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Heilendes Strombad

In der Winterthurer Bade- und Waschanstalt an der Badgasse konnte man um 1900 nicht nur plantschen, sondern sich auch unter Strom setzen lassen.


Vierzellenbad in der Winterthurer Bade- und Waschanstalt, um 1910.
Vierzellenbad in der Winterthurer Bade- und Waschanstalt, um 1910.
Foto: winbib (Signatur: 023426)

Die Kombination zwischen Wasser und Elektrizität scheint angesichts der abgebildeten Apparatur nicht gerade behaglich, doch die therapeutische Wirkung von sogenannten hydroelektrischen Bädern ist bis heute anerkannt.

Den Ursprung dieser Bäder verdankt die Medizin dem deutschen Gerbermeister Heinrich Stanger. Dieser wollte nur die Abläufe in seiner Fabrik beschleunigen, indem er die Gerbergruben unter Strom setzte. Unverhofft linderte er damit die Gichtbeschwerden seines Vaters, der seine Arme oft im elektrisierten Wasser hatte. Um seine Beobachtung zu verifizieren, lud Stanger weitere Rheuma- und Gichtkranke ein und liess sie ebenfalls in die Gerbergruben fassen – mit Erfolg. Kurz darauf entwickelte er ein Strombadverfahren, das bis heute Stangerbad genannt wird.

Eine Adaption des Stangerbades, das Vierzellenbad, kam auch in Winterthur zum Einsatz.  Dabei wurden die Extremitäten in separate Wannen getaucht und an den Stromkreis angeschlossen. Je nachdem wie man die Elektronen anstöpselte, wurde eine anregende oder entspannende Wirkung erzielt. Auf diese Weise konnten viele Leiden behandelt werden. Besonders «nervös erschöpften, ängstlichen und hysterischen Frauen» wurde das Verfahren früher ans Herz gelegt, weil beim Vierzellenbad mitunter die Unannehmlichkeit der körperlichen Entblössung wegfiel.



Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
08.07.2024