Natur und Pärke

Leisental

Zwischen dem Eschenberg und dem Rossberg und der Kyburg liegt ein besonders liebliches Stück der Töss. Es nennt sich Leisental (auch Linsental) und wird von der Stadt Winterthur als Naturlandschaft gepflegt. Der Fluss kann dort mäandrieren und es gibt kleine Inselchen. Auch stösst man immer wieder auf Picknickplätze mit Feuerstellen.


1754: Kyburg, von Nordosten, vorne Leisental Foto: winbib (Signatur 120367)

Linsental» oder «Leisental»: Woher stammt der Name des beliebten Naherholungsgebiets am südlichen Rand des Eschenbergs? Beide Namen deuten auf eine ehemalige Besiedlung in dem Gebiet hin, das heute ganz anders aussieht als noch vor 150 Jahren. Die Namen könnten mit dem Anbau von Linsen zusammenhängen, der früher grosse Bedeutung für die Landwirtschaft hatte. Er wird aber auch mit dem Familienname Linsi in Verbindung gebracht, der 1361 in Winterthur nachgewiesen ist. Fest steht: Das Tal war früher besiedelt und wurde landwirtschaftlich genutzt. Ein Grossteil der heutigen Waldfläche diente damals als Acker- und Weideland. Auf den rund 42 Hektaren Felder und Weiden wurde verschiedenstes Getreide und auch Weinreben angebaut und Vieh gehalten.

Zentrum des Lebens im Tal war der von Eichen umrahmte Linsentalerhof, der in der Nähe der Kyburgbrücke stand. Dort lebten von 1500 bis 1849 insgesamt acht verschiedene Familien. Heute ist davon nichts mehr zu sehen; an seiner Stelle ladet eine Sitzbank zum Verweilen ein. Immer noch sprudelt aber gelegentlich jene Quelle, die bereits vor 500 Jahren die Hofbesitzer mit Wasser versorgte. Grösste Widersacherin der bäuerischen Idylle war die damals noch wilde Töss. Regelmässig trat sie über die Ufer, verwüstete die Felder oder riss fruchtbaren Boden mit sich. 1849 entschied der Winterthurer Stadtrat, der Linsentalerhof sei nicht mehr rentabel, worauf mit der Aufforstung der Landwirtschaftsflächen begonnen wurde. (Lb 20.3.2009)

Die Töss hat sich im Leisental ein etwa 100 Meter tiefes, weit mäandriertes Tal zwischen dem Eschenberg und der Hochebene um die Kyburg gegraben. Zu beobachten sind graue Fischreiher und im Wasser vergnügen sich zahlreiche Stockenten. Für Naturliebhaber ein wahrer Genuss und eine der schönsten Flusswanderungen vor den Toren einer Schweizer Stadt. Am Ufer des Flusses gibt es immer wieder Picknickplätzchen mit Bänken, Tischen und Feuerstellen. Die Töss fliesst in diesem Abschnitt mit den Flurbezeichnungen Leisental, Ober Au, Mittler Au und Unter Au in einem vor rund hundert Jahren begradigten und verbauten Flussbett. Der Talboden ist flach und durchschnittlich etwa 200 m breit.

Direkt anschliessend steigen steile Flanken auf das umgebende, rund 90 m höher liegende Umland auf. Sowohl der Talboden als auch die erosionsgefährdeten Flanken sind dicht mit Laub– und Nadelgehölzen bewachsen und werden forstwirtschaftlich genutzt. Der Talboden ist ein Grundwasserentnahmegebiet der Wasserversorgung Winterthur. Das Gebiet wird als Naherholungsgebiet für die Bevölkerung des Grossraumes Winterthur genutzt, ansonsten bestehen ausser der forstwirtschaftlichen keine weiteren nennenswerten Nutzungen. Das Teilstück der Töss im Leisental von Sennhof bis Töss ist sechs Kilometer lang und bildet die südliche Abgrenzung des Eschenbergwaldes und ist ökologisch besonders wertvoll. An den Steilhängen auf der Nordseite, auf der Höhe des Gamsers, befindet sich ein seltener Orchideenföhrenwald. In diesem Abschnitt der Töss wurde das Bett des im 19. Jahrhundert gebändigten Flusses zudem vor einigen Jahren ausgeweitet und in der Mitte eine Insel angelegt. Die Töss kann jetzt auf der zweieinhalbfachen Breite frei fliessen, Kies abtragen und wieder ablagern. Das freut nicht nur Naturliebhaber und Spaziergänger, sondern auch Tiere und Pflanzen. Man hofft, durch die Massnahmen wieder Lebensräume etwa für den Eisvogel und die Geburtshelferkröte zu schaffen. Der Verband Schweizer Wanderwege verlieh im Mai 2018 zum sechsten Mal in Folge den Prix Rando, dieses Mal dem Töss-Wanderweg. Dabei werden qualitativ herausragende Wanderwege, deren bauliche Ausführungen oder Planungen ausgezeichnet.

