Natur und Pärke

Chöpfi

Sandsteinformation

Die Chöpfi am Wolfensberg oberhalb von Wülflingen begeistert seit Generationen Menschen jeden Alters. Kinder finden dort einen natürlichen Erlebnisspielplatz. Erwachsene geniessen die Aussicht, hüten das Grillfeuer oder bestaunen die auffällige Geologie und die Artenvielfalt der angrenzenden Trockenwiese.


Die Chöpfi war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel für Menschen aus der Umgebung, wie beispielsweise die Familie Hug um 1910.
Foto: winbib (Signatur 113300)

Wenn die Geologie Rätsel aufgibt

Wer schon einmal bei der Chöpfi war, kann nachvollziehen, wie der Flurname zustande kam. Seltsame Steinknauer ragen wie Köpfe aus dem umliegenden Sandstein und scheinen in die Ferne zu blicken. Sie haben wohl schon viele Besucher:innen fasziniert. Dass die eigenartige Gesteinsformation hier so schön zu sehen ist, ist ein Glücksfall. Hätte der eiszeitliche Gletscher den Wolfensberg weniger stark abgehobelt, wäre sie unter anderen Gesteinsschichten verborgen geblieben. Hätte die Erosionskraft des Gletschers nur wenig länger gewirkt, wäre die Chöpfi für immer verloren gegangen. Nach dem Rückzug des Gletschers lag das Sandsteinpaket der Chöpfi an der Oberfläche. Während Schmelzwasser und Regen den weicheren Sandstein auswuschen, blieben die härteren, durch Kalk stärker zementierten «Köpfe» stehen. Die Frage nach dem Grund der Entstehung der harten Knauer stellte die Wissenschaft lange Zeit vor ein Rätsel.

Im Februar 2022 berichtete der Landbote, dass eine spektakuläre neue Erkenntnis die Entstehung der Chöpfi erklären könnte. Der neuen Theorie zufolge hat sie mit dem Einschlag eines Meteoriten im süddeutschen Nördlinger Ries zu tun. Vor knapp 15 Millionen Jahren prallte ein rund 1 Kilometer grosser Asteroid mit einer Geschwindigkeit von über 70'000 Kilometern pro Stunde beim heutigen Nördlingen (Deutschland) auf die Hochfläche der Schwäbischen Alb. Dadurch wurde ein starkes Erdbeben ausgelöst, das die Umgebung über 200 Kilometer weit bis nach Winterthur und darüber hinaus erschütterte. Zu jener Zeit waren im Raum Winterthur die Sedimentschichten der Oberen Süsswassermolasse eben erst abgelagert worden. Sie waren noch sehr jung und dadurch noch nicht zu Stein verfestigt


Bei der heutigen Chöpfi lag eine Schicht aus wasserundurchlässigem Ton unter einer stark grundwasserhaltigen Sandschicht. Darüber lag eine trockene Sandschicht. Durch den Druck der Erdbebenwellen verflüssigte sich das Sand-Wasser-Gemisch der unteren Schicht und stieg blasenartig in die obere, trockene Sandschicht auf. Dort blieb es stecken und der Kalk, der vorher im Wasser gelöst gewesen war, zementierte die «Blasen» im Lauf der Jahrtausende zu den harten Knauern, die heute als «Köpfe» aus dem Boden ragen. Diese neue Theorie scheint tatsächlich die seltsame Geologie der Chöpfi logisch zu erklären. Um sie allerdings zu bestätigen, ist weitere Forschung nötig. Damit dürfte die Chöpfi, die heute bereits kommunales geologisches Landschaftsschutzobjekt ist, für die Wissenschaft noch interessanter werden.

2023 liess die Naturwissenschaftliche Gesellschaft Winterthur (NGW) eine Informationstafel auf der Chöpfi aufstellen, damit sich die Bevölkerung direkt vor Ort über die spannende Geschichte der Gesteinsformation und ihre Entstehung informieren kann.  

Kantonales Naturschutzgebiet Chöpfiwiese

Unmittelbar angrenzend an die Chöpfi liegt eine Trockenwiese mit grosser Artenvielfalt. Als Naturschutzgebiet geniesst sie kantonalen Schutzstatus, während ein Teil der Wiese im Jahr 2010 sogar ins Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung aufgenommen wurde. Verbunden sind die beiden Teile durch einen Wiesenstreifen, der ebenfalls zum Naturschutzgebiet gehört, und eine lichte Waldfläche. Auf dem nährstoffarmen Boden der Chöpfiwiese kann eine artenreiche Magerwiese gedeihen, wie sie in der Schweiz selten geworden sind. Verschiedene bedrohte Pflanzenarten fühlen sich hier am sonnigen Südwesthang des Wolfensbergs wohl.

Durch spätes Mähen haben die Pflanzen Zeit, sich natürlich zu versamen, und das Abführen des Schnittguts verhindert eine Düngung der Wiese durch verrottendes Pflanzenmaterial. So können die auf magere Böden spezialisierten Pflanzenarten hier langfristig geschützt werden, was wiederum bedrohten Schmetterlingen und anderen Insekten zugute kommt, die sich von diesen Pflanzen ernähren. Davon profitieren im nächsten Schritt die insektenfressenden Vögel, die auf ein reiches Angebot an Krabbel- und Flugtierchen angewiesen sind. Für naturinteressierte Besucherinnen und Besucher der Chöpfi lohnt es sich daher, ein Fernglas und etwas Geduld dabei zu haben, um die vielfältige Pflanzen- und Tierwelt in Ruhe beobachten zu können. 


Benutzte und weiterführende Literatur

https://stadtplan.winterthur.ch => benutzte Layer: Natur- und Landschaftsschutzinventar abgerufen am 6.2.2023.
https://www.waldzeit.ch/gebiete/choepfi-zeuge-einer-frueheren-erdgeschichtlichen-epoche/ abgerufen am 13.2.2023.
Brupacher, Markus: Die Chöpfi ist vermutlich durch einen Meteoriteneinschlag entstanden. In: Der Landbote, 2.2.2022. S.7.
https://www.geopark-ries.de/entstehung-rieskrater/ abgerufen am 16.2.2023.
Baudirektion Zürich, Fachstelle Naturschutz Kanton Zürich, Forstbetrieb & Stadtgärtnerei Winterthur: Infotafel am Fussweg der die Chöpfiwiese quert (Koordinaten Standort: 2695040 / 1263595).
http://maps.zh.ch => benutzte Layer: Bundesinventare, Geologisch-geomorphologisches Inventar, Pflegeplan Naturschutzteilflächen abgerufen am 16.2.2023.

Bibliografie

    Chöpfi, am Wolfensberg

    • Einträge 1991–2010

      Monika Roth-Buess. Erlebnis Tösstal, Höhlen, geologische Sehenwürdigkeiten, Burgen und Ruinen. Von M. R.-B. und Franziska Wittenwiller. Elgg, 1998. S. 34, m.Abb.
      Magischer Ort: Tages-Anzeiger 2003/285 1Abb.
      Winterthurer Mythen: Landbote 2008/164 m.Abb.
      Skulpuren Chöpfi-Geister: Stadtanzeiger 2008/38 m.Abb.


Autor/In:
Katrin Junker
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024