Politik

Heinrich Ernst

Sekundarlehrer, Politiker, Stadtrat, Regierungsrat, 1847–1934

Heinrich Ernst arbeitete über 24 Jahre als Sekundarlehrer in Winterthur. 1897 wählten ihn die Sozialdemokrat:innen als ersten Vertreter in den Zürcher Regierungsrat. Er blieb bis 1920 im Amt.


Geburtsort
Dättlikon

Geboren
12.08.1847

Gestorben
27.03.1934


Persönlicher Werdegang

Heinrich Ernst wurde am 12. August 1847 als Sohn eines Weinbauers in Dättlikon am Irchel geboren. Die meisten seiner Familienmitglieder arbeiteten in den umliegenden Fabriken oder im kleinbäuerlichen Familienbetrieb. Heinrich Ernst fiel in der Dorfschule aufgrund seiner vielfältigen Begabungen auf. Auf Empfehlung seines Lehrers konnte er die Sekundarschule in Neftenbach besuchen. Danach absolvierte er von 1863 bis 1867 das Lehrerseminar in Küsnacht. Dort knüpfte er eine enge Beziehung zum damaligen Direktor David Fries, der innerhalb des Seminars jedoch umstritten war.

Dank der Unterstützung seiner Eltern konnte Heinrich Ernst auch das Sekundarlehrerstudium in Zürich und Lausanne absolvieren. Während seines Aufenthalts im Welschland setzte er sich intensiv mit der englischen und französischen Sprache auseinander und übersetzte mehrere Dramen sowie die Hauptwerke von Darwin ins Englische. Ein Angebot von David Fries, seine Studien in den Fächern Psychologie, Pädagogik und Philosophie fortzusetzen, um danach am Seminar in Küsnacht zu unterrichten, lehnte Ernst aus finanziellen Gründen ab. Er wollte seinem Elternhaus keine weiteren Schulden aufbürden.

So verzichtete er auf eine akademische Laufbahn und begann zuerst als Primarlehrer in Horgen und später als Sekundarlehrer in Dietikon zu unterrichten. 1871 wurde er an die Knabensekundarschule in Winterthur berufen, wo er für die nächsten 24 Jahre bleiben sollte. Dabei besetzte er verschiedene Ämter im Lehrerkapitel und in der Schulsynode, deren Präsident er zeitweise war. 1874 heiratete er seine frühere Schülerin Marie Luise Bumbacher, mit der er drei Kinder hatte.

Über seine Kontakte in der Lehrerschaft fand Heinrich Ernst bald den Zugang zur Politik und wurde Mitglied im Grütliverein. An der Politik interessierte ihn vor allem das Schicksal der einfachen Fabrikarbeiter und Bauern. Heinrich Ernst wollte ein gutes Vorbild sein und lebte ab den 1870er-Jahren konsequent abstinent, da Alkoholismus zu den grossen gesellschaftlichen Problemen seiner Zeit gehörte.


Über seine Kontakte in der Lehrerschaft fand Heinrich Ernst auch bald den Zugang zur Politik und wurde Mitglied im Grütliverein. An der Politik interessierte ihm vor allem das Schicksal der einfachen Fabrikarbeiter und Bauern. Heinrich Ernst wollte dabei selbst ein gutes Vorbild sein und lebte ab den 1870er-Jahren konsequent abstinent, da Alkoholismus zu den grossen gesellschaftlichen Problemen seiner Zeit gehörte.

