Die Lindstrasse ist oder war geprägt von prächtigen Villenbauten. Neubauten in altehrwürdiger Gesellschaft haben es in aller Regel schwer, in solcher Umgebung bestehen zu können. Das Architekten Team Arnold und Vrendli Amsler aus Winterthur hat für einen Ergänzungsbau zum 1962 erstellten Bezirksgebäude II diese Herausforderung angenommen. Er überrascht mit einer von farbigen Fenster geprägten schwarzen Fassade. Die heitere Farbigkeit ergänzt die anders strukturierte Fassade des Altbaues in bestechender Art. Der neue Annexbau wertet das bisher eher nüchterne Gebäude auf und fügt sich auch, oder trotzdem, in die Umgebung ein. Der neue Ergänzungsbau nimmt als Anbau diese strukturellen Elemente des Altbaus auf und wandelt das Thema. Auf die gleiche Hausbreite wird im gleichen Achsmass der Baukörper linear fortgesetzt.
Die aussenliegenden Betonstützen werden als tragende Betonfassade in derselben äussersten Schicht weitergeführt. Die massive Wand ist gitterartig durchstanzt und anstelle der hinterlegten Fensterfüllungen sind Fensterkasten nach aussen durch die Wand gestossen. Der Gebäudeabschluss wird als Fassadenschicht kontinuierlich um die Ecke geführt. Die dreiachsigen Fensterfelder mit einachsigen Pfeilern sind geschossweise jeweils um eine Achse zueinander versetzt. Dadurch wird das Bild der drei Fassadenabschnitte Süd-West-Nord dynamisch miteinander verbunden. Gleichzeitig entsteht eine Diagonalbewegung der Fensterfolgen in die Höhe. Die Fensterkasten mit wechselnder Farbgebung rot-gelb-blau wirken dieser Diagonale entgegen, was den in Analogie mit dem Altbau beabsichtigten Eindruck eines gitterartigen Musters verstärkt.
Die Aussenhülle in Sichtbeton ist anthrazit lasiert und tritt als Hintergrund zurück, was die farbigen Fensterrahmen wie aufgesetzte Schmuckelemente erscheinen lässt. Die tiefen, farbigen Fensternischen prägen die Büroräume mit wechselnder Stimmung. Die Korridorhallen sind im Innern zu einem lichten Vorraum ausgeweitet. Diese sind geschossweise in den drei Grundfarben gehalten, was als Identifikation und Orientierungshilfe dient. Die früheren Bezirksanwaltschaften in Winterthur, Bülach, Dielsdorf und Winterthur wurden zur Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland zusammengelegt. Im Januar 2005 bezogen die zwölf Staatsanwälte ihre Büros. Beibehalten wurden die Zweigstellen Flughafen und Andelfingen. Der Neubau ist so konzipiert, dass er bei Bedarf um weitere Stockwerke ergänzt werden kann.
Auf Seiten der Kantonspolizei wurden Kräfte konzentriert: Die Posten in Seen, Oberwinterthur, Wülflingen und Töss werden aufgehoben und im Bezirksgebäude zusammengefasst. Die Freiraumgestaltung, von Rotzler Krebs Partner gestaltet, verbindet die verschiedenen Bauten und Parzellen. Die runden Hecken-Elemente bespielen den Platzraum und führen zu den Hauseingängen. Das vorgelagerte, klassizistische Gebäude, 1867 durch Georg Schulthess erbaut, wird durch ein Heckenkissen betont und abgetrennt. Der ganze Aussenraum wird durch eine markante Buchengruppe abgerundet. Der Regierungsrat hatte vom Kantonsrat ursprünglich 10,75 Millionen Franken für den Bau gefordert. Das Parlament stutzte den Betrag aber auf 9,4 Millionen zurück.
Der enger gesteckte Kreditrahmen konnte eingehalten werden. Nicht mehr gereicht hat das Geld zum Beispiel für die Toiletten im Neubau. Die Staatsanwälte müssen ins Reich der Kantonspolizisten pilgern, um ihre Notdurft zu verrichten. Neben der Reorganisation der Justizbehörden, machte auch das vor drei Jahren revidierte Opferhilfegesetz Umbauten nötig. Neu müssen geschädigte Jugendliche einzeln per Videoaufzeichnung einvernommen werden können. Solche Räume standen bisher nicht zur Verfügung. Aus Gründen des Datenschutzes musste zudem ein Diskretschalter mit einem separaten Warteraum gebaut werden. Das ältere Bezirksgebäude (Lindstrasse 8), in dem heute das Bezirksgericht Winterthur seinen Sitz hat, wurde 1876-79 im Auftrag der Lloyds-Versicherungen von Ernst Jung errichtet. Erstmals tagte das Bezirksgericht Winterthur am 20. Juli 1831. Im März des gleichen Jahres hatte der Kanton eine neue Verfassung erhalten. (siehe auch Artikel "Bezirksgebäude I")