Das Haus „Zum Tiger“ ist typisch für die Wohnhäuser der wohlhabenden Handwerker in der Steinberggasse. Im 19. Jhdt. wurde es sogar von Baron Friedrich von Sulzer-Wart bewohnt. Die Innenausstattung aus dem 18. und 19. Jhdt. wird von den heutigen Besitzern sorgfältig gepflegt und renoviert. Die Geschichte des Hauses „Zum Tiger“ reicht bis ins Mittelalter zurück. Es säumt die südliche Häuserzeile der am besten erhaltenen, geschlossenen Längsgasse in der Winterthurer Altstadt, der Steinberggasse. Mit dem letzten in dieser Art überlieferten Gewerbegeschoss zeugt der Bau von den Gewerbetreibern und Kleinbürgern, die früher diesen Stadtteil bewohnten. Eine Besonderheit der Hausfassade stellen das Rundbogenportal und die Rundbogenfenster im Erdgeschoss dar. Sie entsprechen einer Fassadengestaltung, wie sie bei allen Winterthurern Altstadthäusern in der Zeit vor 1800 üblich war. Solche Rundbogenfenster wurden im Mittelalter mit Klappläden geschlossen. Tagsüber konnten sie heruntergelassen werden und dienten dann als Auslageflächen für die angebotenen Waren. Davon leitet sich auch der Begriff „Laden“ für eine Verkaufsstätte ab. Die Eigentümer des Hauses sind bis in das ausgehende 17. Jhdt. bekannte namhafte Winterthurer Familien wie Ziegler und Sulzer. Das in der Stadtansicht von 1648 noch als zweigeschossiger Bau dargestellte Haus wurde gemäss der Inschrift im Türsturz über dem Rundbogenportal 1696 im Auftrag von Hans Jakob Sulzer einem umfassenden Umbau unterzogen.
Zu den damaligen Veränderungen zählen unter anderen die Ausstattungen der gassenseitigen Stube, der Alkoven (Bettnischen) und die Küche im mittleren Hausteil sowie die hofseitigen Kammern. Damals wurde das Haus auf vier Geschosse aufgestockt. Die Konstruktion des liegenden Dachstuhls ist bis heute erhalten und zeugt von der Winterthurer Zimmermannskunst des 17. Jhdts. Das Erdgeschoss ist ein 3-räumiger Gewerbeteil, das seit je unverändert geblieben ist. Der vordere Teil mit Fenster gegen die Gasse, der hintere Teil ist Licht erschlossen gegen den Hof, während der Mittelraum ohne Fenster und nur durch die Verbindungstüren zu erreichen ist. Bis 1850 war das Haus zum Tiger mit dem Haus an der Technikumstrasse durch Laubengänge verbunden, seither sind sie aber je ein eigenständiges Haus mit unterschiedlichen Besitzern. Heute gehört das Haus der Genossenschaft Wohnsinn. Diese Gemeinschaft hat zum Ziel günstigen Wohnraum zu erhalten und diesen mit kostendeckenden Mieten zur Verfügung zu stellen. Durch moderaten Ausbau und Unterhalt, der sich an ökologischen Zielen orientiert, wird die bestehende Bausubstanz gepflegt und verbessert. Nebst einem Reiheneckhaus in Hegi und zwei benachbarte Häuser am Brühlberg konnte die Genossenschaft Wohnsinn das Haus zum Tiger 2001 zu günstigen Bedingungen kaufen. Im Sommer 2003 erfolgte eine Renovation der Liegenschaft mit Beteiligung der Denkmalpflege, um den ursprünglichen Zustand der Fassaden wieder herzustellen. Die Wohnräume sind einfach und klein, der Komfort bescheiden geblieben. Für ebenso bescheidenen Mieten um 500 Franken lässt sich, dank dieser eigennützigen Genossenschaft und unter Mitbestimmung der Mieter in mitten der Altstadt sehr gut wohnen.