Die erste Nennung des Winterthurer Rathauses geht auf das Jahr 1423. Der alte Bau dürfte im 13. oder frühen 14. Jhdt. entstanden sein. Ab 1435 plante man einen Neubau, der dann 1437 fertig war. Es stand bereits am heutigen Platz und bestand aus einem Vorder- und einem Hinterhaus, getrennt durch einen geräumigen Hof. Das Vorderhaus an der Marktgasse erhob sich über dem Kauf- oder Kornhaus, einer offenen Halle, in welcher jeweils der Kornmarkt stattfand. Im ersten Obergeschoss befand sich die grosse Ratsstube, einen Stock höher die kleine Ratsstube und die Richterstube. 1624 wurde die kleine, 1628 die grosse Ratsstube erneuert. Im Hinterhaus, an die Stadtmauer angebaut befanden sich mehrere verschiede Räume wie z.B. Wohnung des Ratshausmeisters, die Stube des kleinen Rates und des Stadtgerichtes sowie seit 1662 die Stadtbibliothek. 1704 wird das Gebäude durch den Ankauf des Hinterhauses "Zur Geduld" vergrössert. Die neuen Räume wurden vor allem für kulturelle Zwecke geschaffen. Die Stadtbibliothek erhielt im zweiten Obergeschoss neue Sammlungsräume und im ersten Stock wurde ein Musiksaal für das Musikkollegium (gegründet 1629) eingerichtet. Nachdem im 17. Jhdt. ständig renoviert wurde, wird das Rathaus im 18. Jhdt. immer baufälliger.
Schliesslich entschloss man sich für eine Renovation des Hinterhauses und für einen Neubau des Vorderhauses. Diese Bauarbeiten dauerten von 1782 bis 1785 (Architekt Johann Ulrich Büchel). Das Hinterhaus "Geduld" wurde wieder verkauft (1. Mai 1782). Das neue Rathaus an der Marktgasse zeigte eine klassizistische Schaufassade. Die drei Achsen und die grosszügigen Geschosshöhen gaben dem Haus einen monumentalen Charakter. Ein Balkon mit Balustrade und ein mit dem Stadtwappen geschmückter Giebel betonen die Mittelachse. Mächtige Eichentore schlossen den Kornmarkt gegen die Gasse ab. Mit der Rücknahme des Musiksaales und der Stadtbibliothekräume aus der "Geduld" war das stolze Rathaus aus den letzten Jahren der Eidgenossenschaft ein Vielzweckbau für Handel, Kultur, Politik und gesellschaftliches Leben. Mit der politischen Entwicklung änderten sich auch die Funktionen der Räume. 1831 wurden die beiden Räte, der 13-köpfige Kleine Rat und der 40-köpfige Grosse Rat durch einen Stadtrat mit 11 Mitgliedern ersetzt. Diesem stand eine 7-köpfige Rechenkommisison zur Seite. Elf Jahre später zog die Stadtbibliothek ins neue Knabenschulhaus (heute Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten) hinüber, 1861 zog der Kornmarkt in die neue Kornhalle am Bahnhof und seit 1863 finden die Konzerte im neu eröffneten Casino statt. 1870 schliesslich zogen Stadtrat und Verwaltung ins Stadthaus um und somit war eine neuerliche Umgestaltung nötig. Der neue Stadtbaumeister Joseph Bösch, ein Schüler Sempers, plante den Umbau. Im Mai 1874 wurde er bezogen.
Die Hauptidee war ein öffentlicher Durchgang zur neuangelegten Museumstrasse (heute Stadthausstrasse). Achtzehn Verkaufslokale zogen ein, Bazar im Volksmund genannt. Im ersten Stock Vorderhaus bekam das Schwurgericht seinen Saal, darüber das Bezirksgericht, im Hinterhaus zogen Statthalteramt, Bezirksrat und Gerichtkanzlei ein. 1895 wurde ein 45-köpfiger Grosser Rat geschaffen und somit zog das Parlament ins Rathaus ein. Ab 1922 (Stadtvereinigung) hielt der nun 60 Mitglieder zählende Grosse Gemeinderat seine Sitzungen im Rathaus ab. 1932 zogen Bezirksgericht und Statthalteramt an die Lindstrasse in den ehemaligen Sitz der Unfall (Winterthur Versicherungen). Der Platz wurde künftig durch die städtischen Amtstellen Friedensrichteramt und Berufsberatung genutzt. Ab 1945 befasste man sich wieder mit Renovationsplänen. Die schwierigen Verhältnisse (Platzverhältnisse, schützenswerte Bauteile) liessen aber erst ab 1968 eine Umgestaltung zu. Den gordischen Planungsknoten hatte der damalige Stadtbaumeister Karl Keller gefunden.
Nach seinen Ideen wurde die Neugestaltung realisiert. Am 8. Mai 1968 begannen die Abbrucharbeiten, zwei Jahre später zog der Grosse Gemeinderat aus seinem Exil im alten Stadthaussaal in den komfortablen neuen Ratssaal ein. Festsaal und Gemeinderatssaal im Vorderhaus, Museumsräumlichkeiten und Abwartwohnung im Hinterhaus sowie zwei Ladenlokale und ein Restaurant im neuen lichten Durchgang beherbergt das zu neuen Blüten erweckte altehrwürdige Gebäude.