Bildung und Soziales

Emilie Bosshart

1887–1979, Pädagogin, Autorin, Vorkämpferin für die Gleichstellung der Frau

Emilie Bosshart (1887–1979) zeichnet sich durch rege Publikationstätigkeit als Vertreterin der geisteswissenschaftlichen Pädagogik und als Vorkämpferin für die Gleichstellung der Frau aus. Trotz Promotion in Pädagogik und akademischer Lehrerausbildung hatte sie als Frau in Zeiten des Lehrerüberflusses jedoch Mühe eine Anstellung zu bekommen und blieb zeitlebens Primarlehrerin im Altstadtschulhaus Winterthur.


Sterbeort:
Winterthur

Geburtsort
Pfungen

Geboren
25.06.1887

Gestorben
10.07.1979


Zum 80. Geburtstag von Emilie Bosshart verfassten Freunde eine Festschrift zu Ehren der unermüdlichen Pädagogin und Autorin, 1977.
Foto: winbib (Signatur 170238)

Kindheit und Ausbildung

Emilie Bosshart wurde am 25. Juni 1897 in Pfungen als drittes von vier Kindern geboren. Sie war die ältere Schwester des Juristen und Politikers Eduard Bosshart. Die Familie zog 1915 nach Winterthur. Dort besuchte Emilie Bosshart die Industrieschule und schrieb sich nach erfolgreichem Maturitätsabschluss in den Lehramtskurs der Universität Zürich ein. Diese zweisemestrige, universitäre Primarlehrer:innenausbildung bestand von 1907-1938 und war Abgänger:innen der Winterthurer Industrieschule sowie der Gymnasien in Zürich und Winterthur vorbehaltenen. Emilie Bosshart musste ihre Ausbildung 1917 unterbrechen, um Stellvertretungen für die durch den Militärdienst ausgefallenen Lehrer zu übernehmen. Das Primarlehrerpatent erwarb sie im Frühling 1918.

Engagement für die Gleichstellung der Frau

Der Lehrpersonenüberfluss nach dem Ersten Weltkrieg führte dazu, dass Emilie Bosshart als Frau keine Anstellung im Schulbereich finden konnte. Bis 1922 war sie daher als Hauslehrerin in einer Hoteliersfamilie in Cannes tätig. Danach konnte sie zunächst nur als Verweserin (Stellvertreterin) arbeiten. 1926 erhielt sie ihre erste reguläre Anstellung als Lehrerin im Altstadtschulhaus Winterthur, allerdings trotz anderer Vorlieben und fehlender Spezialausbildung vorerst nur für die «Spezialklasse», der Klasse für Kinder mit Beeinträchtigungen. Ab diesem Zeitpunkt begann sich Emilie Bosshart politisch zu engagieren. Sie setzte sich für die Gleichstellung der Frau und die staatsbürgerliche Erziehung von Mädchen ein. Sie trat der Demokratischen Partei bei, wurde 1938 als Vertreterin der Frauen in den Zentralvorstand der Partei gewählt und übernahm das Präsidium der Demokratischen Frauengruppe. Als ab 1941 auch Mädchen zu den Jungbürgerfeiern eingeladen wurden, verfasste Emilie Bosshart ein entsprechend ausgerichtetes Kapitel für das neue Zürcher Bürgerinnen- und Heimatbuch.

Bis zu ihrer Pensionierung 1963 war Emilie Bosshart als Primarlehrerin im Altstadtschulhaus, ab 1934 für die 4.-6. Klasse, und als Lehrbeauftragte in der Seminarabteilung der Töchterschule der Stadt Zürich tätig. Eine volle Stelle am Seminar blieb ihr aufgrund des damals üblichen Männervorrangs zeitlebens verwehrt.

Geisteswissenschaftlichen Pädagogik und Faszination für Pestalozzi

Neben ihrer Anstellung als Primarlehrerin studierte Emilie Bosshart ab 1926 Philosophie, Pädagogik und Psychologie an der Universität Zürich. 1934 schloss sie dieses mit einer Dissertation über Eduard Spranger ab, einem der profiliertesten Vertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Emilie Bosshart war zu einer überzeugten und konsequenten Vertreterin der geisteswissenschaftlichen Pädagogik geworden. Sie leitete ab den 1930er Jahren das «Lehrerkränzchen» im Winterthurer Altstadtschulhaus, wo sie ganz im Sinne dieser Denkart, pädagogische Probleme mit Rückbezug auf Ideen Pestalozzis als idealisierten pädagogischen Klassiker diskutierte. Gleichzeitig hielt sie Vorträge und publizierte eine Vielzahl an Beiträgen, Stellungnahmen und Artikeln zu pädagogischen und kulturpolitischen Themen. Sie war Mitherausgeberin der zehnbändigen Sammlung mit Schriften Pestalozzis, die 1945-1947 erschien.

Ihren Lebensabend verbrachte Emilie Bosshart im damals neu eröffneten Altersheim Rosental in Winterthur Veltheim. Sie starb am 10.07.1979 im Alter von 82 Jahren.


Benutzte und weiterführende Literatur

Eigene Werke (Auswahl):
Erziehung in der Familie bei Pestalozzi, 1976.
Heinrich Pestalozzi. Gesammelte Werke in zehn Bänden. Hrsg. von Emilie Bosshart, Emanuel Dejung, Lothar Kempter, Hans Stettbacher, Zürich 1944-1947.
Kinder verstehen – Kinder erziehen. Zürich 1966.
Erziehung zur Persönlichkeit, Zürich 1951.

Literatur
Künzler, Eduard: Dr. Emilie Bosshart zu ihrem 75. Geburtstag. In: Schweizerische Lehrerinnenzeitung, 76, 1976, S. 177–180.
Reinhard-Steiger, Hadwig et al.: Emilie Bosshart zum 80. Geburtstag. o. A. 1977.
Dejung, Emanuel: Nachruf auf eine Pestalozzi-Forscherin. Zum Gedenken an Dr. Emilie Bosshart (1897–1979), In: Schweizerische Lehrerzeitung, 124, 1979, S. 1402f.



Bibliografie


Autor/In:
Mirjam Staub
Letzte
Bearbeitung:
26.01.2024