Grosskonzerne

Rieter

Klosterstrasse 20

Johann Jacob Rieter-Frey gründete 1795 ein Kolonialwarengeschäft aus dem über eine mechanische Spinnerei (1812) der heutige Rieter-Konzern entstand. Der Rieter Konzern bietet, nach eigenen Angaben, als einziger Hersteller weltweit Produkte und Know-how zum gesamten Spinnprozess an.


Gründungsdatum
1795


Adresse
Rieter AG Maschinenfabrik
Klosterstrasse 20
8406 Winterthur
1860: Kloster Töss, Maschinenfabrik Rieter Foto: winbib (Signatur 082678)

Das Handelsgeschäft 1795-1820

Als Stammvater des Geschlechts Rieter gilt Bartholomäus Rieter, ein Müller, der zwischen 1520 und 1542 in Urkunden auftritt. Er erwarb um 1525 die Werdmühle (Rietermühle) im Archquartier. Sie wurde 1558 abgebrochen. Die Mühle hatte von 1277 bis 1476 im Besitz des Kloster Töss gestanden. Später wurde eine Druckerei eingerichtet. Heute ist es ein Verwaltungsgebäude der Stadt Winterthur. Johann Jacob Rieter (1762–1826) gründete die Firma J. J. Rieter & Cie. 1795 in Winterthur als Handelsunternehmen für exotische Gewürze und Baumwolle. Als erste Sendung auf eigene Rechnung traf am 23. April 1795 im Waaghaus an der Marktgasse ein Ballen Baumwolle ein. Mitbegründer war auch der Bruder Johann Heinrich Rieter-Studer (1752-1823) und etwas später stiess der Schwager Hans Jakob Frey (1772-1838) dazu. Das Geschäftslokal befand sich vorerst im väterlichen Haus zum Eisberg an der Metzggasse. 1800 wurde das Haus zur Glocke an der damaligen Hauptstrasse, heute Marktgasse 52 erworben. Es folgten unruhige und schwierige Jahre, geprägt durch die Kriegswirren in Europa, die den internationalen Handel stark erschwerten. 1804 schied Bruder Heinrich aus dem Unternehmen aus. 1809 trat Sohn Heinrich Rieter-Ziegler (1788-1851) ins väterliche Geschäft ein. Nach dem Wiener Kongress von 1815 beruhigte sich die Weltlage und das Handelsgeschäft konnte wieder funktionieren.

Das Haus zur Glocke wurde vermehrt durch die geschäftlichen Belange genutzt. Gehandelt wurde mit Baumwolle, Garn und Tücher wie ehedem, dazu kamen auch Kaffee- und Zuckerhandel, Im Hause zur Glocke wurde es zu eng, als Wohnraum kaufte man deshalb 1810 das Haus zum Sulzberg, heute Museumstrasse 56. Das Spinnereifach Im Frühjahr 1812 entschloss sich die Firma Rieter selbst zur mechanischen Spinnerei (Produktion von Garnen) überzugehen und es wurde die Spinnerei Wildbach gegründet. Heinrich Rieter (1757-1840), der Vögelimüller, stellte das Gebäude für die Wildbach-Spinnerei zur Verfügung. Sie wurde ab 1812 durch die Gebrüder Greuter & Rieter und Johann Jacob Rieter betrieben. Die Vorwerke wurden durch Wasserkraft, die Vorspinn- und Spinnmaschinen von Hand angetrieben. Allein der Flut wohlfeiler englischer Garne, die sich nach dem Sturze Napoleon’s und seines Sperrsystems ungehemmt auch über die Schweiz ergoss, vermochte diese neue und noch sehr unvollkommene Schöpfung nicht zu widerstehen. So wurde nach kurzem Erfolg die Garnproduktion 1817 in der Winterthurer Spinnerei wegen der englischen Konkurrenz eingestellt.

Begünstigt durch die napoleonische Kontinentalsperre stieg Rieter mit eigenen Spinnereien in die Fertigung von Textilien ein. Zusammen mit Hans Ulrich Graf (1775-1841) errichtete Rieter die Spinnerei Buchenthal bei St. Fiden an der Steinach (St. Gallen) und Beteiligungen an weiteren Spinnereien folgten. Mit dem Beginn der 1820er Jahre trat in der Firmengeschichte ein Generationenwechsel ein. Der Vater hatte das Handelsgeschäft gegründet und nach 1810 mehrere Spinnereien gebaut. Der Sohn, Heinrich Rieter-Ziegler (1788-1851) wechselte vollständig zum Spinnfach hinüber. Für den innovativen Geschäftsmann war schnell klar, dass er auch den Schritt zur eigenen Produktion der Spinn- und Webmaschinen machen musste.

