Bildung und Soziales

Frauenzentrale Winterthur

Metzggasse 2

Die Frauenzentrale Winterthur ist eine Non-Profit-Organisation und wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt. Schon seit Jahrzehnten ist sie ein Begegnungsort und bietet Orientierungshilfe für Frauen und ihre Familien an.


Gründungsdatum
1919


Adresse
Frauenzentrale Winterthur
Metzggasse 2
8400 Winterthur
1926: Metzggasse 2, Frauenzentrale Foto: winbib, Hermann Linck (Signatur Neg 5266 Linck Frauenzentrale)

Die Frauenzentrale Winterthur ist eine soziale Institution und wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt. Schon seit Jahrzehnten ist sie ein Begegnungsort und bietet Orientierungshilfe für Frauen und seit neuerer Zeit auch für Männer und ihre Familien an. Die Themenpalette für die sich die Frauenzentrale stark macht ist sehr vielfältig. Dazu gehören die soziale, wirtschaftliche und politische Gleichstellung von Frauen, die Führung einer unabhängigen Anlaufstelle für Frauen und Familien durch das Sekretariat, eine neutrale und unabhängige Beratung für Budget- und Rechtsfragen. Dazu zählt auch eine finanzielle Unterstützung durch den Fonds "Kur und Ferienhilfe" Wissensvermittlung zu aktuellen Themen aus dem öffentlichen und privaten Bereich mittels Veranstaltungen, Ausstellungsmöglichkeit zur Förderung von Künstlerinnen aus Winterthur und Umgebung in den eigenen Räumen und Frauenförderung in öffentlichen und politischen Ämtern. Ratsuchenden zu helfen und sie zu unterstützen ist seit jeher das zentrale Ziel der Frauenzentrale Winterthur. Dem Verband vorangegangen war der erfolgreiche Zusammenschluss von Frauenvereinen während des Ersten Weltkriegs zur «Frauenhilfe Winterthur».

Den meist aus wohlhabenden, gutbürgerlichen Kreisen stammenden Frauen war es gelungen, mit der von ihnen gegründeten «Zentralstelle für Hülfstätigkeit» die existenziellen Nöte, die die Kriegsjahre für weniger Bemittelte mit sich brachten, zu mindern. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit wollten sie «auch für die Friedensarbeit nutzbar machen». Am 6. Juni 1919 erfolgte die Gründung der Frauenzentrale Winterthur. Neben Einzelmitgliedern gehörten zehn Vereine dem Dachverband im Gründungsjahr an: Der Frauenbund, der Frauenverein, der Verein Freundinnen junger Mädchen, der Frauenstimmrechtsverein, der Abstinente Frauenbund, der Verein zur Errichtung alkoholfreier Wirtschaften, der Verein zur Hebung der Sittlichkeit, der Christkatholische Frauenverein, der Wöchnerinnen-Unterstützungsverein sowie die Frauenkommission des Konsumvereins. Die Frauenzentrale hatte das Glück, dass einige wohlhabende Frauen, die im ersten Jahresbericht als «hochherzige Stifterinnen» bezeichnet werden, dem neugegründeten Dachverband den Kauf des 1865 erbauten Riegelfachwerkhauses «zum Kirschbaum» an der Ecke Metzgass/Steinberggasse ermöglichten. Am 29. September 1919 fand die Eigentumsübergabe statt. Die Frauenzentrale liess die Mietparteien in den oberen beiden Stockwerken vorläufig drin wohnen, was ja sicher auch willkommene Einnahmen generierte und nutzte die freien Räume für ein Sekretariat, für Büro- und Arbeitsräume sowie für einen Verkaufsladen im Parterre.

Der von den Donatorinnen gespendete Betrag von 94'000 Franken reichte nicht nur für den Kauf des Hauses (65'000 Franken), sondern auch für den Betrieb der Frauenzentrale fürs erste Jahr. Die Liegenschaft musste danach noch mehrmals saniert werden, das letzte Mal fand 1996 eine Grosssanierung statt. Zur ersten Präsidentin wurde die in Töss geborene Lisa Weber (1880-1972) ernannt. Sie präsidierte die Frauenzentrale 38 Jahre. In Kassel/Deutschland hatte sie sich zur Haushaltungslehrerin ausbilden lassen. 1905 kehrte sie nach Winterthur zurück und wurde Kochlehrerin beim Frauenbund. «Während fünfzig Jahren leitete sie in der Kochschule an der Bahnstrasse und in den letzten Jahren im «Wiesental» Kurse für die feine Küche, die absolviert zu haben zum Rüstzeug jeder Braut gehörte, die später einem anspruchsvollen Hauswesen vorzustehen hatte», stand im Nachruf, der am 29. Juni 1972 im Landboten publiziert wurde. «Wenn das Einkommen nicht mehr bis zum Ende des Monats reicht, ist es höchste Zeit, ein Budget aufzustellen. Wer das selber nicht kann, sollte sich beraten lassen». Dafür steht der Beratungspunkt der Frauenzentrale Winterthur zur Verfügung. Haben sich bei Ratsuchenden bereits Schulden angehäuft, können sie sich auch direkt an die Schuldenberatungsstelle des Kantons Zürich wenden, die seit 2017 ebenfalls in den Räumen der Frauenzentrale im Haus zum Kirschbaum untergebracht ist.

