Künstlergruppe Winterthur
Als das Kunstmuseum Winterthur 2016 seinen 100. Geburtstag feierte konnte auch die Künstlergruppe Winterthur dasselbe Jubiläum begehen. Damals gründete eine Gruppe Winterthurer Künstler diese Organisation, um sich gegenseitig zu unterstützen und um sich gegen aussen bekannt zu machen. Die heute noch stattfindende Dezember-Ausstellung im Kunstmuseum war die erste Errungenschaft.
1918: Emil Bollmann (1885-1955), Kunstmaler, Zeichenlehrer an der Kantonsschule, von Kyburg (Porträts)
Foto: winbib (Signatur 170218)
2016 feierte das Kunstmuseum Winterthur das Jubiläum „100 Jahre Kunstmuseum“. Aber auch die Künstlergruppe Winterthur konnte diesen stolzen Geburtstag feiern. Es war damals während dem 1. Weltkrieg für viele, aber insbesondere für die Künstler aller Sparten eine schwierige Zeit gewesen. Ein Zusammenspannen um die gemeinsamen Interessen zu vertreten, war die logische Folge. Auch in anderen Schweizer Städten entstanden in jenen Jahren Gruppierungen von Künstlern. Alle hatten zum Ziel, sich in der Öffentlichkeit bemerkbar zu machen. In Winterthur entstand die Künstlergruppe im Zusammenhang mit dem Bau und der Eröffnung des Kunstmuseums. Der Anstoss hatte bereits im Mai 1915 Emil Spühel gegeben. Er rief mit einem Brief die Künstler und Kunstgewerbler der Stadt dazu auf, sich regelmässig zu treffen, um gemeinsame Probleme zu diskutieren. Fast ein Jahr später, am 5. April 1916 trafen sich im Restaurant Steinbock (Marktgasse 27) dreissig Kunstschaffende um die Künstlergruppe Winterthur zu gründen. Gleichzeitig konnte mit dem Kunstverein ausgehandelt werden, eine jährliche Dezember-Ausstellung im Kunstmuseum zu veranstalten. Es sollen dabei nur Werke ihrer Mitglieder ausgestellt werden. Damit wurde das Gastrecht der Winterthurer Künstler im Kunstmuseum festgehalten. Die erste Dezember-Ausstellung der Künstlergruppe im Jahr 1916 zeigte 109 Werke von 24 Künstlergruppe-Mitgliedern.
1922 konnte die Künstlergruppe die Zusammenarbeit vertiefen. Sie erhielt das Recht, ein Mitglied für den Kunstverein-Vorstand zu stellen. In der Künstlergruppe engagierten sich nach der Gründung neben Emil Spühel als erster Präsident auch Jean Affeltranger, Fritz Bernhard, Emil Bollmann, Albert Bosshard, Oscar Ernst, Jakob Herzog, Fritz Hildebrandt, Alfred Kolb, Werner Meyer, Hans Schoellhorn, Gustav Weiss und Rudolf Wening. In der Nachkriegszeit hatten die Künstler hart zu kämpfen. Die Künstlergruppe nahm sich diesen sozialen Problemen seiner Mitglieder an. So fand auf ihre Anregung hin ab 1921 eine zweite jährliche Ausstellung im Museum statt. Ferner konnte der Stadtrat überzeugt werden die Künstler zu unterstützen, indem er ab 1922 regelmässig Werke von Winterthurer Künstlern ankaufte. Weitere Aktionen dienten dem gleichen Zweck. Die Mitgliedschaft bei der Künstlergruppe wirkte gegen aussen als Gütesiegel. Sie half den Künstlern zur Anerkennung. Aber diese Mitgliedschaft musste verdient werden. Der Vorstand besuchte einen Kandidat im Atelier und bei positivem Befund wurde er dreimal an die Dezember-Ausstellung eingeladen. Für die definitive Aufnahme brauchte es anschliessend an einer Generalversammlung eine Zweidrittel-Mehrheit. Um 1933 zählte die Gruppe an die 50 Mitglieder. Die Diskussionen um die neue Kunst im neuen Jahrhundert, die vor allem im Kunstverein abgehandelt wurden, schwappte nicht oder noch nicht in die Künstlergruppe über.