1825 bis 1827 entstanden in Nieder-Töss eine Werkstätte und ein Spinnerei-Gebäude. Das Projekt realisierte er in Partnerschaft mit der Winterthurer Firma Ziegler und Sulzer, Baumwollhandel en gros. Das Maschinenfach 1835-1945 Nach mehreren Erweiterungsbauten in Niedertöss wurden die Platzverhältnisse trotz allem zu klein. 1833 wurde das Land und die Gebäude des ehemaligen Klosters Töss –seit 1798 standen sie grösstenteils leer- vom Kanton ersteigert. Das Werk Obertöss war damit geboren. Ähnlich wie viele andere Textilhersteller des 19. Jahrhunderts betrieb also auch Rieter seine eigene Maschinenfabrik. Diese spezialisierte sich in der Herstellung von Textilmaschinen und den zugehörigen Antrieben und Kraftübertragungssystemen.

Daneben stellte Rieter auch Lokomotiven, Trams, Gewehre und Motoren her. In diesem 5. Jahrzehnt des 19. Jhdt. nahm die Firma Rieter nebst konjunkturellen Krisen starken Aufschwung. Dies ermöglichte es auch, dass Heinrich Rieter seine Partner auszahlen konnte und per 1. Mai 1842 alleiniger Firmeninhaber wurde. 1844 wurde die erste Rieter-Karde, eine Maschine zum Aufteilen von Faserbüscheln, fabriziert. Wachablösung von Heinrich zu Heinrich Rieter Während eines Ferienaufenthaltes in Gais im Appenzellerland verstarb am 1. August 1851 Heinrich Rieter erst 63-jährig unerwartet an einer Lungenlähmung.

Sein Sohn Heinrich Rieter (1814-1889), Enkel von Johann Jacob und späterer Oberst und Ständerat, übernimmt das Geschäft. Hatte einst der Gründer der Firma in wagemutigem Handeln und mit der Beteiligung an mechanischen Spinnereien ein sicheres Fundament für die Zukunft gelegt, so hatte der zweite Leiter die Spinnerei Niedertöss zum leistungsfähigen Spezialunternehmen für feine Garne ausgebaut. Damit entstand durch Heinrich Rieter dem Älteren auch die leistungsfähige mechanische Werkstätte, die sich dann später zur bedeutenden Maschinenfabrik entwickelte. 1853 trat David Heinrich Ziegler (1821-1901), nach dem der Wülflinger in der Werkstätte in Niedertöss bereits die Lehre absolviert hatte, wieder in die Rieter ein. Seine reiche Erfahrung im Bau von Lokomotiven, Eisenbahnwagen, Dampfmaschinen, Werkzeugmaschinen Walzmaschinen Spinnmaschinen, Webstühlen, Transmissionen und Wassermotoren, die er in der Zwischenzeit vor allem im Ausland erworben hatte, konnte er nun voll einbringen. Die Produktion von Webstühlen, Dampfmaschinen, Turbinen, Wasserrädern und Triebwerken wurde nun gestärkt und vorangetrieben. Lag vor 1850 das Schwergewicht der Firma auf der Seite der Spinnereien ging die führende Rolle 1954, nach der Verlegung der Maschinenwerkstätten ins Kloster Töss, an die Maschinenfabrik über.

1866 traten zwei Söhne des Obersten in das Geschäft ein. Das waren der älteste seiner vier Söhne, Heinrich Rieter-Fenner (1838-1901) und der Zweitgeborene Bruno Rieter-Herzog (1840-1889). 1857 machte Rieter 1,5 Millionen Franken Umsatz, beschäftigte 443 Arbeiter in den Werkstätten und ungefähr 100 in fremden Giessereien. Diese Zahlen stiegen in den Folgejahren stetig an. Es herrschte die 73-Stunden-Woche. Die erste Arbeitersiedlung 1865 Rieter erstellte 1865-1876 die erste Arbeitersiedlung der Schweiz und war damit ein Pionier der Arbeiterfürsorge. Beidseits der Rieterstrasse wurde in Töss eine Arbeitersiedlung erstellt.

