Architektur

Hans Bernoulli

Architekt, 1876–1959

Hans Bernoulli war ein führender Architekt, Stadtplaner und Dozent. Er zählt zu den bedeutendsten Wegbereitern der modernen Architektur in der Schweiz und wirkte nach dem Zweiten Weltkrieg als europaweit gefragter Experte für den Wiederaufbau zerstörter Städte. In Winterthur realisierte er in den 1920er-Jahren gemeinsam mit dem Architekten Adolf Kellermüller drei Arbeitersiedlungen für die Heimstättengenossenschaft.


Sterbeort
Basel

Geburtsort
Basel

Geboren
14.11.1876

Gestorben
14.11.1959


Ausbildung und frühes Wirken

Hans Bernoulli wurde am 17. Februar 1876 in Basel geboren und war ein Spross der berühmten Basler- Gelehrten- und Mathematikerfamilie. 1892 begann Hans Bernoulli mit der Ausbildung zum Kaufmann, die er nur zwei Jahre später abbrach. Danach machte er eine Lehre als Bauzeichner bei der Architekturfirma Alfred Romang und Wilhelm Bernoulli. 1897–1898 studierte er vier Semester lang an der renommierten Technischen Hochschule München. 1900 besuchte er die Technische Hochschule Karlsruhe.

Von 1901–1902 arbeitete er in Architekturbüros in Darmstadt und Berlin, bevor er 1903 gemeinsam mit dem Architekten Louis Rinkel ein eigenes Architekturbüro in Berlin gründete. Bernoulli erwies sich als äusserst produktiver Architekt und realisierte zahlreiche Wohnbauprojekte in verschiedenen mitteldeutschen Grossstädten.  Schon bald weckte er mit seinem Stil das Interesse der Fachpresse und machte sich einen Namen als Stadtplaner. Ein renommiertes Projekt war die Realisierung der Gartenstadt «Falkenberg» in Berlin, die heute als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt ist.

1910 nahm er eine Assistentenstelle für Städtebau an der Technischen Hochschule Charlottenburg an. Es folgten Studienreisen nach Wien, Holland, Belgien, Italien und Dänemark. Im Jahr 1912 kehrte Bernoulli in die Schweiz zurück und arbeitete bis 1918 als Chefarchitekt bei der Basler Baugesellschaft. Danach machte er sich in der Schweiz erneut selbstständig.

Bernoulli in Winterthur – Drei Arbeitersiedlungen für die Heimstättengenossenschaft

Im Zuge der Eingemeindung von 1922 wurde Winterthur mit einem Schlag zur flächenmässig grössten Stadt der Schweiz. Um die einstigen Gemeinden mit der Stadt zusammenwachsen zu lassen, machte sich Winterthur auf die Suche nach einem Stadtplaner, den sie in der Person von Albert Bodmer fand. Bodmer seinerseits war ein glühender Anhänger der Gartenstadt-Idee, die er in die Stadtentwicklung Winterthurs einfliessen liess. Bodmer amtete auch Gründungspräsident der 1923 ins Leben gerufenen Heimstättengenossenschaft  (HGW). Bodmer hatte bei Bernoulli an der ETH studiert und konnte seinen einstigen Lehrer für die Projektierung der ersten drei Siedlungen für die Heimstättengenossenschaft gewinnen. Gemeinsam mit dem Winterthurer Architekt Adolf Kellermüller projektierte er für die HGW drei Arbeitersiedlungen, während Kellermüller die Bauausführung übernahm.

Einfamilienhäuser statt Mietskasernen

Bernoulli hatte sich damals bereits einen Namen als bekennender Gegner von Mietskasernen gemacht, die im Zuge der Wohnungsnot überall in den rasch wachsenden Städten errichtet wurden. 1922 konnte er in Basel mit seiner Siedlung an der Pilatusstrasse 26–37 unter Beweis stellen, dass es durchaus möglich war für einen erschwinglichen Preis auch kleine Einfamilienhäuser zu realisieren. Als Inspiration dienten ihm Reiheneinfamilienhäuser nach englischem Vorbild. Die Heimstättengenossenschaft hatte Kenntnis von den Minimalhäusern in Basel, wollte aber selbst eine etwas grosszügigere Anlage verwirklichen. Sie orientierte sich deshalb an der bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Siedlung Unterer Deutweg der Gesellschaft zur Erstellung billiger Wohnhäuser (GEbW). Ohnehin gab es in Winterthur schon eine seit dem 19. Jahrhundert bestehende Tradition des Kleinhausbaus, auf die sie sich berufen konnten.

