Verwaltung

Ehegericht Winterthur

1534–1798

Ehegerichte entstanden während der Reformation und hatten die Aufgabe, die korrekte Eheschliessung sowie die Institution der Ehe zu überwachen. In Winterthur existierte das Ehegericht zwischen 1534 bis 1798. Das Ehegericht in Winterthur verfügte nicht über die vollen Entscheidungskompetenzen. Für Ehescheidungen mussten Winterthurerinnen und Winterthurer jeweils in der Stadt Zürich vorsprechen.


Auflösung
1798

Gründungsdatum
1534


Historischer Hintergrund

Ehegerichte hatten die Aufgabe, die korrekte Eheschliessung sowie die Institution der Ehe zu überwachen. Mit der Reformation wurden auch Scheidungen möglich, wofür die Eheleute vor den reformatorischen Ehegerichten vorsprechen mussten. Ausserdem gerieten Moral und Sitte immer mehr in den Fokus der staatlichen Überwachung. Während im Mittelalter der erste Beischlaf als Beweis einer vollzogenen Eheschliessung galt, setzten die Reformatoren den Beginn der Ehe mit der kirchlichen Trauung an und bestraften jegliche Form von vor- und ausserehelicher Sexualität. Neben Fällen von ausserehelicher Sexualität ging es auch um nicht eingelöste Eheversprechen, uneheliche Schwangerschaften, schlechte Führung des Haushalts oder Scheidungsbegehren. 

In Zürich wurde 1525 das erste reformierte Ehegericht der Schweiz geschaffen, welches alle Fälle im züricherischen Hoheitsgebiet, also auch in Winterthur, beurteilte. Vor dieser Zeit war das bischöfliche Offizialat in Konstanz, ein geistliches Gericht, in Glaubens- und Ehesachen zuständig. Ab 1534 hatte Winterthur ein eigenes Ehegericht, allerdings mit weniger Kompetenzen als das zürcherische. Die Ehegerichte setzten sich aus Geistlichen und Ratsmitgliedern zusammen. Damit wurde die Kompetenz zur Beurteilung der Eheangelegenheiten erstmals von der kirchlichen auf die weltliche Ebene verlagert. Grundlage für die Entscheidungen des Ehegerichts bot die Zürcher Ehegerichtsordnung, die erstmals 1529 gedruckt wurde. Mit dem Ehegesetz wurden auch Scheidungen möglich. Als Scheidungsgründe galten Ehebruch, böswilliges Verlassen, Impotenz oder schwere Krankheiten des Partners.

Das Winterthurer Ehegericht

Das Winterthurer Ehegericht bestand ab 1633 aus sechs Personen. Zuständig waren zwei Schultheissen, der Seckelmeister, der Prädikant, der Zeugherr und der Pfarrer. Der Pfarrer hatte den Vorsitz des Ehegerichtsgremiums und schrieb die Protokolle. Das Ehegerichtsprotokollbuch wurde ursprünglich im Pfarrhaus neben dem Taufbuch aufbewahrt. Später wurde dafür eine Abschrift für die Stadtkanzlei gemacht und die Protokolle ab 1660 in der Stadtkanzlei aufbewahrt. Akten zu Ehegerichtsfällen sind bereits ab 1525 vorhanden.

Oft handelt es sich dabei um vom Ehegericht Zürich überlieferte Akten, welche Personen aus Winterthur betrafen. Winterthur hatte nicht die Kompetenz, eine Ehe zu scheiden. In solchen Fällen mussten die Paare auch vor dem Ehegericht Zürich erscheinen. Die Akten dazu wurden jeweils nach Winterthur übersendet und dort aufbewahrt, auch wenn kein eigentlicher Eintrag im Winterthur Ehegerichtsbuch entstanden ist. Die Bestrafung von Ehebrechern oder Anzeigen wegen «Hurerei» sowie Vaterschaftsklagen wurden in Winterthur meistens vor dem Schultheissen und Kleinen Rat abgehandelt.

Das Winterthurer Ehegericht wurde 1798 im Zuge der Französischen Revolution abgeschafft. 


Benutzte Archivalien und weiterführende Literatur

Staatsarchiv Zürich: 
StAZH, YY 1.1; YY 1.2 bis YY 1.289, Ehegerichtsprotokollbücher
StAZH, A6; A8 bis A9, Ehegerichtsakten, Satzungen und Ordnungen, Kundschaften und Zuschriften
StAZH, A 42.2.1, Sittenmandate 1470–1560
Stadtarchiv Winterthur: 
StaW, B4, 44; IV A.1, Ehegerichtsprotokolle 1633–1798
StaW, Akten zum Polizeiwesen. Sittengesetze, Verordnungen 1530-1787 (Signaturen AF/73/1; AF/73/2; AF/73/3; AF/74)
StaW, Akten zum Justizwesen. Eheschliessungen 1425–1797, (Signatur AG/88/1)
StaW, Akten zum Justizwesen. Ehescheidungen und Ehestreitigkeiten 1529–1797 (Signaturen AG/89/1 bis AG/89/6)
Literatur:
Ganz, Werner: Winterthurer Rechtsverhältnisse vor 1798, ein Versuch, in: Archivalia et Historica, Arbeiten aus dem Gebiet der Geschichte und des Archivwesens: Festschrift für Prof. Dr. Anton Largiadèr, Zürich 1958, S. 261–277. 
Gut, Franz: Die Übeltat und ihre Wahrheit. Straftäter und Strafverfolgung vom Spätmittelalter bis zur neuesten Zeit. Ein Beitrag zur Winterthurer Rechtsgeschichte, Winterthur 1996 (hier v.a. S. 68–70).
Grünenfelder, Lukas: Das Zürcher Ehegericht: Eheschliessung, Ehescheidung und Ehetrennung nach der erneuerten Satzung von 1698 (Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte), Zürich 2007. 
Lutz, Alexandra: Ehepaare vor Gericht. Konflikte und Lebenswelten in der Frühen Neuzeit, Frankfurt/New York 2006.
Niederhäuser, Peter: Eine Stadt im Wandel. Winterthur und die Reformation, (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 87), Zürich 2020 (hier v.a. S. 29–32).
Roper, Lyndal: Das fromme Haus. Frauen und Moral in der Reformation. Frankfurt am Main, 1995.
Spillmann-Weber, Inge: Die Zürcher Sittenmandate, 1301-1797. Gelegenheitsschriften im Wandel der Zeit, Zürich 1997.
Troll, Johann Conrad: Geschichte der Stadt Winterthur, nach Urkunden bearbeitet. Bd. 4: Sittengeschichte der Stadt Winterthur, Winterthur 1844.
Verein Frauenstadtrundgang Winterthur (Hg.): Frauenblicke. Vier Stadtrundgänge durch Winterthur, Winterthur 2006 (hier v.a. Kapitel 3 Ehrbare Frauen – Fehlbare Töchter. Sittlichkeitsvorstellungen des 15. und 16. Jahrhunderts, S. 120–167.)

Bibliografie


Autor/In:
Kathrin Moeschlin
Letzte
Bearbeitung:
26.09.2023