Gelände bevorzugt. Der Gleisanschluss war jedoch eine Grundbedingung gewesen. 1896 und 1898 wurde das Areal des späteren Werkes 2 und 1907 westlich der Zürcherstrasse das Areal Werk 3 erworben Ab 1871 liess Charles Brown (erster technischer Direktor bis 1884) in Winterthur das erste SLM-Werk nach Plänen von Ernst Georg Jung und dem Bauunternehmen Jean Corti errichten. Auch die Maschinen und die Werkzeuge mussten beschafft werden. Gleichzeitig mussten die Vertriebsaktivitäten aufgenommen werden.
Die Verantwortung für die zahlreichen und schwierigen Aufbauarbeiten lag in den Händen von Brown. Er war Fabrikplaner, Werkzeugmaschineneinkäufer, Verkäufer und Konstrukteur von Lokomotiven und Dampfmaschinen. Die Vielseitigkeit und die Schaffenskraft dieses Mannes war beachtlich, was ihm für damalige Zeiten das fürstliche Salär von 30'000 Franken einbrachte. 1873 verliess das erste Erzeugnis, die Rigi-Bahn-Lokomotive die Werkstätten. Weitere Zahnradfahrzeuge folgten 1874 (Kahlenbergbahn bei Wien, Schwarzenbergbahn bei Budapest). Die Erfolge dieser Erstlingswerke führten bald zu weiteren Bestellungen. Schon bald zählte das Personal 480 Arbeiter. Der Rückschlag folgte jedoch auf dem Fusse.
Die Konjunktur brach ein, das Eisenbahnwesen entwickelte sich nicht in der angenommenen Art und Weise und das Nationalbahndebakel leistete ebenfalls einen Teil zum wenig erfreulichen Geschäftsverlauf. Der Personalbestand schrumpfte auf 270 Mann zurück. Trotzdem ging es weiter nicht ohne kräftige und gewagte Unterstützung durch die Bank. Für eine bessere Auslastung wurde die Produktion von Dampfmaschinen und Dampfkesseln aufgenommen. 1882 wurde ein zweites Werk mit Arbeiterhäusern vollendet. Die Jahre von 1883 bis 1900 waren für die SLM eine Zeit der Konsolidierung. Im Lokomotivbedarf kam es zum Durchbruch.
Mit den fortschrittlichen Konstruktionen konnte man den gesamten Bedarf der schweizerischen Privatbahnen beliefern. Im Auslandgeschäft nahmen die Tramway- und Sekundärbahn-Lokomotiven zeitweilig den ersten Platz ein. 1883 wurde erstmals eine beschiedene Dividende ausgeschüttet, die dann 1889 den Wert von 10 Prozent erreichte. Diese Dividendenhöhe konnte bis 1909 beibehalten werden, um dann wieder auf 8 bzw. 6% zu fallen. 1884 konnten 10 grosse Dampflokomotiven nach Finnland geliefert werden, was den Durchbruch mit Streckenlokomotiven auf dem Exportmarkt darstellte. 1884 wurde die Herstellung von Gasmotoren, Gaserzeugern und vorübergehend auch elektrische Generatoren aufgenommen.
Die Gründung einer neuen Fabrik auf einem Nachbargrundstück hatte natürlich bei Sulzer keine Freude ausgelöst. Die Sulzer sahen den neuen Betrieb als Konkurrenz und sprachen gar von Krieg als Brown von der SIDI wegen des preisgünstigeren Angebotes einen Kesselbau-Auftrag hereinholen konnte. Da die Produktepalette in grossen Teilen übereinstimmte waren die gegenseitigen Beziehungen immer wieder gespannt. Denn die „Loki“ wollte nicht nur Schienenfahrzeuge bauen. Ab 1900 entstand eine grössere Giesserei, eine neue Werkstätte für den Tenderbau, eine Vergrösserung der Dreherei, ein Hauptmagazin mit Büros und ein Eisen- und Rohmaterialmagazin.
1905/06 wurde das Verwaltungsgebäude durch den Turmbau erweitert. Mit dem Grossteil dieser Investitionen wurde das Werk 2 südlich der Jägerstrasse gebaut. Damit wurde der Motorenbau zusammengefasst. 1909 wurde der Bau von Dieselmotoren aufgenommen. 1913 wurde die Kapazität der SLM wie folgt angegeben: 100 Lokomotiven mittlerer Grösse, 40 Tender und etwa 30 Ersatz- und stationäre Kessel, 200-300 Motoren von zusammen 16 000 PS und 2'500'000 kg Guss. Der nächste Ausbau folgte 1931 mit dem Werk 3 im „kleinen Tössfeld“, westlich der Zürcherstrasse. Nach dem die SLM bereits von Anfang an auch bei der Einführung der Elektrifizierung mit dabei war (1898 Gornergrat- und Jungfraubahn, 1899 Burgdorf-Thunbahn und 1913 die Lötschbergbahn) kam das Lokomotivgeschäft nach dem 1. Weltkrieg ins Blühen.