Die 24 freistehenden Doppeleinfamilienhäuser mit eigenem Gartenland vermietete Rieter zu bescheidenen Zins an Betriebsangehörige. Die Mieter mussten im Gegenzug eine Lebensversicherung abschliessen. Die Wohnungsfürsorge wurde auf diese Weise mit der Altersvorsorge kombiniert. Rieter verzichtete auf die damals eher bekannte Lösung von „Kosthäusern“, in denen die Familien eng zusammengepfercht wohnen mussten. Noch heute erfreuen sich die inzwischen erneuerten Wohnhäuser einer guten Beliebtheit. Diese Linie wurde auch in späteren Jahren fortgesetzt, so zum Beispiel die Siedlung im Dättnau 1942, wie auch mit der Errichtung von 150 Häuser mit rund 500 Wohnungen in aller nächsten Umgebung des Fabrikareals.

Erste dreistäbige Schifflistickmaschine 1865

1855-1890 folgte eine intensive auch bauliche Entwicklung. Auch wurde mit anderen Unternehmungen und der Stadt Winterthur um die Wasserrechte der Töss gestritten. Rieter beschäftigt in Töss 1'000 Personen. Bereits damals schon legte das Unternehmen grossen Wert auf eine gründliche Ausbildung von Angestellten und Arbeitern, wie damals noch unterschieden wurde. Auf diese Weise konnte Rieter unter seinen geeigneten Mitarbeitern selbst einen guten Nachwuchs an Konstrukteuren ausbilden. Auch förderte Rieter die Handwerkerschulen in Töss und Wülflingen. 1867 trat der dritte Sohn des Obersten, Oskar Rieter-Dölly (1844-1913) in die Firma ein. 1881 musste Ziegler, die treibende Kraft für Neuentwicklungen, infolge Krankheit zurücktreten.

Zusammen mit Isaak Gröbli (1822-1917) und J. Wehrli (1830-1883), beide aus dem St. Gallischen, entwickelte Rieter eine Schifflistickmaschine. Es dauerte von 1863 bis 1870, bis endlich der Augenblick da war, diese Neuheiten für den Verkauf freizugeben. Oberst Rieter gründete in Wülflingen eine eigene mechanische Stickerei. Um sich nicht selbst zu stark zu konkurrenzieren, stellte er harte Verkaufsbedingungen, was sich schliesslich als Bumerang darstellte. Andere Maschinenfabriken, so Martini Frauenfeld und Saurer Arbon, traten mit ebensolchen Maschinen auf den Markt. Rieter geriet mit der Weiterentwicklung ins Hintertreffen, sodass dieser Betriebszweig um 1890 langsam einging. Nicht viel besser erging es der Stickerei in Wülflingen. Unter der Leitung von Gröbli und Wehrli blühte das Unternehmen zwar erst auf und gedeihte gut.

Nach dem Weggang von Gröbli und dem Tod von Wehrli (1883) kam der Schwung abhanden. Als dann 1890 die in der Beuggerschen Spinnereien (heute Klinik Schlosstal) gemieteten Fabrikräumen gekündigt wurden, entschloss man sich zur Liquidation, die Max Rieter-Wilson (1848-1907) durchführte. Die Stickerei Wülflingen, deren Produkte einst „sowohl durch billige, als auch durch schöne und genaue Arbeit alles dagewesene übertrafen“ -nach Ziegler- fiel dem geänderten Geschmack der Zeit und der übermächtigen Konkurrenz zum Opfer. Die rastlose Tätigkeit für das Gedeihen seiner Firma hinterliessen schliesslich bei Oberst Rieter seine Spuren, sodass er per 1. Mai 1872 zurücktrat und die Verantwortung seinen Söhnen Heinrich, Bruno, Oskar und Max überliess.