Bis in die 1930er-Jahre war ihr künstlerisches Schaffen geprägt von Stadt- und Landschaftsbildern sowie Stillleben und Figurendarstellungen.1927 wurde mit Anna Gamper die erste Künstlerin in die Künstlergruppe aufgenommen. 1932 folgten Emma Sulzer Forrer und Rosa Studer-Koch zwei Bildhauerinnen. Zwischen der Gründergeneration und den neueren Mitglieder kommt es zu immer häufigeren Diskussionen über die Aufgeschlossenheit zu neueren Kunstformen. Aber erst in den 1960er-Jahren beginnt sich eine Öffnung für Neues abzuzeichnen. Albert Wiener eröffnet in seinem Buchantiquariat im Rathausdurchgang die Kunstgalerie ABC und bot damit eine Plattform an, die allen Kunstrichtungen offen war. Mit der Galerie zum Weissen Haus in der Buchhandlung Vogel und einer Kunstgalerie am Untertor folgten weitere Möglichkeiten, Kunst zu präsentieren. Die Diskussionen über die Werke, wer mit welchen Werken an der Dezember-Ausstellung teilnehmen kann, prägen die Künstlergruppe über Jahre. Die junge Künstlergeneration und die arrivierten Gruppenmitglieder geraten immer wieder in hitzigen Debatten aneinander.
1975 erreichte die Auseinandersetzung einen Höhepunkt. Umstrukturierung und Neuausrichtung riefen die einen, von Spaltung oder gar Auflösung drohten die anderen. Es ging dabei um die unterschiedlichen Kunstauffassungen. Die jüngeren Gruppenmitglieder stellten der herkömmlichen und gegenständlichen Kunst die zeitgenössische entgegen. Experimente sollen akzeptiert und ebenfalls ausgestellt werden. Zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren zeichnete sich eine allgemeine Öffnung ab. Neue Namen, die die Aufnahme schafften, führten die Wende herbei. Mit Manfred Schoch (Eintritt 1970), Ernst Brassel und Ulrich Elsener (1974), Heinz Müller-Tosa (1978) und Rainer Alfred Auer (1986) waren nun die Konkrete Malerei in der Gruppe stark vertreten. 1965 wurde der Bildhauer Werner Ignaz Jans und 1970 der Eisenplastiker Silvio Mattioli in die Gruppe aufgenommen.
Entgegen den Statuten der Künstlergruppe fordern 1979 Theo Spinnler, Werner Hurter, Theo Hurter, Thomas Stamm und Bendicht Fivian eine gemeinsame Aufnahme in die Künstlergruppe. Mit einer Gegenausstellung zur traditionellen Dezember-Ausstellung präsentieren sie ihre Arbeiten in der Galerie ge. Der Gruppierung geht es mit ihren Aktionen unter dem Motto «Was geht hier eigentlich vor» darum, ihren Protest gegen die «zünftische» Organisation der Künstlergruppe zu manifestieren. Die alten Muster sollten aufgebrochen und die in ihren Augen starre Winterthurer Kunstszene aufgemischt werden. Als einen «Akt der Notwehr» wird der spätere Galerist Walter Büchi die Gründung der Galerie beschreiben, als ein Zeichensetzen gegen die Künstlergruppe mit ihrem gesicherten Status.
1982 kommt es als Folge der öffentlichen Kunst-Aktionen zur bisher undenkbaren Gruppenaufnahme in die Künstlergruppe und das übliche Kandidatenverfahren wird zum ersten Mal durchbrochen. Schritt für Schritt werden in dieser Zeit die alten Muster aufgelöst. Die neue Generation drängt nach vorne. Sie mischt das Geschehen auf und drängt sich auch mit vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen mehr und mehr nach Aussen. So findet zum Beispiel 1987 auf Initiative der Künstlergruppe in der Eulachhalle die erste unjurierte Kunstausstellung der Region Winterthur statt, die unterdessen alle drei bis vier Jahre von der Stadt Winterthur veranstaltet wird. Diese Öffnung hat sich nachhaltig bewährt. Neue Tendenzen werden wahr- und ernstgenommen und die konservative Ausrichtung gehört definitiv der Vergangenheit an. Auf die nächsten 100 Jahre!