Viele mittelalterliche Dörfer hatten in ihrer Mitte eine Linde. Der Baum diente als wichtiger Versammlungsplatz. Die Linde galt als Symbol des Friedens und war in den Dörfern auch das Zentrum der Maifeierlichkeiten oder als Gerichtsplatz nach germanischer Tradition – dem sogenannten «Thing». Auch in der ehemaligen Weinbaugemeinde Wülflingen stand über viele Jahrhunderte eine solche Linde im Dorfzentrum und war sowohl Schmuck als auch Wahrzeichen. Um die Wurzeln zu schützen, beschloss die Gemeindeversammlung 1845, ihren Stamm einzufassen.
Als die Asphaltierung für den Lindenplatz durchgeführt wurde, nahm der Baum allerdings Schaden. Innerlich abgestorben, musste die alte Dorflinde 1943 gefällt werden. Mindestens 180 Jahrringe zählte der Baum, doch ein grosser Teil fehlte, weil der Stamm im Innern bereits ausgehöhlt war. Fachpersonen schätzten ihr Alter schliesslich auf über 190, aber unter 250 Jahre. Mitten im Zweiten Weltkrieg war der Verlust der Linde ein harter Schlag für die Dorfbevölkerung. Zwei Jahre lang mussten die Einheimischen warten, ehe am 6. Dezember 1945 eine «Friedenslinde» als neue Dorflinde gepflanzt wurde. Dabei handelte es sich um einen direkten Nachkommen der alten Linde. Die junge Linde war um 1930 im benachbarten Vorgarten des Briefträgers Benz als Sämling herangewachsen. Mittlerweile war die bereits vier Meter hohe Linde stark genug, um umgepflanzt zu werden, und so schenkte die Witwe des Pöstlers den Baum dem städtischen Gartenbauamt. Stadtrat Ernst Löpfe (SP) weihte die neue Linde im Beisein des Stadtgärtners und der Bevölkerung ein.