Grosskonzerne
Osram AG
In der Au 6
Winterthur war die Stadt der Glühlampen. Von der Fabrik an der Bürglistrasse aus wollte die Firma Osram den Schweizer Markt verteidigen. Heute betreibt das Unternehmen in Töss nur noch ein Auslieferung- und Servicelager.
Adresse
Lichtquellen
In der Au 6
8406 Winterthur
um 1956: Osram, Garage und Lampenlager
Foto: winbib, Felix Kellermüller (Signatur FotKellm_013-007c)
Es war mitten im Krieg, als die Schweizerische Auergesellschaft 1915 in Veltheim das Gebäude einer stillgelegten Stickerei übernahm. Diese war zuletzt noch von der Stickmaschinenproduzentin Adolph Saurer in Arbon betrieben worden. Sogleich gelangte die Firma an den Gemeinderat Veltheim mit der Forderung, er solle auf die geplante Verlängerung der Florastrasse verzichten, weil man die an der Bürglistrasse gelegene Fabrik vergrössern wolle. Der Gemeinderat entsprach dem Begehren, die neu angesiedelte Firma brauchte tatsächlich mehr Platz. Die Glühlampenherstellung gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zu den am schnellsten wachsenden Bereichen der Elektroindustrie. 1916/17 begann man in Veltheim mit der Produktion von Glühlampen.
Die Schweizerische Auergesellschaft war eine Tochter der deutschen Auergesellschaft, die ihre Lampenproduktion 1919 mit den anderen grossen deutschen Produzenten, Siemens und AEG, in die gemeinsame Tochter Osram auslagerte. Der vom österreichischen Chemiker Carl Auer von Welsbach (1858–1929) kreierte Markenname Osram wurde nun auch Firmenname. Er nahm auf die beiden Metalle Osmium (OS) und Wolfram (RAM) Bezug, die wegen ihres hohen Schmelzpunkts für die Glühfäden verwendet wurden. Mit der Filiale in Winterthur wollte Auer seinen Glühlampen-Marktanteil in der Schweiz verteidigen, befürchtete er doch, diesen ohne eigene Produktion vor Ort mit der Zeit zu verlieren.
Im September 1939 wurde die Winterthurer Fabrik – Deutschland hatte soeben den Zweiten Weltkrieg begonnen – formell verselbstständigt und der Namen in Glühlampenfabrik Winterthur AG geändert, also eingeschweizert. In den 1940er-Jahren nahm man die Herstellung von Fluoreszenzlampen auf. Im Jahr 1977 war mit der Produktion Schluss, obwohl erst gerade eine moderne Fabrikationshalle und ein neuer Verwaltungsbau bezogen worden waren. Nachdem man den Personalbestand bereits reduziert hatte, waren von der Schliessung noch 35 zum Teil langjährige Beschäftigte betroffen. 1985 stand der Kauf des gut 9200 Quadratmeter grossen Osram-Areals durch die Stadt zur Debatte, aber das Volk sagte Nein.
Schweizerische Bundesarchiv (BAR): J2.143#1996/386#131-1#1*, 0131-1, Schweizer Filmwochenschau (SFW): Winterthur: Glühlampenfabrik, 19.02.1943. (Osram? Wissen Sie mehr? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf.)
15.5 Mio. Franken hätte es gekostet. Als mögliche Nutzer der Liegenschaften hatte der Stadtrat die Metallarbeiterschule und die Gewerbliche Berufsschule erwähnt. Gemäss einer Festschrift von 1970 wurde die Fabrik in Veltheim, «gestützt auf amerikanische Erfahrungen», als flexibler Kleinbetrieb eingerichtet, der ebenso wirtschaftlich wie die «unbeweglicheren Grossfabriken» arbeiten sollte. «Dieses Vorhaben», so die Festschrift, «wurde erreicht, weil sich diese Fabrikationsstätte in einer kleineren Stadt befand, mit geringeren Kosten für den Lebensunterhalt und demnach niedrigeren Löhnen, mit leichterer Beschaffung geeigneten Personals und mit viel geringeren Fluktuationen der Mitarbeiterschaft als in grossen Industrieorten.»
1921 zählte der Betrieb 150 Beschäftigte, die pro Jahr 3,5 Millionen Lampen herstellten. Wenig später beschäftigte Osram bereits 300 Personen. Zu den Gegnern des Kaufs gehörten vor allem Industrie und Gewerbe. Ein Jahr später kaufte Robert Heubergers Immobilienfirma Siska das Areal und richtete ein Büro- und Gewerbezentrum ein. Das Lager- und Fabrikationsgebäude an der Salstrasse war noch bis zum 1. August 1988 von der Firma Osram belegt. In dieses sind inzwischen auch Radio und Tele Top eingezogen, die sich in Heubergers Familienbesitz befinden. Seit kurzem hat die Siska direkt angrenzend an die ehemaligen Osram-Gebäulichkeiten auch eine Studentenunterkunft errichtet. Die Osram baute ein neues Verteilzentrum beim Autobahnanschluss Töss.
Hinter der Preisreduktion für die Siska auf 12,5 Millionen gegenüber 15,5 Millionen, welche die Stadt ausgehandelt hatte, vermutete die «Neue Zürcher Zeitung» den «Bedarf der Osram nach Mitteln für den Neubau». Beratung, Vertrieb und Service von Osram Schweiz sind nach wie vor in Winterthur angesiedelt. Im Gewerbeareal Auwiesen in Töss wird ein Lager- und Vertriebshaus geführt. Die Muttergesellschaft Osram, 2013 aus dem Siemens-Konzern herausgelöst und an die Börse gebracht, gehört mit Philips zu den beiden weltweit führenden Lichtherstellern. Der Konzern beschäftigt 39 000 Personen, die 2012 einen Umsatz von 5,4 Milliarden Euro erarbeiteten.
Die Grundagen zu diesem Gossar-Artikel sind einem Aufsatz von Adrian Knöpfli entnommen (Lb 07.01.2014).