Natur und Pärke

Friedhof Rychenberg mit Friedhofkapelle

Von 1871 bis 1914 war der städtische Friedhof an der Rychenbergstrasse auf einem Teil des Areals, wo heute die Bauten der Kantonsschule stehen, angesiedelt. Ein besonderes Schmuckstück des Friedhofes war die von Stadtbaumeister Bareiss gebaute Abdankungskapelle. Nach dem Bezug des neuen Friedhofes auf dem Rosenberg nagte der Zahn der Zeit am Friedhof und insbesondere an der Kirchenbaute.


Baujahr
1871


um 1880: Friedhof Kapelle, im Lee Foto: winbib. Johann Linck (Signatur 036967)

1871 wurde am Fusse des Goldenberges der Friedhof Lind (Rychenberg) eröffnet. Das Gelände lag eingebettet in Parks (zum Beispiel östlich, zwei Villen der Brüder H. und K. Bühler). Der Friedhof war ausgestattet mit sehenswerten Grabmonumenten, gestaltet durch Bildhauer, die sich am Friedhofrand in ihren Werkstätten niedergelassen hatten. Als schöner architektonischer Schmuck stellte sich die Friedhofkapelle dar. Das Haus wies edle gotische Formen aus und ist 1867 bis 1870 von Stadtbaumeister Wilhelm Friedrich Carl Bareiss gebaut worden. Die inwendig stilvoll dekorierte Kapelle diente für Abdankungen bei Beerdigungen. Die Kapelle galt als reifstes und liebenswürdigstes Werk von Bareiss. Sie ersetzte die mittelalterliche Sankt Georgs-Kapelle, die dem Bahnbau hatte weichen müssen.

Nach Inbetriebnahme des Friedhof Rosenberg, wurden ab 1914 keine Bestattungen mehr vorgenommen. 1962 begann der Bau der neuen Kantonsschule auf diesem ehemaligen Friedhof-Areal. Gräber wurden exhumiert und teilweise auf den Rosenberg verlegt. Darunter auch ein Monument für 44 Boubaki-Soldaten. Das rund 10 auf 12 Meter messende, rechteckige Kapellenschiff war nach Osten und Westen durch ein kleines Querschiff zum Kreuz erweitert. Im Norden schloss sich ein Chor an, während dem Haupteingang im Süden eine offene Vorhalle und eine geräumige Terrasse vorgelagert waren. Der hohe spitzgiebelige Bau mit dem übereck gestellten schlanken Dachreiter lebte aus dem spannungsvollen Gegensatz zwischen grösseren Flächen unverputzten Kalksteinmauerwerk und der filigranen Steinhauerarbeit aus Sandstein in den Fenstern, Friesen und Fialen. Besonders reich war die Vorhalle gestaltet mit dem Kreuzgewölbe auf hochgotischen Pfeilerbündeln und dem durchbrochenen Masswerk der drei Wimperge.*** Nach dem Bau des neuen Friedhofs Rosenberg 1913 wurde der Friedhof Rychenberg ab 1914 dorthin verlegt. Die Ruhefrist der beerdigten Personen wurde aber nach heutigen Massstäben noch reichlich gewährt. Allerdings verfiel Friedhof und Kapelle langsam und mussten schliesslich der 1960 bis 1962 errichteten Erweiterung der neuen Kantonsschule Platz machen.

*** Ein Wimperg (ahd. wint-berga = ein vor dem Wind - schützender Bauteil; mhd. Wintberge = Mauerzinne oder kl. Stadt mit zahlreichen dichtgedrängten Giebelhäusern, Zinnen, Erkern und Türmen) ist der gotische Ziergiebel, der häufig von Fialen flankiert wird. Er ist über Portalen und Fenstern angebracht. Das Giebelfeld ist mit vorgetäuschtem Blendmasswerk oder anderen Blendgliederungen ausgefüllt oder durchbrochen gearbeitet. Die Giebelschrägen sind oft mit Krabben (einem Blumenmotiv) besetzt, die Spitze ist mit einer Kreuzblume geschmückt. Der Wimperg ist eines der Elemente, das dem Streben der gotischen Architektur in die Höhe Ausdruck gibt. In der Spätgotik verliert sich dieses Baumotiv. Weiterhin wird der Begriff für die rechteckigen Aufsätze auf der Brüstungsmauer einer Zinne verwendet. Sie dient in diesem Zusammenhang als Schutz vor feindlichen Geschossen.

Bibliografie


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
05.04.2023