Politik

Johann Jakob Scherer

Offizier, Unternehmer, Bundesrat (FDP.), 1825–1878

Johann Jakob Scherer war der dritte Bundesrat aus dem Kanton Zürich und ein Befürworter der direkten Demokratie. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesräten jener Zeit war der Demokrat kein Advokat und besass auch keine höhere Schulbildung. Scherer hatte eine Handelslehre absolviert, führte seit den 1850er-Jahren eine eigene Firma in Winterthur und machte daneben militärisch Karriere. Politisiert wurde er in Winterthur. 1878 starb Scherer im Amt.


Sterbeort
Bern

Geburtsort
Schönenberg

Geboren
10.11.1825

Gestorben
23.12.1878


Im zivilen Leben führte Johann Jakob Scherer ein eigenes Unternehmen in Winterthur. Hier in einem Portrait um 1860
Foto: winbib (Signatur 172342_O)

Persönlicher und beruflicher Werdegang

Johann Jakob Scherer wurde am 10. November 1825 in Schönenberg bei Wädenswil geboren. Sein Vater besass ein grosses Gut und handelte mit Pferden. Nach dem Besuch der Sekundarschule absolvierte er eine Handelslehre in Italien. Aus dem Süden zurückgekehrt, konzentrierte er sich auf seine militärische Laufbahn. Er war als Kavalleriekorporal am Sonderbundskrieg beteiligt, besuchte ab 1848 die Offiziersschule und wurde 1852 zum eidgenössischen Stabshauptmann befördert. 1854 heiratete er gegen den Willen seines Vaters die wohlhabende Winterthurer Bäckerstochter Anna Studer und wuchs damit in die Winterthurer Führungsschicht hinein.1860 wurde er in Winterthur eingebürgert.

Nach dem Tod seines Vaters, mit dem er eine schwierige Beziehung hatte, eröffnete Scherer in Winterthur ein Handelsgeschäft, das auf englische Waren spezialisiert war. Als 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbrach, wurde Scherer von der Redaktion des «Landboten» als möglicher General gehandelt. Gewählt wurde er jedoch nicht. Nach der Demobilisierung der schweizer Truppen übte Scherer scharfe Kritik am Bericht des damaligen Generals Hans Herzog, diese wurde jedoch in der Presse mehrheitlich negativ aufgenommen.

Politische Laufbahn

In Winterthur kam Scherer in Kontakt mit den Demokraten. Schon bald politisierte er auf kommunaler Ebene und schaffte 1854 die Wahl in den Zürcher Grossrat und 1866 in den Regierungsrat. In dieser Zeit beteiligte er sich an der Revision der Kantonsverfassung. 1869 wurde Scherer in den Nationalrat gewählt. In Bern gehörte er zu einer damals zunehmenden Zahl von Offizieren, die in der eidgenössischen Politik im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts viel Einfluss ausübten. Nachdem der Zürcher Bundesrat Jakob Dubs 1872 überraschend seinen Rücktritt bekanntgab, stellte sich Scherer als Kandidat auf. Es folgte eine schwierige Wahl, da der Zürcher Anspruch auf einen Bundesratssitz nicht unwidersprochen blieb und auch unter den Zürchern sowohl die radikalen wie auch demokratischen Kräfte Ansprüche geltend machten.

Gleichzeitig bekam Scherer mit dem Winterthurer Gottlieb Ziegler einen demokratischen Gegenkandidaten. Erst im vierten Wahlgang schaffte der stets gemässigt auftretende Politiker den Sprung als Repräsentant des Kantons Zürichs in den Bundesrat. Scherer selbst tat sich aufgrund seiner militärischen Verpflichtungen schwer mit der Wahl und bat darum, weiterhin das Kommando über die VIII. Division beibehalten zu dürfen, was ihm erlaubt wurde. Er wurde damit zum einzigen amtierenden Bundesrat, der gleichzeitig auch die Übungsleitung über einen Manöververband übernahm.

