Verkehr und Infrastruktur

Gasversorgung Winterthur

1860 wollten Initianten der „Gasanstalt Winterthur“ Licht in Gassen und Fabriken bringen. Sie waren überzeugt, mit einer neuen Technik dem Fortschritt zu dienen. Sie hatten recht. Gas wurde rasch zu einem wichtigen Motor für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Gas war der Inbegriff für Fortschritt.


Gaswerk, Teilansicht, 1932
Foto: winbib, Signatur 064407
In Töss wurde auf der "Haagewiese" an der heutigen Rieterstrasse eine Gasanstalt erstellt, die am 20. Januar 1860 den Betrieb aufnahm. Das aus Steinkohle hergestellte Gas war damals ein Zeichen des Fortschritts. Das rasch erstellt Netz von Gasleitungen ermöglichte es, das bald 1500 Lampen zahlreiche Strassen, Privathäuser und Industriebetriebe erhellten. Nur sieben Monate später brannten bereits 2200 Leuchten in der Stadt. Das Licht wurde also aus Steinkohle hergestellt, was fast als Wunder betrachtet wurde. Der Gasverbrauch stieg weiter an, sodass bald eine neue, leistungsfähigere Produktionsanlage erstellt werden musste. Die Stadt erstellte nun ein eigenes Gaswerk im Schöntal. Heute steht auf diesem Areal das Werkgebäude der Stadtwerke Winterthur.

Die Fundamente der ehemaligen Gasbehälter sind im Spitz der Strassen Schlosshof- und untere Schöntalstrasse noch ersichtlich. Da der Boom der Gasverwendung nachliess wurden neu Einsatzgebiete gesucht. Der Direktor des Gaswerkes von 1876 bis 1900, Jakob Isler, setzte auf neue, gasbetriebene Geräte, die im Haushalt eingesetzt werden konnte. Mit den Schlagworten „bequem, sauber und zeitsparend“ wurde für Gas-, Koch- und Heizapparate geworben. Isler selber konstruierte einen Gasherd, der bald reissenden Absatz fand. Es gelang den Gasabsatz wieder zu steigern und die Rechung ins Gleichgewicht zu bringen. Die Elektrizität wurde nach dem ersten Weltkrieg eine zunehmende Konkurrenz zum Gas.

Mit der Stadtvereinigung von 1922 vergrösserte sich aber das Absatzgebiet, sodass die Erneuerung der eigenen Gasproduktion 1932 beschlossen wurde. Mit den neuen Vertikalöfen konnte auch der Schadstoffausstoss vermindert werden und die Wirtschaftlichkeit gesichert werden. Negativ blieb der Umstand, dass das Gas giftig war. Winterthur glaubte dieses Problem mit der Entwicklung einer Gasentgiftungsanlage lösen zu können. Es blieb beim Versuch, vielen Kosten und politischen Turbulenzen (1963 unter Direktor Deringer). Der Rettungsanker war schliesslich die Umstellung auf Erdgas. 1966 beteiligte man sich am Gasverbund Ostschweiz AG. Ab 1974 gab man die Eigenproduktion auf und stellt auf das umweltschonende und ungiftige Erdgas um.

Dazu wurde 1973 in Oberwinterthur nördlich der ehemaligen Multikomponentenablagerungsstelle beim Riethof Wiesendangen auf Stadtgebiet eine Gasübernahme- und Reglerstation mit vorerst einem Kugelgasbehälter erstellt. Sie dient vor allem dem Ausgleich des unterschiedlichen täglichen Gasverbrauch. Die natürliche Energie Erdgas ist vor Millionen von Jahren aus organischen und pflanzlichen Überresten entstanden. Diese Energie besteht im Wesentlichen aus Methan und ist ungiftig. Erdgas verbrennt restlos: ohne feste Rückstände, ohne Schwefeldioxid, Russ und Rauch. Weil es unterirdisch befördert wird, beeinträchtigt es weder das Landschaftsbild noch belastet es die Verkehrswege. Es ist deshalb Teil der Winterthurer Umweltpolitik, den Anteil des sauberen Erdgases am gesamtstädtischen Energieverbrauch weiter zu entwickeln.

An den Übernahmestationen Tägerloh (Oberwinterthur) und der später folgenden im Niderfeld (Wülflingen) wird das Erdgas aus der grossen Transportleitung der Erdgas Ostschweiz AG (EGO) übernommen. Über ein Hochdrucknetz strömt das Erdgas zu Druckreduzierstationen und von dort über das Niederdrucknetz zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Verschiedene Speicher dienen als Versorgungspuffer zum Ausgleich der Tagesspitzen. Das Erdgasnetz des Versorgungsgebietes umfasst rund 250 km Rohrleitungen, die unter ständiger Beobachtung und Wartung stehen. Das Erdgas wir aus folgenden Herkunftsgebieten bezogen: 50% aus der Europäischen Union, 21% aus Norwegen, 21% aus Russland und noch 8% aus anderen Ländern. Erdgas findet im Alltag neben Kochen und Heizen eine weitere Anwendung im Autofahren. Das Erdgas/Biogas-Tankstellennetz in der Schweiz und im Ausland ist ständig im Wachstum begriffen. Auch in Winterthur: An verkehrstechnisch günstigen Lagen stehen 2010 drei öffentliche Erdgas/Biogas-Tankstellen, an denen bequem auch mit Kreditkarten Erdgas/Biogas als Treibstoff getankt werden kann.

Bibliografie

    Gaswerk Schöntal, städtische Werke

    • Einträge ab 2011

      Geiser, Regula: Gas made in Winterthur. In: De Tössemer, Mai 2022, S. 7. m.Abb.
      Rezzoli, Michael: Erlesenes aus dem Stadtarchiv: Das Gaswerk in der Zeit des Kohlemangels. In: Winterthurer Jahrbuch 2024. S. 107-111. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Abbruch: Zürcher Denkmalpflege, 12. Bericht 1987-1990, Zürich, 1997, S. 341 ff., m.Abb.
      Als Winterthur Gas noch selber herstellte, Beginn vor 150 Jahren: Landbote 2010/15 + Interview Christian von Burg, m.Abb. - NZZ 2010/16 S. 18


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
01.06.2022