Er siedelte dabei von seinem Wohnsitz, dem Trollengut am Brühl (heute steht dort der Neubau, 1980, des Alterszentrum Brühlgut, das zuvor noch in den alten Villengebäuden untergebracht war), in die neuerbaute Villa an der Schaffhauserstrasse, das Merz-Rietergut über. Das Geschäftshaus zur Glocke wurde ebenfalls verkauft. Hoch und Tiefs In Winterthur nahm die ökonomische Entwicklung in den Jahrzehnten zum Schluss des 19. Jhdt. einen stürmischen Verlauf. Die Industrie kam als Ganzes zur Blüte. Zu den Schöpfungen dieser Gründerzeit gehören 1871 die Lokomotivfabrik, 1872 die Seidenstoffweberei, 1873 die Rückversicherung Lloyd, 1874 das Technikum und der Gewerbeverein, 1875 die Unfallversicherung.

Rückschläge blieben nicht aus: 1878 Zusammenbruch der Nationalbahn, 1883 Ruin der Lloyd-Gesellschaft und 1891 kam die Kreditbank zu Fall. Von den Nöten der Rieter in dieser Zeit zeugt die Bilanz von 1884, die einen Verlust von 1,4 Mio. Franken ausweist. Ständerat Rieter deckte ungefähr die Hälfte. Die Beteiligungen an den Bankrotten Unternehmungen waren die Hauptursachen dieser Abschlüsse. Aber auch Überschwemmungen der Töss stifteten Schaden an Wehr und Kanal. Das Hochwasser von 1876 setzte beinahe das ganze Dorf Töss unter Wasser. Eine Brücke beim Kloster wurde weggerissen. Oberst Rieter half der Gemeinde Töss in uneigennütziger Weise. Trotz aller Schwierigkeiten behielt Rieter in der Schweiz eine führende Rolle im Maschinenbau.

Elektrizität

Ein neues Entwicklungsgebiet entstand mit dem Feld der Elektrizität. Die Firma Rieter erkannte sofort die Bedeutung der neuen Industrie. Die ersten Arbeiten, angeregt durch Heinrich Rieter-Bodmer, fallen in das Jahr 1890/91 mit der Einrichtung der elektrischen Beleuchtung in der eigenen Spinnerei Buchenthalen. Sie bestand aus einem Gleichstromdynamo von 3 kW und 110 V Spannung für 60 Lampen. Es folgte eine stürmische und erfolgreiche Entwicklung. 1897 übernahm Rieter die Tätigkeit auf dem elektrischen Gebiet von der Lokomotivfabrik. Lange Zeit standen die Aufträge in elektrischen Beleuchtungsanlagen für Industrie und Gemeinden an erster Stelle. Im Jahre 1897 übernahm Rieter den Auftrag von der Stadt Winterthur für den Umbau der 1.8 km langen Strassenbahn Winterthur-Töss vom Rössli-Tram zur elektrischen Strassenbahn.

Rieter erneuerte den Unterbau, lieferte die Leitungen und vier Triebwagen, ausgerüstet mit 20 PS-Motoren für Gleichstrom von 550 V. Zwei Dynamomaschinen von je 33 kW, in den Werkstätten von Obertöss untergebracht, erzeugten den notwendigen Strom. Weitere interessante Aufträge folgten: unter anderen die elektrische Seilbahnen Davos-Schatzalp, Vevey-Mont Pélerin, Lauterbrunnen-Mürren und 1905 auch die Vesuvbahn in Neapel. So schnell der Aufbau der neuen Technologie erfolgte, kam für sie auch der Ausstieg. Auf Ende 1905 wurde die elektrische Abteilung geschlossen. Die Branche hatte sich so stürmisch entwickelt und spezialisiert, dass man nicht mehr weitermachen wollte und sich wieder aufs den angestammte Maschinenbau konzentrierte.

Gründung der Aktiengesellschaft

Obwohl Ständerat und Oberst Rieter ab 1872 offiziell aus der Firmenführung zurückgetreten ist, hat er immer wieder in die Arbeit seiner Söhne eingegriffen. Die Ratschläge und Hilfen waren einerseits sehr wertvoll, aber die allzu direkte Einflussnahme auf den Gang der Geschäfte tat nicht gut. Man versäumte die längst als notwendig erkannte Reorganisation der Maschinenfabrik. Die Verhältnisse legten nach dem Tode von Ständerat Rieter zunächst die Umwandlung des Familiengeschäftes in eine Aktiengesellschaft nahe. 1891 wurde die Firma von der Familie Rieter in die Aktiengesellschaft «Maschinenfabrik Rieter AG» umgewandelt. Der Verwaltungsrat setzte sich bis 1901 aus den drei Söhnen Ständerat Rieters zusammen.