Der gemeinnützige Schuldenberatungsverein arbeitet organisatorisch unabhängig von der Frauenzentrale. Nachdem der Verband gegründet und das Haus gekauft war, richteten die Damen als erste Dienstleistung ein Sekretariat als unabhängige Anlauf- und Auskunftsstelle für Frauen ein. In den Monaten vor der Eröffnung hatte Hannah Benz (1895-1991), die von 1919 bis 1928 das Sekretariat führte, zusammen mit zwei freiwilligen Hilfskräften viel Material für die Kartothek gesammelt und war nun imstande, Auskunft zu geben über alle Angelegenheiten, welche die Bildung und die Interessen der Frauen und Mädchen betreffen. Die zusammengetragenen Informationen über all die Schulangebote führten 1922 dazu, dass die Stadt die Berufsberatung für Mädchen der Frauenzentrale übertrug. Im ersten Jahr der Berufsberatung erteilte Hannah Benz, wie sie im Jahresbericht schreibt, «1089 Audienzen an 328 Mädchen, von denen wir 89 an Lehr- und Dienststellen platzierten». Durch Kommissionen wurden Kurse und Vorträge für ihre Mitglieder organisiert. Sie hatten und haben zum Ziel, das Selbstvertrauen der Frauen zu stärken, damit sie aktiv das öffentliche und politische Leben mitgestalten können. Um die Mitgestaltung zu erhöhen hat die Frauenzentrale mit Frauen aus allen politischen Parteien vor mehr als 20 Jahren das Politische Frauenforum PFF gegründet Das Forum befasst sich mit aktuellen Themen, AHV-Revision oder die Ehepaarbesteuerung, dies immer mit öffentlichen Podiumsdiskussionen. Seit den Anfängen der Frauenzentrale gehörten Politik und Bildung der Frauen zum Programm.

1984 hatte die Frauenzentrale auf Wunsch des Sozialamts der Stadt das für Frauen kostengünstige Budgetberatungsangebot übernommen und zu seiner bereits in den 1960er-Jahren ins Leben gerufenen Rechtsauskunftsstelle für Frauen hinzugefügt. Die Rechtsberatung ist bis heute das am häufigsten beanspruchte Angebot der Frauenzentrale. Während die beiden Budgetberaterinnen pro Jahr etwa 100 Beratungstermine bestreiten, führen die aktuell elf ehrenamtlich tätigen Juristinnen 400 Beratungsgespräche pro Jahr. Seit 2010 werden die beiden Angebote der Budget- und Rechtsberatung unter dem Namen «Beratungspunkt» geführt. Ab 1990 wird in den Jahresberichten erwähnt, dass «auch vermehrt Männer allein oder in Begleitung» die Budgetberatung aufsuchen. 1997 wird an einer Klausur die Neuorientierung der Frauenzentrale diskutiert und ein Jahr später werden die Statuten der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst und das Beratungsangebot erweitert. Neu ist es nun «für Frauen und Familien» zugänglich.

Die anfangs der Zwanzigerjahre vorherrschende grosse Arbeitslosigkeit bekam das Sekretariat täglich zu spüren und die Frauenzentrale entschied sich, für Frauen eine Arbeitsvermittlungsstelle für Arbeiten jeglicher Art anzubieten. Schwierig stellte sich die Arbeitssuche für kränkliche und invalide Personen heraus. Daher rief die Frauenzentrale 1920 eine «Arbeitsstelle für vermindert Arbeitsfähige» ins Leben. Diesen gab sie je nach ihren Fähigkeiten Näh-, Strick-, Bast- oder Knüpfarbeiten in Auftrag und verkaufte die in Heimarbeit angefertigten Waren im Laden im Parterre des Hauses zum Kirschbaums. Bice Steiner, die von 1924 bis 1967 im Vorstand der Frauenzentrale aktiv war, präsidierte diese Kommission 43 Jahre lang. Dank ihrer Initiative wurde der Laden, der im Laufe der Jahre den Namen «Chriesibaum» erhielt, später ausgebaut und zahlreichen Frauen konnte Heimarbeit verschafft werden. 1982 etwa waren 54 Heimarbeiterinnen beschäftigt. 1985 wurden auch Änderungsaufträge ins Angebot aufgenommen, da die Ertragslage des Ladens zurückging. Die wachsende Konkurrenz der billigeren industriell verarbeiteten Produkte wurde spürbar. Nach vielen Jahren mit einem Defizit in der Jahresrechnung des Ladens beschloss die Frauenzentrale, diesen im Sommer 2009 zu schliessen.