Siedlung Weberstrasse /Unterer Deutweg (Baujahr 1923–1925)

Das erste Projekt befand sich an der Weberstrasse und schloss direkt an die bereits 1877 fertiggestellte Arbeitersiedlung von Architekt Ernst Jung an. Entstanden sind eingeschossige Einfamilienhäuser mit hohen Satteldächern mit Biberschwanzdoppeldeckung, die zu drei Achter- und einer Vierergruppe zusammengefasst wurden. Ein besonderes Charakteristikum und in ihrer Form für Bernoullis Werk einmalig sind ihre vorgeschobenen Waschhäuschen, die in der ersten Bauetappe noch ausgeführt wurden, während sie später weiteren Einsparungen zum Opfer fielen. Die Siedlung zählt heute zu den bedeutendsten Beispielen für den Kleinhausbau in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Zürich.

Siedlung Bachtelstrasse (Baujahr 1923–1924)

Die zweite Bernoulli-Siedlung entstand 1924 an der Bachtelstrasse 101–123. Es handelt sich um zwei Häuserzeilen mit je sechs Reiheneinfamilienhäuser, die sich parallel gegenüberstehen. Sie markieren den Rand des historischen Dorfkerns von Veltheim. Auf der Rückseite verfügen die Häuschen über grosszügig geplante Gärtchen. Auch diese Siedlung war primär für die Arbeiterschaft gedacht und bestach durch ihre schlichte und kostengünstige Bauweise.

Siedlung Eichliacker (Baujahr 1924–1927)

Die zu drei Zeilen zusammengefassten Reiheneinfamilienhäuser wurden in der Siedlung Eichliacker hufeisenförmig um einen gemeinschaftlichen Park mit hohen Bäumen, Spielplatz und einem Kindergarten angeordnet. Strassenseitig verfügen die Häuschen über kleine Gärtchen.

Lehrtätigkeit und weiteres Wirken

1913 erhielt Bernoulli einen Lehrauftrag für Städtebau an der ETH Zürich. 1919 wurde er zum Titularprofessor ernannt. In den 1920er-Jahren kam Bernoulli in den Kontakt mit den Schriften von Silvio Gsell, der ein Grundlagewerk zur Freiwirtschaftslehre verfasst hatte. Bernoulli wurde begeisterter Anhänger der Idee. Der Grundgedanke bestand darin, den Boden zu verstaatlichen und so etwaigen Spekulationen zu entziehen. Hans Bernoulli gründete mit Gleichgesinnten den Schweizer Freiland-Freigeld-Bund und wetterte in spitz geschrieben Artikeln in der «Freiwirtschaftlichen Zeitung» gegen die Finanzpolitik des Bundes und der Nationalbank, was zum Konflikt mit der ETH führte. Sein staatskritisches Engagement wurde in den 1930er-Jahren von der Hochschulleitung mit zunehmendem Argwohn beobachtet und schon bald darauf nicht mehr goutiert, da es immer wieder zu Beschwerden an Bernoullis Adresse kam, die auch den Ruf der ETH tangierten. Die Beziehung zwischen Professor und Hochschule verschlechterte sich zunehmend. 1938 erteilte ihm die ETH keinen Lehrauftrag mehr und entzog ihm kurz darauf den Professortitel. Dem politischen und architekturtheoretischen Engagement von Bernoulli tat dies jedoch keinen Abbruch. 1942 veröffentlichte er die Schrift «Die organische Erneuerung unserer Städte» und ein Jahr später das Buch «Die Stadt und ihr Boden». Darin kritisierte er den zeitgenössischen Städtebaudiskurs abermals scharf. Von 1947–1951 amtete er als Nationalrat der LdU.

Im Zuge der Wiederaufbaubestrebungen der durch den Krieg zerstörten europäischen Städten, erarbeitete Bernoulli mehrere Vorschläge zur Neuregelung von Grund- und Bodenrechten. Tatsächlich umgesetzt wurden seine Visionen nur in Warschau.

Nachlass

Der Privatnachlass von Hans Bernoulli befindet sich im Archiv des Institutes für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) an der ETH Zürich.


Quellen:

Dieser Artikel basiert hauptsächlich auf der Kurzbiografie, die vom Archiv des Institutes für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) verfasst wurde. https://archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/hans-bernoulliJauslin, Manfred: Bernoulli Hans, in: Rucki/Huber (Hg.): Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 51–53.

Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
25.02.2022