KMU und Gewerbe

Kunstgiesserei Bründler GmbH

Es gibt Dinge, die man lernen muss, und es gibt Dinge, die einem in die Wiege gelegt werden. Die Gebrüder Andreas jun. und Richard Bründler haben die Passion und das Handwerk der Kunstgiesserei von ihrem Vater mit auf den Weg bekommen. Mit viel Herzblut führen sie die letzte Traditionsgiesserei in Winterthur in zweiter Generation erfolgreich weiter.


Gründungsdatum
1974


Adresse
Kunstgiesserei Bründler GmbH
Püntenstrasse 2
8404 Winterthur

Abgesehen von einer in Bronze gegossenen Sonnenblume im Garten deutet von aussen nichts darauf hin, dass in der unauffälligen kleinen Garage eindrucksvolle Kunstwerke angefertigt werden. Beim Eintritt in die spartanisch eingerichtete Garage hat man eher den Eindruck, dass es sich um einen gewöhnlichen Handwerkerraum im Erdgeschoss eines Einfamilienhauses handelt. Der Arbeitsplatz bei den Gebrüdern Bründler besteht lediglich aus einem Haupt- und einem kleinen Giessraum. Grosse Maschinen sucht man vergebens, denn praktisch alles wird hier noch von Hand gefertigt. Erst bei genauerem Hinsehen fallen einem kleinere und grössere Bronzefiguren auf, die den Raum zieren. Diese stehen denn auch für die Arbeit, die hier täglich mit Leidenschaft ausgeführt wird. Sie sind das Produkt der letzten Traditionsgiesserei in Winterthur, der Kunstgiesserei Bründler GmbH. Geführt wird sie in zweiter Generation von Andreas jun. und Richard Bründler. «Sie stehen hier in der grössten Giesserei Winterthurs», sagt Richard mit einem Lächeln. Winterthur war einst bekannt für seine Grossgiessereien, doch die Öfen von Sulzer und Rieter sind seit einigen Jahren kaltgestellt. Andreas Bründler sen. hatte den kleinen Betrieb in den 1970er Jahren aufgebaut. Das Giessen von bronzenen Kunstwerken war anfangs nur ein Hobby, denn hauptberuflich war er in der Präzisionsgiesserei von Sulzer tätig. In seiner Freizeit hatte er für den bekannten Schweizer Künstler Hans Jakob Meyer gegossen, konnte jedoch aus zeitlichen Gründen keine Aufträge von anderen Interessenten annehmen. Als jedoch seine Abteilung geschlossen wurde, wollte Bründler sen. nicht in die Grossgiesserei wechseln und erhielt von Sulzer 1982 ein Jahr unbezahlten Urlaub. In dieser Zeit wollte er herauskriegen, ob er von der Kunstgiesserei leben konnte. Trotz anfänglichen Bedenken hat dies geklappt. Bründler sen. konnte sich mit seinen Kunstgüssen in der Branche schnell einen Namen machen. Die Aufträge reichten bald aus, um seine Familie zu ernähren.

Bereits als Kinder mussten die Brüder Andreas jun. und Richard ihrem Vater beim Einformen, Retouchieren und Giessen helfen. «Früher war es wirklich ein Müssen. Als Kinder und Jugendliche wollten wir in unserer Freizeit natürlich lieber andere Sachen machen», erzählt der Jüngere, Richard. Die Faszination für das Kunstgiessen kam bei ihm erst viel später. Zuerst absolvierte er eine landwirtschaftliche Lehre und arbeitete in unterschiedlichen Berufen. «Heute ist es mein absoluter Traumberuf», sagt er. «Ich könnte mir nichts anderes mehr vorstellen.» Sein Bruder Andreas hingegen hat das Giesserhandwerk von Grund auf erlernt und liess sich zum Meister weiterbilden. Noch heute gibt er als Prüfungsexperte beim Giessereiverband seine Erfahrungen weiter. Mit dem Erfolg kam für den Vater schliesslich auch der Punkt, wo er Hilfe brauchte. So stieg Richard 1996 in den Betrieb ein, sein älterer Bruder folgte ihm fünf Jahre später als Andreas sen. sich mit der Pensionierung auseinandersetzte. 2002 wurde schliesslich die Kunstgiesserei Bründler GmbH gegründet, und das Unternehmen ging offiziell an die zweite Generation Bründler über. Richard ist sich sicher: «Für unseren Vater war es nicht schwierig, loszulassen und den Betrieb uns beiden zu übergeben. Im Gegenteil. Er war stolz darauf, dass der Familienbetrieb weiterbesteht und wir sein Werk fortführen.»

Der Vater hat sich nach der Übergabe nie eingemischt, blieb dem Unternehmen jedoch trotzdem erhalten. «Anfangs hat er noch viele Kundenbesuche gemacht und uns, wo immer nötig, tatkräftig unterstützt. Wir nannten ihn deshalb liebevoll », sagt Andreas jun. lachend. Und auch heute noch ist Bründler sen., wenn Hilfe gebraucht wird, trotz seinen gut 80 Jahren mit Leidenschaft mit Rat und Tat zur Stelle.