Die Frauenzentrale initiierte oder organisierte im Auftrag anderer noch zahlreiche weitere Hilfsangebote, die später von anderen Institutionen oder der öffentlichen Hand übernommen wurden. So nahm etwa der Haushilfedienst für Betagte seinen Anfang in der Frauenzentrale bevor die damalige Stiftung für das Alter, heute Pro Senectute, die Organisation übernahm. Nach den beiden Weltkriegen organisierte die Frauenzentrale jeweils auch Kleider- und Lebensmittelsammlungen für vom Krieg Versehrte und Notleidende im Ausland. Die Frauenzentrale unterstützte auch das Rote Kreuz bei seinen Aktionen und Sammlungen. Zu Beginn der 1980er-Jahre bemühte sich die Frauenzentrale, ein Frauenhaus für misshandelte Frauen und deren Kinder zu errichten. Im Juli 1984 gründete sie den Verein zur Erhaltung des Frauenhauses, um Spenden generieren zu können, was erfolgreich gelang. Mithilfe des Vereinsvermögens konnte ein Frauenhaus an geheim gehaltener Adresse eröffnet werden. Getragen wird das Haus seither vom Verein zum Schutz misshandelter Frauen Winterthur.

Die heutigen Angebote der Frauenzentrale – der Beratungspunkt, die Ferienhilfe und die Veranstaltungen – sowie das politische Engagement seien nach wie vor sehr gefragt, betont die aktuelle Präsidentin, Ursula Bründler. Vor allem die Rechtsberatung sei sehr gefragt und es werde geschätzt, dass man diese unbemerkt aufsuchen könne, da sich diese den Eingang mit einem Schmuck- und Dekoladen, einer Arztpraxis sowie einem Treuhandbüro teile. Durch die noch junge Zusammenarbeit mit der kantonalen Schuldenberatung habe auch die Budgetberatung neuen Schwung bekommen. Gemeinsam plant man, künftig Referate in Schulen zum Thema Kredite und Schulden anzubieten. Durch die Aufnahme von Männern in die Beratungsangebote habe man eine Namensänderung lange diskutiert, jedoch wieder verworfen. Es sei immer schwierig, eine Bezeichnung einer historisch gewachsenen Organisation zu ändern. So bleibt der Dachverband bei seinem Namen, fügt einfach einen Zusatz bei: Frauenzentrale Winterthur – «auch für Männer».

Quelle: Jahrbuch 2019: „Seit 100 Jahren das Wohl der Frau und ihrer Familie im Fokus“ von Regina Speiser“

Bibliografie

    Frauenzentrale, Metzggasse 2, Haus zum Chriesibaum

    • Einträge ab 2011

      Witzig, Heidi: Metzgasse 2 - die Frauenzentrale im "Kirschbaum". In: Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Bd. 347 (2013), S. 186-189. m. Abb.
      Speiser, Regina: Seit 100 Jahren das Wohl der Frau und ihrer Familie im Fokus. In: Winterthurer Jahrbuch 2019 (2018). S. 150-153. m. Abb.

      Einträge 1991–2010

      Neue Präsidentin: Weinländer Zeitung 1992/62.
      Umbau: Landbote 1994/234 1Abb., 288, 1996/18 m.Abb., 53. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1995/11 1Abb. - Elggerztg 1995/81. - Andelfinger Zeitung 1995/91. - Weinländer Zeitung 1996/13.
      Abwahl Präsidentin: Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/94, 105.
      Neubeginn: Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/218. - Landbote 1996/246, 247. - Weinländer Zeitung 1996/124.
      Schlussbericht: Landbote 1997/103, 109.
      Neue Statuten: Weinländer Zeitung 1998/58.
      80 Jahre: Stadtblatt 1999/24, m.Abb. - Landbote 1999/134. - Weinländer Zeitung 1999/67.
      Budgetberatungsstelle: Landbote 1999/238.
      Laden: Landbote 2000/53.
      90 Jahre: Winterthurer Zeitung 2009/16


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
05.04.2023