Die Töss ist auf dem bewaldeten Abschnitt zwischen Kyburg- und Brunibrücke breiter und gemächlicher geworden. Die unterspülten Schwellen wurden entfernt, und der Fluss erhielt ein grosszügigeres Bett mit Kiesbänken als Inseln. Nicht überall fahren die Bagger zum Entzücken der Naturschützer auf. Doch im Leisental zwischen Kyburg und Winterthur haben sie der Töss zu einem freieren Bett verholfen. Die Flusslandschaft ist abwechslungsreicher geworden und damit auch einladender für eine Vielzahl von ursprünglich heimischen Pflanzen und Tieren. Im Wesentlichen sollen über das Pilotprojekt des Kantons wieder die Verhältnisse aus der Zeit vor Begradigung und Schwellen-Einbau im 19. Jahrhundert hergestellt werden. Die künstlichen Schwellen wurden im kanalisierten Fluss regelmässig unterspült und mussten jeweils mit grossem Aufwand saniert werden. NZZ F.Sorg 2010

Erste Versuche hatten gezeigt, dass der gebändigten Töss die Kraft fehlte, sich ohne die alten Verbauungen wieder selbst ein natürlicheres Bett in die Landschaft zu graben. Nach Holzfällerarbeiten im August 2010 wurde mit schwerem Gerät die durch Wurzeln stabilisierte Böschung eingerissen, das Flussbett ausgeweitet und wurden verschiedentlich inselartige Kiesbänke platziert. Auf Dauer soll das neue Flussbett nicht nur durch menschliche Eingriffe verändert werden, längerfristig rechnen die Verantwortlichen des Kantons auch mit prägenden Einflüssen durch die Töss selbst. Diese Entwicklung hat überraschend schnell bereits eingesetzt. Ein kleineres Hochwasser am 25. September 2010 verfrachtete einen provisorischen Damm, der das Wasser an einer trockenen Baustelle im Flussbett seitlich vorbeiführen sollte, flussabwärts. Klugerweise war der Damm mit Material aufgeschüttet worden, das später im Flussbett zu liegen kommt. So hat sich die Mitwirkung des jüngsten September-Hochwassers als durchaus konstruktiv herausgestellt.

In ihrer neuen Gestalt soll die Töss wieder Lebensraum bieten für früher ansässige Tiere und Pflanzen. Erhofft wird die Rückkehr von seltenen Arten wie beispielsweise der Groppe, der Schmerle, der Geburtshelferkröte, der Zauneidechse, des Schillerfalters und des Grauspechts. Erleichtert wird das Leben der Fische. Mit den Schwellen entfallen für die Fische störende Barrieren, sie sollen wieder, ihrem Instinkt folgend, im Gewässer aufsteigen und ihren Laich ablegen können. Von der wiederkehrenden Unschuld des Flusses werden auch die Winterthurer profitieren, die sich nie zu Waldspaziergängen hinreissen lassen. In wild verspielten Fliessgewässern verbessert sich die Selbstreinigungskraft des Wassers; der Grundwasserstrom der Töss gehört zu den wichtigsten Ressourcen der städtischen Wasserversorgung.

2010: Leisental, Renaturierung der Töss
Foto: winbib, Heinz Diener (Signatur FotDig_Lb_004-406)

Durch das Leisental von Sennhof bis nach Winterthur-Töss führt ein viel begangener Wanderweg, der auch eine Teilstrecke des Rundweges (auf der Stadtgrenze rund um Winterthur) ist. Von Sennhof erreicht man den Schutzdamm der Töss mit seinem bequemen Weg entlang der modernen Überbauungen von Sennhof. Schon bald erreichen wir den Wald. Bei der Holzbrücke, Verbindung zwischen der von Sennhof herkommenden Linsentalstrasse und dem Reitweg – eigentlich eine Strasse – der nach Kyburg führt, geht es links derTöss entlang. Über weite Strecken begleitet den Wanderer im Frühjahr der intensive Duft des jungen Bärlauchs, der emsig gesammelt wird. Der Weg führt uns durch das Wasserschutzgebiet Winterthurs: 97 Prozent des Trinkwassers stammen aus dem Tösstal-Grundwasserstrom, 75 Prozent davon aus dem Gebiet von Zell und 22 Prozent aus dem Leisental. Zwar bekommt man auf der Wanderung den an der Töss heimischen Eisvogel nicht oft zu Gesicht. Aber Wasservögel gibt es immer zu beobachten. In der Mittlere Au, wo die Revitalisierungsarbeiten 2010 abgeschlossen wurden, entdecke man eine Insel aus Steinen die den Flusslauf verbreitert, und es entstanden neue erdige und lehmige Steilufer, an denen der Eisvogel seine Bruthöhle graben kann. Bevor es dann wieder städtisch wird, kommt man zur Freizeit-Insel Reitplatz. Das grosse Areal von der Töss und dem Eschenbergwald umschlossen, war einst der Übungsplatz des Militärs, als Winterthur noch Rekrutenschulen beherbergte. Nun zeigt sie sich als Freizeit-Oase mit Sportplätzen (der FC Töss ist hier zu Hause) aller Art. Es fehlt auch eine Pumptrack-Bahn und das Restaurant «Zum Reitplatz» nicht.

Bibliografie


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
03.03.2022