Hotels und Gastronomie

Restaurant und Metzgerei Ochsen

Wasserfurristrasse 31

115 Jahre bestand an der Wasserfurristrasse im Tössfeld eine Metzgerei mit Wirtschaft. 91 Jahre davon waren drei Generationen der Familie Schweizer für den Betrieb verantwortlich. Seit dem Jahre 2002 gibt es den Ochsen nicht mehr. Einmal mehr ist ein traditionelles Unternehmen mit der Metzgerei und der angeschlossenen Wirtschaft eingegangen.


Gründungsdatum
1887


Adresse
Restaurant und Metzgerei Ochsen
Wasserfurristrasse 31
8406 Winterthur
1915: Wasserfurristrasse 31, Restaurant und Metzgerei Ochsen Foto: winbib (Signatur Wasserfurristrasse 5_02)

Die erste Generation

Zwischen dem alten Rebbauerndorf Töss und den Fabriken am südlichen Stadtrand von Winterthur breitete sich ein grosses Feld aus, das Tössfeld. In diesem Raume entwickelte sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts ein ganz neues Quartier mit Wohnungen für die Arbeiter der nahen Industrie. Doch der Weg für den Einkauf in die Stadt war relativ weit und so siedelten sich nach und nach Bäcker, Metzger, Wirtsleute und andere Kleingewerbler in diesem wachsenden Quartier an. Man schrieb das Jahr 1887, als an der Wasserfurristrasse 31, Metzgermeister Jakob Kurz eine Metzgerei mit kleiner Gastwirtschaft erbauen liess. Nach 10 Jahren ging die Liegenschaft in die Hände von Jakob Gerber über, der den Doppelbetrieb bis 1911 weiterführte.

Am Bundesfeiertag, im Jahre 1911, unterzeichnete der damals 35-jährige Eugen Schweizer (1876-1951) den Kaufvertrag zum Erwerb der Liegenschaft zum Ochsen. Der ursprüngliche Thurgauer kam mit seiner Gattin Bertha Lutz (1881-1954) und den beiden Kindern Bertha (1905-1995) und Eugen (1907-1961) von Schaffhausen her, wo er einen kleineren Betrieb gepachtet hatte. „Eugen der Erste" erhielt seine Ausbildung im Schloss Steckborn (Metzgerei und Wirtschaft). Bald stellte sich heraus, dass die Anforderungen zum Führen des Doppelbetriebs Ochsen sehr gross waren. So wurde zum Beispiel erst mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges (1914), im Gastgewerbe die Polizeistunde eingeführt.

Ohne diese Massnahme hätten die Betriebsinhaber den Betrieb wahrscheinlich wieder aufgeben müssen. Nach Überwindung der grossen Schwierigkeiten, die der 1. Weltkrieg und die nachfolgende Nachkriegszeit mit sich brachten, begann eine Epoche der Konsolidierung. Das Geschäft entwickelte sich mehr und mehr und schon bald machte sich eine Raumnot bemerkbar. Im Jahre 1932 wurde mit einem grossen Umbauprojekt die Liegenschaft vergrössert und modernisiert. Die damals freistehende Wursterei und die Waschküche wurden abgebrochen. Die Metzgerei wurde erweitert, Kühlräume und eine grosszügig konzipierte Wursterei angebaut. Im damaligen Werkvertrag für den Umbau wurde festgehalten, dass die Arbeiterzahl während des gesamten Rohbaus mindestens 20 Mann betragen müsse.

Die in den Umbau gesetzten Hoffnungen erfüllten sich in jeder Hinsicht. Eugen Schweizer, der „Gründer der Dynastie" hatte im Alter von 63 Jahren, nach harter Arbeit, Anspruch auf einen ruhigeren Lebensabend. Im Jahre 1951 wurde der Firmengründer Eugen Schweizer-Lutz im Alter von 75 Jahren zu Grabe getragen. Bereits drei Jahre später folgte ihm auch seine Gattin Bertha im Tode nach. Die zweite Generation „Eugen der Zweite" (1907—1961) absolvierte seine Lehrzeit als Metzger in Frauenfeld und arbeitete anschliessend in Vaters Metzgerei.

Er betrat deshalb kein Neuland, als er 1939 das Zepter von seinem Vater übernahm und den Betrieb auf eigene Rechnung führte. Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges, im Wonnemonat Mai, holte sich Eugen in Elsa Frehner auch eine liebenswürdige Gattin, und wie es sich zeigen sollte, eine umsichtige Meisterin, in den Ochsen. Auch der zweiten Generation Schweizer blieben die harten Jahre eines Krieges nicht erspart. Wie schon während des 1. Weltkrieges stellte sich auch bald nach Beginn des 2. Weltkrieges wieder grosser Fleischmangel ein. Bis die damalige Rationierung eingespielt war, musste die Metzgerei zum Ochsen (wie andere Metzgereien auch) während 7 —14 Tagen geschlossen werden. Als die Zuteilung auf den Rationierungskarten einigermassen dem Angebot von Schlachtvieh angepasst war, ging es wieder schlecht und recht weiter. Während dieser Zeit war es für den Einkauf wichtig, nebst dem Portemonnaie auch die Zuteilungskarte mit den Fleischpunkten mitzunehmen. Blutwürste waren von der Rationierung ausgeschlossen. So war es kaum verwunderlich, dass die Metzgereien im Hochsommer wie auch im Winter Blutwürste verkauften und diese auch reissenden Absatz fanden.