Sie konnte von 1921 bis 1931 714 Lokomotiven liefern: 400 an die SBB, 58 an schweizerische Privatbahnen und 256 ins Ausland (Südafrika, Indien und Tunesien). Für die SBB waren das vorwiegend elektrische Triebfahrzeuge, für die anderen Abnehmer waren es elektrische und Dampflokomotiven. 1930 wurde mit 2522 Angestellten der Höchststand der Belegschaft erreicht. Die Krise der dreissiger Jahre wirkte sich für die SLM katastrophal aus. Liquiditätsschwierigkeiten zwangen 1933 zu einschneidenden Reorganisationen. Kapitalschnitte, Kurzarbeit, Entlassungen und Lohnabbau waren unvermeidlich. 1935, als die Krise den Höhepunkt erreichte, sank der Fakturabetrag auf den Tiefststand von 5,2 Mio. Franken und der Personalbestand auf 1118 Mann.
Trotz der Neuentwicklung von leichten Triebwagen (Rote Pfeile für die SBB und Blaue Pfeile für die BLS) sowie von Landwirtschafttraktoren häuften sich die Verluste. Im Jahre 1936 musste ein Passivsaldo von 2 ¾ Mio. Franken auf neue Rechung vorgetragen werden. Ab 1936 besserten sich die Verhältnisse. Der Aufschwung der Weltwirtschaft, die Abwertung des Schweizer Frankens, die militärische Aufrüstung, Modernisierung der Bergbahnen und vieles andere brachte die Firma wieder in Schwung. Die Verluste der Krisenzeit konnten in den Jahren 1937 bis 1941 abgetragen werden. Mit der Reparatur von kriegsgeschädigten französischen Dampflokomotiven und der Lieferung von Dampf-Zahnradlokomotiven nach Indien ging anfangs der 1950er-Jahre die Dampfära in der SLM zu Ende.
Bis 1952 sollen 2730 Stück produziert worden sein. Die Produktion und Weiterentwicklung der elektrischen Traktion standen nun im Vordergrund. Dank den mit den neuen Maschinen in der Schweiz gesammelten Erfahrungen konnte die SLM auch im Ausland (Frankreich, Belgien, Holland, Finnland und Tschechoslowakei) eine Reihe von interessanter Liefer- und Lizenzgeschäfte abschliessen. Seit dem 2. Weltkrieg war auch die Dieseltraktion im Aufschwung. Diesellok mit 600, 1200 und 1700 PS konnten weltweit verkauft werden. 1961 fusionierte die SLM mit Sulzer unter Aufgabe des Motoren-, Kompressoren- und Apparatebaus, der Schmiede und Graugussherstellung.
Dabei wurde die Koordination von Forschung und Entwicklung, die Abstimmung der Fabrikationsprogramme, der rationelle Einsatz von Arbeitskräften und Fabrikationsmittel, die Zusammenlegung der ausländischen Verkaufsorganisationen und ganz allgemein die Vermeidung von Doppelspurigkeiten angestrebt. Der Personalbestand, der wieder auf 2265 gestiegen war, fiel wegen Aus- und Übertritten zu Sulzer 1970 auf 1270 Personen zurück. Im gleichen Zeitraum stieg der Umsatz von 46 auf 60 Mio. Franken.
Der Präsident des Verwaltungsrates, Max Ziegler, führte in seiner Ansprache zum 100 Jahre-Jubiläum dazu aus: „Das ist nicht nur der laufenden Teuerung und der gleichmässigen Grundauslastung des Werkes 2 der SLM durch Sulzer-Aufträge (Montage von Kolbenkompressoren und Herstellung von Teilen zu Webmaschinen), sondern auch dem Erfolg der konsequent vorangetriebenen Rationalisierung und Mechanisierung zuzuschreiben. Von 1963 bis 1969 konnte die bisherige Dividende von 6 auf 9 Prozent heraufgesetzt werden. Aus Anlass der Jahrhundertfeier beschloss dann die Generalversammlung der SLM für das Geschäftsjahr 1970 eine Dividende von 9 Prozent zuzüglich einen Jubiläumsbonus von 3 Prozent auszurichten.“
Die Erfolgsgeschichte liess gegen den Jahrhundertwechsel leider nicht fortsetzen. Verschiedenste Umstrukturierungen und Abteilungsverkäufe schwächten die alt ehrwürdige SLM. 1998 erfolgte die Änderung des Firmennamens in Sulzer-Winpro und der Verkauf von Abteilungen (Zahnradfahrzeuge an Stadler, Engineering an ABB, später DaimlerChrysler und schliesslich Bombardier). Die Belegschaft wurde auf 350 Personen reduziert. Drei leitende Mitarbeiter von Sulzer übernahmen 2001 die Produktion der ehemaligen SLM und gründeten die Firma Winpro AG. Sie fertigt Maschinenteile, Systeme und Anlagen und ist im Fahrzeugbau tätig (2002 170 Mitarbeiter).
2005 übernahm die Stadler Rail AG die Winpro AG Winterthur. Deren Namen wurde 2006 in Stadler Winterthur AG umbenannt. Die neue Firma fand zurück auf eine erfolgreichere Strasse. Stadler Winterthur AG (Schweiz) wird zum Kompetenzzentrum für Drehgestelle. Dazu half natürlich vor allem die Unterstützung, Förderung und der Erfahrungsschatz der Mutterfirma Stadler Rail AG. Die ineffizienten Arbeitsbedingungen in einer alten Werkhalle im alten Werk-1-Bereich riefen bereits bald nach neuen Unterkünften. Auf dem Sulzerareal Oberwinterthur entstand 2010 eine neue Fertigungshalle mit den neuesten technischen Einrichtungen. 210 Angestellte produzieren im Eröffnungsjahr 850 Drehgestelle. Kapazität ist bis 1200 Drehgestelle vorhanden.