Grosskonzerne
Anglo-Swiss Biscuit Company
Biscuitfabrik, Konradstrasse 15 (1886–1981)
Die Anglo-Swiss Biscuit Company wurde 1886 in Winterthur gegründet. Sie war die erste Fabrik in der Schweiz, die englische Biscuits herstellte. Die Fabrik produzierte im Verlauf über 200 verschiedene Sorten von Biscuits und Waffeln. 1949 brannte die Fabrik fast vollständig nieder und wurde wiederaufgebaut. 1981 wurde der Betrieb eingestellt und 1982 erfolgte der Abbruch der Fabrik.
Abbruch
1982
Gründungsdatum
1886
Adresse
Konradstrasse 15
8400 Winterthur
1914: Konradstrasse, Anglo Swiss Biscuit, Briefkopf (Ms Sch 118/43)
Foto: winbib (Signatur 062933_O)
Eine der ersten Guetzlifabriken der Schweiz
Biscuits erfreuten sich in der Schweiz im 19. Jahrhundert wachsender Beliebtheit. Es handelte sich dabei überwiegend um Importware aus England. Die aufstrebende Industriestadt Winterthur war gut vernetzt und hatte aufgrund der Maschinenfabrik enge Verbindungen nach England. Findige Vertreter aus den Kreisen der Winterthurer Industriellenfamilien erkannten das Potenzial der englischen Guetzli auf dem Schweizer Markt. Es bildete sich eine Investorengruppe um den Rechtsanwalt, damaligen Präsidenten des Verwaltungsrats der Haldengut AG und späteren Direktor der SLM, Hans Knüsli (1841–1921), sowie den aus Deutschland zugewanderten Teigwarenfabrikanten Sigmund Montag-Geilinger.
Am 26. Juni 1886 gründeten die Unternehmer in Winterthur die Anglo-Swiss Biscuit Company. Es handelte sich um eine der ersten Biscuitfabriken der Schweiz und vermutlich die erste, die auf englische Rezepturen setzte. Um das für die Produktion nötige Know-How zu erwerben, engagierten die Industriellen einen englischen Bäcker. Die Zusammenarbeit gestaltete sich jedoch nicht reibungslos, wie aus erhaltenen Protokollen hervorgeht, die im Stadtarchiv Winterthur aufbewahrt werden.
Über 200 verschiedene Sorten
Die Anfänge der Firma waren alles andere als einfach. Der Konkurrenzdruck war gross und die finanziellen Möglichkeiten bescheiden. Dennoch gelang es den Unternehmern einen florierenden Betrieb aufzubauen. Zu den wichtigsten Abnehmern der Fabrik gehörten die grossen Kurhotels und die Gastronomie. Das Unternehmen profitierte somit vom boomenden Fremdenverkehr an der Wende zum 20. Jahrhundert. 1906 konnte die Fabrikationsanlage durch einen Neubau bereits auf den neusten Stand der Technik gebracht werden. Die Investition zahlte sich offenbar aus. An der Landesausstellung in Zürich im Jahr 1914 wurden die Guetzli der Anglo-Swiss Biscuit Co. mit der Goldmedaille ausgezeichnet.
Der Erfolg des Betriebes schlug sich in einer regen Bautätigkeit nieder. So erfolgte 1916 ein umfangreicher Ausbau und eine Erweiterung des Fabrikareals im Neuwiesenquartier. Das Aral teilte sich die Guetzlifabrik mit dem Textilhersteller Achtnich-Sawaco.
In der Nacht auf den ersten November 1949 brach in der Fabrik ein Feuer aus. Die Flammen weiteten sich innert kürzester Zeit auf den westlichen Teil der Fabrikanlagen aus. Über 120 Feuerwehrmänner der Löschzüge aus Neuwiesen, Veltheim, Lind und der Altstadt versuchten das Feuer unter Kontrolle zu bringen, was jedoch nur schwer gelang. Über 700'000 Liter Wasser sollen sie zum Löschen aufgewendet haben. Im Einsatz standen dafür zwei Motorspitzen und vierzehn Löschschläuche. Glücklicherweise war es in jener Nacht mehrheitlich Windstill, so dass sich das Feuer nicht auf die umliegenden Wohngebiete ausbreitete. Schliesslich brach ein grosser Teil der Fabrik in sich zusammen.
Eine moderne Fabrikationsanlage
Anwohnende berichteten aus ihren Erinnerungen, dass es im ganzen Quartier nach verbrannten Guetzli gerochen habe. Ein grosser Teil der Fabrikbelegschaft wurde über Nach arbeitslos. Die alten Besitzer gaben darauf ihre Beteiligung auf. Neu übernahm der Wädenswiler Triggelfabrikant Willy Stuter in dritter Generation das Ruder und benannte die Fabrik in «Biscuit-Suter» um.
Nach einem langen hin und her mit den Stadtbehörden konnte er die Fabrik am alten Standort neu aufbauen. Der Stadtrat hätte es lieber gesehen, wenn sich die Firma ins Grüzequartier zurückgezogen hätte, fürchtete aber einen Wegzug nach Wädenswil und lenkte deshalb ein. Willy Suter liess daraufhin 1950 ein modernes Fabrikgebäude errichten. Der zuständige Architekt Otto Glaus aus Zürich konzipierte die Fabrikationsanlage als zweigeschossiger Zweckbau mit langgezogenem rechteckigem Grundrisse. Die Anlage wies einen hohen Automatisierungsgrad auf: Im ersten Stock befand sich der Fabrikationssaal mit einer grossen Förderanlage, mit der die Guetzli über einen dreifachen Schlangenweg über die durch die Fabrikationsschritte geführt wurden. Danach gelangten die Guetzli vollautomatisiert in den Speditionsraum im Erdgeschoss. Im Parterre und Keller befanden sich die Lager für die Kisten und Büchsen, die ebenfalls mittels Förderbänder in den Versandraum überführt wurden.
In den 1950er-Jahren arbeiteten in der Fabrik etwa 40 Personen, davon überwiegend Frauen. Sie stellten täglich 1500kg Biscuits und 1000kg Waffeln her. Der Betrieb wurde laufend verfeinert und modernisiert. In 30 Meter langen Backöfen konnten 1961 täglich ein Gesamtvolumen von 10 Tonnen Guetzli gebacken werden. Dies entsprach etwa zwei Millionen Guetzli. Die Firma belieferte rund 15'000 Kundinnen und Kunden in der Schweiz, im europäischen Raum sowie den USA.
1980 befand sich die Fabrik weiterhin in ihrer Hochblüte. Persönliche Umstände führten zum Verkauf des Areals. 1981 wurde der Produktionsbetrieb eingestellt. Im Januar 1982 wurde die Fabrik abgebrochen und durch einen Neubau der Publicitas ersetzt.
Benutzte und weiterführende Literatur
- Autor/In:
- Nadia Pettannice
- Letzte
- Bearbeitung:
- 28.10.2024