Politischer Aufstieg

1891 verstarb die Ehefrau von Heinrich Ernst. Im gleichen Jahr wählten die Mitglieder ihn zum Vizepräsidenten des Zentralkomitees des Schweizerischen Grütlivereins. In dieser Funktion verfasste er einen Leitfaden für die Diskussionsübungen, der ein wichtiges Grundlagendokument für den Verein wurde. 1895 wurde Heinrich Ernst in den Stadtrat und übernahm das Bauamt. Es handelte sich neben dem Stadtpräsidenten um die einzige vollbesoldete Stelle in der Stadtregierung. Damit musste er seine Arbeit als Lehrer definitiv aufgeben. Von bürgerlicher Seite begegnete man dem ehemaligen Pädagogen mit grosser Skepsis. Als Stadtrat arbeitete Heinrich Ernst täglich etwa 16 bis 18 Stunden, um sich in seine Geschäfte einzuarbeiten und das nötige Fachwissen zu erwerben. Damit verdiente er sich auch den Respekt seiner politischen Gegner.

Erster sozialdemokratischer Regierungsrat von Zürich

Seit 1890 sass er zudem im Zürcher Kantonsrat. Als 1897 ein Platz im Regierungsrat frei wurde, erhoben die Grütli- und Arbeitervereine erstmals Anspruch auf eine Regierungsvertretung. Dabei portierten sie einstimmig Heinrich Ernst als Kandidaten. Im zweiten Wahlgang am 28. Februar 1897 schaffte er als erster Sozialdemokrat im Kanton Zürich den Einzug in den Regierungsrat und blieb bis 1920 im Amt. Zuerst übernahm er die Sanitätsdirektion, dann die Erziehungsdirektion und schliesslich von 1911 bis 1920 die Finanzdirektion. Zu seinen wichtigsten politischen Leistungen zählen grosse Um- und Neubauten am Zürcher Kantonsspital sowie der Bau von Neu-Rheinau. Als Erziehungsdirektor legte er Entwürfe für ein neues Hoch- und Fortbildungsschulgesetz vor.

Ebenfalls war er an der politischen Wegebnung für die institutionelle Trennung der Universität und des Polytechnikums beteiligt und begleitete den Bau des neuen Universitätsgebäudes. Für dieses Engagement verlieh man ihm an der Eröffnungsfeier der Universität Zürich im Jahr 1914 die Ehrendoktorwürde. Ausserdem galt er als weitsichtiger Finanzdirektor. In dieser Funktion brachte er ein neues Steuergesetz durch den Kantonsrat. Durch eine geschickte Bodenpolitik gelang es ihm, wichtige Landkäufe zu tätigen, die für den Bau der Universität, der kantonalen Spitäler und der Kantonsschule Rämibühl genutzt wurden.

In seiner Zeit als Regierungsrat löste er sich von der Parteilinie ab und gab alle wichtigen Ämter innerhalb der Partei auf. Zudem distanzierte er sich vom Klassenkampf und dem radikalen Flügel der Sozialdemokraten, die sich zu dieser Zeit stark nach Moskau orientierten. Damit kam es zu einer zunehmenden Entfremdung von der Ratslinken, während er innerhalb des Regierungsrates bestehende Widerstände abbauen konnte – bis 1917 blieb er der einzige Sozialdemokrat im Zürcher Regierungsrat. Dann wurde er von den Sozialdemokrat:innen nicht mehr für die Wiederwahl empfohlen. Heinrich Ernst schaffte es jedoch dennoch, diesmal aber auf der Liste der FDP. Ernst sah sich danach mehreren Angriffen und Sticheleien von Seiten der Ratslinken ausgesetzt, was ihn zunehmend zermürbte.

Rücktritt und Lebensabend

1920 trat der 73-jährige Magistrat altersbedingt nicht mehr zur Wiederwahl an. Nach seinem Ausscheiden aus der Kantonsregierung engagierte er sich wieder vermehrt für den Grütliverein und verfasste verschiedene historische Abhandlungen. Zudem war er Mitglied des Verwaltungsrats der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (N.O.K.), der Burghölzlikommission und wirkte in der Aufsichtskommission der Handelsschule. Allmählich liessen seine Kräfte nach. Am 27. März 1934 starb der ehemalige Regierungsrat in Zürich.


Benutzte und weiterführende Literatur:


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
23.07.2024