Architektur

Gustav Adolf Kellermüller

Architekt, 1895–1981

„Im Spannungsfeld zwischen Spekulationsarchitektur und avantgardistischen Wohnexperimenten vermag das Werk eines Adolf Kellermüllers über eine Tendenz Aufschluss zu geben, die den schweizerischen Wohnungsbau der Zwischen- und Nachkriegszeit entscheidend geprägt hat. Dies betrifft in erster Linie die Reform der Wohnungsverhältnisse mittlerer und unterer Einkommensschichten.“ Das schrieb 1983 Christoph Luchsinger in einem Essay über Adolf Kellermüller.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
29.05.1895

Gestorben
02.02.1981


1949: Adolf Kellermüller (links), im Park der Berufsschule Tösstalstrasse Foto: winbib, Urheberschaft unbekannt (Signatur FotKellm_004-001a)
Adolf Kellermüller ist am 29. Mai 1895 in Oberwinterthur auf die Welt gekommen, wo er auch die Primar- und Sekundarschulen besuchte. Zwischen 1911 und 1915 besuchte er nebst Praxistätigkeit im Baugewerbe Kurse an der Schule für Bautechniker am Technikum Winterthur. 1915/16 arbeitete er in Königsberg/Deutschland bei den Architekten W. Schlenger und Arndt. Darauf bis 1917 besuchte er als Werkstudent die Akademie für Künste in Berlin. Er war Meisterschüler bei Professor G. Bestelmeyer. 1917/18 fand er eine Anstellung in Goldap/Ostpreussen beim Architekten E. Pietrusky. Anschliessend wurde er Leiter einer staatlichen Beratungsstelle für Wiederaufbau in Gawaiten, Kreis Goldap, und ab 1919 hatte er in Goldap ein eigenes Büro. Er war dabei vor allem tätig für Wohnbauten für Landarbeiter.

1920 bis 1923 leitete er das Wiederaufbau-Kommissariat in Litauen, er bearbeitete das Baugesetz, übte baupolizeiliche Aufgaben aus und gab die Zeitschrift „Baukunst und Handwerk“ heraus. 1923 kehrte er in die Schweiz zurück. 1924/25 besuchte er Kurse für Städtebau und Siedlungswesen bei Professor Hans Bernoulli (1876-1959) an der ETH Zürich. Seit 1923 besass er ein eigenes Architekturbüro in Winterthur und erstellte auch Siedlungsbauten in Zusammenarbeit mit Hans Bernoulli und Franz Scheibler. 1928 schloss er sich mit Hans Hofmann (1897-1957), dem späteren ETH-Professor und Landi-Architkten zur Firma „Kellermüller & Hofmann, Architekten BSDA, Winterthur und Zürich“ zusammen.

Die Büros in Winterthur und Zürich arbeiteten selbstständig, sowohl Kellermüller wie Hofmann führten eigene Aufträge aus. Bei gemeinsamen Projekten ist Kellermüller in erster Linie für die technische Durchbildung und die Baurealisation zuständig, beteiligte sich aber von dieser Seite her oft entscheidend an der Projektierung. 1952 trennt sich Kellermüller von Hofmann und arbeitet wieder eigenständig. Ab 1962 gründet er erneut eine Bürogemeinschaft mit Hans Rudolf Lanz. Am 2. Februar 1981 verstarb Kellermüller 86-jährig. Kellermüller wollte alleine und zusammen mit Partnern (Bernoulli, Scheibler) mit einfachem Bauen bessere Wohnverhältnisse für die Arbeiter schaffen. Er schliesst somit dem Beginn dieser Wohnform von Ernst Jung (1941-1912) eine Fortsetzung an.

1923 übernahm Kellermüller zusammen mit Bernoulli den Auftrag für die Projektierung von drei Siedlungen. Auftraggeber war die neugegründete Heimstättengenossenschaft (HGW), die sich auf die Erstellung von Kleinhäusern für Arbeiter mit niedrigem Einkommen spezialisieren wollte. Es entstanden die drei Siedlungen Weberstrasse (1923-25), an der Bachtelstrasse (ab 1924) und im Eichliacker (1924-28). Das Konzept hiess, einfach konstruierte, eingeschossige Reihenhäuser mit ausgebautem Dachgeschoss und zugehörigem Garten. Auch die 1925-29 von Kellermüller zusammen mit Scheibler realisierte Kolonie „Selbsthilfe“ im Eigenheim war ein Musterbeispiel für Sieldungsbau mit einfachsten Mitteln. Die Genossenschafter mussten durch eigene Arbeitsleistung am Bau bei der Finanzierung seines Heimes mitwirken. Illustration dazu unter „Scheibler Franz“ (direkter Link unter „Beziehungen“).

Mit der Siedlung „Stadtrain“ an der Frauenfelderstrasse demonstrierte 1928-1943 Adolf Kellermüller, neu mit Mitarbeit von Hans Hofmann, seine Auffassung von Neuem Bauen. Dazu verweisen wir auf den eigenen Artikel und dem Titel „Birchermüesli-Quartier“. Kellermüller war auch Bauchef im OK für das Eidgenössische Turnfest 1936 in Winterthur gewesen. Zwei Grossbauten zeigen auf, dass es Kellermüller an Vielseitigkeit keineswegs gefehlt hatte. 1937/38 baute er das Hotel-Restaurant Volkshaus (Abbruch 2004 nach gescheiterter Unterschutzstellung als eines der letzten baulichen Zeugen der Arbeiterbewegung und ein Schlüsselwerk der Schweizer Nachkriegsarchitektur. Der Schweizer Heimatschutz setzt sich vergeblich für den Erhalt des wertvollen Baudenkmals ein.) 1935 projektiert und 1848/49 ausgeführt wurde das Projekt Gewerbeschule Winterthur an der Tösstalstrasse 22. Anschliessend folgten wiederum Siedlungen: 1945/46 Kolonie Schlosshof am Herrenrebenweg, 1947/48 Kolonie Mattenbach am unteren Deutweg 25-61 und Mattenbachstrasse 1-13, Bauherr für beide Siedlungen Eigenheimgenossenschaft und 1949 Kolonie Winzerstrasse 31-73 und 32-54 für die Gesellschaft zur Erstellung billiger Wohnhäuser.

Bibliografie

    Gustav Adolf Kellermüller, 1895-1981, Architekt

    • Einträge ab 2011

      Niederhäuser, Peter: 1923. Ein Schlüsseljahr der Winterthurer Baugeschichte. Winterthurer Bau-Geschichten, Band 8. Winterthur 2023. S. 22-29. m.Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
26.11.2024