Johann Jakob Scherer als Bundesrat

Im neuen Gremium stellte Scherer eine grosse Ausnahme dar. Im Gegensatz zu seinen Bundesratskameraden besass er weder über eine höhere Schulbildung, noch war er ein Advokat. Entgegen den Erwartungen übernahm er als erstes nicht das Militär- sondern das Finanz- und Zolldepartement. Als Mitgründer der Bank in Winterthur und Händler verfügte er in diesem Sektor über einige Kenntnisse. Nach nur einem Jahr wechselte er in das damals neugeschaffene Eisenbahn- und Handelsdepartement, wo er an dem Entwurf eines neuen Fabrikgesetzes massgeblich beteiligt war. Gleichzeitig verantwortete er die ab 1872 unter Bundesaufsicht stehenden Eisenbahnen.

1875 wurde Scherer zum Bundespräsidenten gewählt und übernahm das traditionell vorgesehene Politische Departement. Auch diese Wahl war aussergewöhnlich, weil der damalige Vizepräsident Emil Welti die Bundesversammlung explizit darum gebeten hatte, ihn nicht zu wählen, da er die von ihm geprägte Reform der Militärorganisation noch selbst als Vorsteher des Militärdepartements in die Wege leiten wollte. 1876 übernahm Scherer das Militärdepartement von Welti, für welches er aufgrund seiner persönlichen Laufbahn am besten qualifiziert war. Es oblag ihm, die von Welti eingeleitete Reorganisation umzusetzen, was ihm trotz finanziell angespannter Lage mehrheitlich gelang.

In Scherers Amtszeit fiel 1875 unter anderem die Einführung der pädagogischen Rekrutenprüfung. 1877 erfolgte die Neuregelung des Militärunterrichts am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich. Keinen Erfolg hatte Scherer allerdings mit seiner komplizierten Wehrpflichtsersatzvorlage, mit der er zweimal an der Urne scheiterte. Diese politische Niederlage setzte ihm schwer zu und er wollte im Anschluss das Departement wechseln, was aber von seinen Bundersratskollegen abgewiesen wurde.

Trauerfeier in Winterthur und Grabstein im Lindengutpark

Obwohl Scherer schon seit einiger Zeit mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, die zu Unterbrüchen in seiner Regierungstätigkeit führten, wurde er 1878 als Bundesrat mit einem ordentlichen Resultat bestätigt. Kurze Zeit nach seiner Wiederwahl verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand aufgrund einer Unterleibsentzündung rasch. Nach einer fehlgeschlagenen Operation verstarb der 53-Jährige Bundesrat im Amt. Am 27. Dezember 1878 fand eine öffentliche Trauerfeier mit militärischen Ehren in Winterthur statt. Im Lindengutpark an der Römerstrasse 8 befindet sich sein Grabstein. 

Nachlass

Ein Nachlass von Bundesrat Johann Jakob Scherer existiert nicht. Einzelne Dokumente – hauptsächlich über seine Einbürgerung – befinden sich im Winterthurer Stadtarchiv.

Benutzte und Weiterführende Literatur

Wägli, Bruno: Johann Jakob Scherer, in: Das Bundesratslexikon, hg. von Urs Altermatt, Basel 2019, S. 136–141.
Stadler, Peter: Johann Jakob Scherer, in: Die Schweizer Bundesräte. Ein Biographisches Lexikon, hg. von Urs Altermatt, Zürich/München 1991, S. 193–197.
Bucher, Erwin/Rentsch, Hans U. : Bundesräte aus Winterthur, in: Winterthurer Jahrbuch 1984, Winterthur 1984, S. 29–51.

Bibliografie

    Scherer, Johann Jakob, 1825-1878, Regierungsrat und Bundesrat

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Johann Jakob Scherer (1825-1878) . In: Dokumentation Urs Widmer, Personen A-Z 2 S.

      Einträge 1991–2010

      In: Die Schw. Bundesräte, ein biographisches Lexikon. Hrsg. Urs Altermatt. Zürich, 1991, S.193 ff. von Peter Stadler, m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
23.09.2022