Öffentliche Bauten
ehemaliges Feuerwehrlokal
Lindstrasse 4
Das Ökonomie-, Gewerbe- und Wohngebäude an der Lindstrasse 4, entstand 1863 kurz nach dem die Lindstrasse gebaut worden war.
Adresse
Lindstrasse 4
8400 Winterthur
1973: Lindstrasse 4, Feuerwehrlokal, Personalamt
Foto: winbib, Urheberschaft unbekannt (Signatur 032881)
Mit dem Bau der Lindstrasse Mitte des 19. Jhdt. begann sich das Quartier Lind zu entwickeln. Entlang der Strasse entstanden ansehnliche Villen. Das waren 1867 die Villa Bühler an der Lindstrasse 8, 1882 wurde die Lindbrücke gebaut, 1885 die Villa Schoellhorn, Hausnummer 27, 1888 die Villa Achtnich an der Lindstrasse 6 und 1896 die Villa Lindeneck, Lindstrasse 16. Eines der ersten Häuser war aber das Ökonomie- Gewerbe- und Wohngebäude an der Lindstrasse 4, das 1863 als stattlicher, spätklassizistischer Mehrzweckbau mit H-förmigem Grundriss erstellt wurde.1898 wurden der Mittelbau und der Nordflügel zum Magazin für die städtische Feuerwehr umgebaut. Das symmetrisch angelegte Gebäude ist ein prägendes Element in der Nachbarschaft der bereits genannten Villen einerseits und des Altstadt-Schulhauses (1864 gebaut), des Stadthauses (1869 erbaut) und des Kunstmuseum (1916 gebaut) andererseits.
Bauherr des Gebäudes Lindstrasse 4, das 1863 erstellt wurde, war der Textilkaufmann und Industrielle Jakob Andreas Biedermann (1823–1890). Das Gebäude mit einem hantelförmigen Grundriss verfügte über Remisen, Stallung, Geschäftsräumen und Wohnung und stand auf seinem ausgedehnten Grundstück im mittleren Lind. Biedermann stammte aus einer alten Winterthurer Familie, die seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Baumwollhandel tätig war. Er wohnte im Haus zur Liebe, Marktgasse 4 und Stadthausstrasse 43 (heute Metro Boutique). Somit befand sich die Ökonomie in der unmittelbaren Umgebung. Seit 1846 war er Teilhaber der Firma «Jacob & Andreas Bidermann & Cie» und ab 1856 deren Alleinbesitzer.
Er besass Spinnereien in Wetzikon, Zwillikon (Affoltern am Albis) und so weiter. Das Geschäft entwickelte sich bis 1888 zum zehntgrössten Schweizer Spinnereiunternehmen. 1855 gehörte er zu den Gründern des Zürcher Börsenvereins, 1871 zum ersten Verwaltungsrat der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik. An Jakob Andreas Biedermann erinnern heute noch das Äussere des Gebäudes und im Inneren der Gewölbekeller und die Parkettböden. 1897 verkaufte die Familie Biedermann die Ökonomie an die Stadt Winterthur. Nach kleinen baulichen Veränderungen im Inneren diente es als Büro und Magazingebäude der städtischen Feuerwehr und wurde als «Depot im Liebegut» bezeichnet.
Das 1895 gebildete Feuerwehrpikett Winterthur zog 1922 von der unteren Steinberggasse ins «Liebegut» um und erhielt 1923 eine Autospritze, eine Autodrehleiter und einen Lastwagen. 1944 in Brandwache umgetauft und auf 27 nebenamtliche tätige Feuerwehrleute angewachsen, erweiterte sich der Fahrzeugbestand 1948 um ein weiteres Löschfahrzeug. 1958 erhielt die Brandwache als erste Feuerwehr im Kanton Zürich ein Tanklöschfahrzeug. Der vergrösserte Personal- und Fahrzeugbestand erforderte erneut Umbauten. Die knappen Platzverhältnisse liessen die Feuerwehrkommission bereits 1964 den Bau eines neuen Gebäudes beantragten. Trotzdem dauerte es noch 36 Jahre, bis die 1983 in «Berufsfeuerwehr Winterthur» umbenannte Brandwache ihr neues Betriebsgebäude am Teuchelweiher beziehen konnte.
Am 1. Juli 2000 bezog die Berufsfeuerwehr Winterthur das neue Feuerwehrgebäude an der Zeughausstrasse 60. Damit endeten an der Liebestrasse 4, im «Liebegüetli», 102 Jahre städtische Feuerwehrgeschichte. Kaum bekannt ist hingegen, dass das repräsentative Ökonomiegebäude hinter dem Stadthaus auch an ein Stück Winterthurer Wirtschaftsgeschichte erinnert. Der Auszug der Feuerwehr hatte um fangreiche innere Umbauten zur Folge. Wo einst die Fahrzeuge standen, erhielt die Naturwissenschaftliche Sammlung in unmittelbarer Nähe zum Museum geeignete Depoträume. Das Strasseninspektorat bekam einen kleinen Stützpunkt und im Ober- und Dachgeschoss entstanden Büros und ein grosser Schulungsraum für die städtische Verwaltung.
Als Quelle dieses Artikels diente ein Aufsatz von Heinz Pantli, Archäologe, Bauforscher und Denkmalpfleger im stadi-online vom 7.5.2013.