Obwohl das Unternehmen eine Giesserei ist, wird bei den Gebrüdern Bründler tatsächlich nur alle fünf Wochen gegossen, denn das Giessen ist nur ein kleiner Teil der Arbeit. Obwohl es, vereinfacht gesagt, nur darum geht ein Modell, das der Künstler anliefert, in Bronze zu giessen, geht dem Endprodukt ein langer Prozess voraus, der unter dem Begriff Wachsausschmelzverfahren bekannt ist. Die Gebrüder Bründler beherrschen diese Technik bis hin zur Perfektion. «Das ist eines unserer Erfolgsgeheimnisse», ist Andreas jun. überzeugt. Und auf die Frage, ob Künstler ihre Bronzefiguren im Ausland nicht billiger herstellen lassen könnten, meint er: «Das ist schon möglich. Aber es ist wie bei .vielen anderen Schweizer Produkten auch: Qualität hat Preis. Wenn jemand die gleiche Qualität mit diesem Verfahren will, dann kostet dies im Ausland gleich viel.» Beim Wachsausschmelzverfahren wird vom Modell des Künstlers ein Silikonabdruck hergestellt. Dieses Silikonnegativ wird mit flüssigem Wachs ausgepinselt und ausgegossen, bis eine Wanddicke von rund fünf Millimetern entsteht. Die dünne Wachsfigur, das Positiv des Modells, wird mit Schamotte ummantelt, im Ofen getrocknet und gebrannt. Das Wachs schmilzt schliesslich durch die grosse Hitze heraus. So entsteht das Negativ des Modells, das als Gussform dient. Der grosse Vorteil dieses Vorgehens ist, dass die Figur durch den Hohlguss nicht nur leichter, sondern ihre Oberflächenstruktur auch um einiges schöner ist.

Wegen des enormen Drucks wird die Gussform in eine Giessgrube mit Sand eingegraben, und anschliessend wird die Bronze — eine Legierung aus Kupfer und Zinn — in einem Graphittiegel auf 1100 bis 1'200 Grad Celsius erhitzt und in die Form gegossen. Sobald die Figur abgekühlt ist, wird die Form um den Rohling abgeschlagen. Nach der Säuberung kann das Kunstwerk erstmals betrachtet werden. Nun wird die Oberfläche auf verschiedenste Arten bearbeitet. Durch das Patinieren wird der Figur nicht nur die Farbe, sondern auch ihre Eigenheit zurückgegeben. Bei diesem letzten Schliff lässt sich Richard jedoch nicht über die Schultern schauen, denn dahinter stecken viele Geheimnisse, welche die Qualität ihrer Arbeit ausmachen. Richard erklärt: «In der Kunstgiesserei ist jede Figur anders, was Mal für Mal eine neue Herausforderung darstellt. Das ist für mich der grosse Reiz an der Arbeit.» Das Schöne an ihrer Arbeit sei auch, dass es ihnen nicht nur ums Geld gehe. Natürlich sei dies auch hilfreich für langfristige Projekte, aber die Bründlers arbeiten mit viel Herzblut, das spürt und sieht man in ihren vielseitigen Produkten. »Wenn man etwas mit Liebe macht, dann gelingt das Endprodukt auch viel besser. Das spüren viele unserer Kunden», ist Richard überzeugt. «Für uns ist es auch klar, dass wir keine eigenen Werke modellieren. Das können die Künstler besser. Wir sehen uns eher als Handwerker oder gute Kopierer und nicht als Künstler.»

Rückblickend hatten die Brüder schon Bedenken, über die Runden zu kommen, denn bei Sulzer hatte Andreas jun. mehr verdient: «Die Arbeit ist hier aber viel mehr wert, denn ich kann so wunderschöne Projekte mit Bildhauern und Künstlern umsetzen. Diese Erfahrungen sind unbezahlbar. Die leuchtenden Augen der Künstler sind unser Lohn, das macht es lebenswert.» Deshalb ist es auch wenig erstaunlich, dass die beiden nie mehr als drei Wochen Ferien im Jahr machen. «Die Arbeit gibt uns so viel Befriedigung, da brauchen wir nicht mehr», sagt Richard mit Überzeugung. Es vergeht kaum eine Woche ohne einen Besuch von Vater Bründler. «Meine Frau sagt immer, ich würde auch mit 65 Jahren nicht mit dem Giessen aufhören. Solange ich gesund bleibe und giessen , geniesse ich es», meint Richard. Zusammen haben die Brüder sieben Kinder. Natürlich fänden sie es schön, wenn sie die letzte verbleibende Kunstgiesserei Winterthurs in Zukunft einmal der dritten Generation weitergeben könnten. Aber forcieren wollen sie gar nichts, denn auch sie wurden schliesslich nicht dazu gezwungen. Die Brüder sind sich einig: «Schön wäre es aber schon, wenn es in unserem Sinne weitergeht und die dritte Generation ebenfalls die Liebe zu diesem Handwerk entdeckt.»

Der Text ist dem Zürcher Wirtschaftsmagazin 3/2015 der Zürcher Kantonalbank entnommen. Winterthur-glossar.ch dankt für das Abdruckrecht. Text: Mario Schuler

Bibliografie

    Kunstgiesserei Bründler, Püntenstrasse 2

    • Einträge ab 2011

      Speiser, Regina: Die Letzten ihres Fachs. In: Winterthurer Jahrbuch 2015. S. 78-83. m. Abb.

      Einträge 1991–2010

      Die letzten Giesser Winterthurs: Tages-Anzeiger 2004/27 von Liliane Minor, m.Abb.
      Andelfinger Zeitung 2005/10 1Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
21.02.2022