Trotz dieser schwierigen Zeiten gab es bei Schweizers regelmässig Nachwuchs. Elsi, Eugen, Vreni und Fredy wurden die Kinder getauft. Dass der Ochsen in andere Hände geraten würde, war somit ziemlich unwahrscheinlich. Es versteht sich von selbst, dass der Doppelbetrieb zusammen mit der jungen Familie, ein reich gesegnetes Mass an Arbeit ergab. Gut, dass Grossmutter und Grossvater noch im Hause waren. Mit viel Liebe kümmerte sich die Grossmutter um die Kleinsten und Grossvater stand, wenn nötig, noch am Haustock. So konnte sich das junge Meisterpaar voll dem Geschäft widmen. In dieser Zeit bestand „Eugen der Zweite" die Wirteprüfung, damit er als Gastwirt amten durfte. Während des Umbaus von Restaurant und Küche, im Jahre 1955, wurde der Wirtschaftsbetrieb in einer Baracke in der Gartenwirtschaft weitergeführt. Auch die Metzgerei wurde mit einem neuen, gekühlten Ladentisch modernisiert. Doch die grossen Anforderungen des Doppelbetriebes, mit der 7-Tage-Woche für die Meistersleute, nagten heimlich an der Gesundheit des stets so robust aussehenden Eugen Schweizer und machten nach einem Herzinfarkt einen längeren Spitalaufenthalt nötig. Die Kraft, die er für seine Familie und das nun gutgehende Geschäft einsetzte, war aufgebraucht. Während des Erholungsaufenthaltes am Untersee, starb er am 25. Juli 1961 im Alter von erst 54 Jahren.

Ein ganzes Quartier und unzählige tiefbetroffene Freunde trauerten um den stets so liebenswürdigen Menschen. Die Familie und die Angestellten waren tief schockiert. Auf allen lastete die bange Frage, wie wird es weitergehen? Eine Vorentscheidung darüber, wer einst die Metzgerei im Ochsen übernehmen werde, wurde bereits im Jahre 1958 getroffen. Eugen trat bei Metzgermeister Ott in Turbenthal in die Lehre ein. In der Zwischenzeit ergriff die Witwe Elsa Schweizer das Ruder und die heranwachsenden Töchter und Söhne halfen tatkräftig mit. Dass vereinte Kräfte stark machen, hat sich in diesem Familienbetrieb immer bestätigt.

3. Generation

Seit dem frühen Tode ihres Mannes führte seine Witwe Elsa zusammen mit Sohn Eugen, der in der Zwischenzeit auch die Metzger-Meisterprüfung abgelegt hatte den „Ochsen“. 1972 kommt Fredy Schweizer ebenfalls ins Geschäft. Er war zuvor vier Jahre zu Sprachaufenthalten in Genf und im Ausland gewesen Er hatte auch eine kaufmännische Ausbildung und die Wirtefachschule absolviert. Ab 1. August 1977 waren Eugen und Fredy Schweizer gemeinsam für den Betrieb verantwortlich. Eugen, der Metzgermeister, für die Metzgerei und Fredy für das Restaurant und das Büro. So hat jeder seinen Kompetenzbereich und kann sich auf seine Aufgaben konzentrieren. Doch schneller als gedacht stellte sich die Frage: Quo Vadis Ochsen? Die Nachkommen hatten kein Interesse einen Doppelbetrieb weiterzuführen. So mussten Weichen gestellt werden. Es wurden keine wertvermehrenden Investitionen mehr getätigt und da das Gebäude über 100 Jahre alt war, kam ein Umbau nicht in Frage. Das Haus wurde als Geschäftsgebäude erbaut, das Treppenhaus erschloss die oberen Etagen inmitten der Liegenschaft. Ein Umbau wäre ein Flickwerk geworden. So kamen die Schweizers zum Entschluss, den Ochsen per 31. Dezember 2002 zu schliessen und auf dem Areal ein Mehrfamilienhaus zu erstellen. Der legendäre Ochsen war Geschichte.

Die Texte dieses Artikels folgen im Wesentlichen der Jubiläums-Broschüre „75 Jahre Schweizer zum Ochsen“.

Bibliografie


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
24.02.2022