Heinrich Rieter-Fenner trat 1897 von der direkten Leitung des Unternehmens zurück, blieb aber Verwaltungsratspräsident bis zu seinem Tode 1901. Seine beiden Söhne, Heinrich Rieter-Bodmer, geb. 1867 und Arthur Rieter, geb. 1873, machten Lehr und Praxis im Geschäft, schieden aber 1898 aus. Oskar Rieter-Dölly, der Leiter der Maschinenabteilung, übernahm 1901 den Vorsitz im Verwaltungsrat. Ein Schlaganfall zwang ihn 1903 zum Rücktritt. Sein Bruder Max Rieter-Elmer (-Wilson) ersetzte ihn bis 1907. Mit dem Ausscheiden der vierten Generation kam Benno Rieter (1870-1925), der ältere Sohn Rieter-Döllys als letzter Vertreter des Namens Rieter an die Spitze des Unternehmens. Nach Studien in Dresden, England und Praxis in Mailand wurde er 1899 Direktor, 1901 Mitglied des Verwaltungsrates, zu dessen Vizepräsidenten er 1904 aufrückte. 1912 wurde er Verwaltungsratspräsident bis zu seinem Tode 1925. Er teilte die Arbeiten der Direktion mit den Herren W. Merz-Rieter Schwiegersohn von Max Rieter-Elmer und H. D. Gross. Das Unternehmen beschäftigte zu dieser Zeit 1200 Angestellte und Arbeiter, davon 1070 in Töss. Die Entwicklung bis zum 150 Jahre Jubiläum 1945 Während des Ersten Weltkriegs beschloss die Firmenleitung 1915 die Konzentration auf die Herstellung von Spinnereimaschinen. Sie gliederten die Liegenschaften, die nicht direkt zum Fabrikbetrieb gehörten in eine neu gegründete Immobiliengenossenschaft.

Dazu wurden auch die Spinnereien Niedertöss, Buchenthal und Glattfelden abgetrennt und in die „Spinnereien und Zwirnereien Niedertöss AG“ zusammengefasst. Zusätzlich erfolgte eine finanzielle Sanierung. Dies alles schuf die Voraussetzung, die Maschinenfabrik wieder auf Vordermann zu bringen. Die Herren Benno Rieter, W. Merz-Rieter und H. D. Gross, etwas später Max Ruoff und Oskar Halter brachten das Unternehmen wieder in eine Blütezeit. Im Juli 1925 starb Benno Rieter ohne leibliche Nachkommen. Damit büsste die Familie Rieter ihren direkten Einfluss auf das Unternehmen endgültig ein. Der Winterthurer Rechtsanwalt Dr. Robert Corti, bereits seit 1912 im Verwaltungsrat, übernahm 1925 das Verwaltungsratspräsidium, das er bis 1955 behielt.

In diesen dreissig Jahren trieb Corti in engem Kontakt mit den geschäftsleitenden Organen die Modernisierung und die Ausrichtung des Unternehmens auf neue Strukturen zielstrebig voran. 1931 dehnte Rieter seine Geschäftstätigkeit wieder aus, unter anderem in den Chemiefaserbereich. Die verschiedenen Umstellungen im Betrieb riefen auch nach baulichen Anpassungen. Bereits während dem ersten Weltkrieg musste 1916 ein ehrwürdiges Baudenkmal, die einstige Klosterkirche mit ihren 1,4 m dicken Mauern, die zuvor wie ein Wahrzeichen der Vergangenheit über die Fabrikgebäude hervorgeragt hatte, einem modernen Flachbau weichen. Es folgte 1925 eine weitere Halle, vier Jahre später ein weiterer Neubau. Die Vergrösserung der Giesserei erfolgte 1937.

Auch in der schwierigen Zeit von 1938-1945 blieben bauliche Anpassungen nicht aus. So wurde zum Beispiel 1940 die Kesselanlage erneuert um Kohle zu sparen und ein Kohlenbunker mit einer Lagerkapazität für 700t Kohlen gebaut. Die Kriegsereignisse des 2. Weltkrieges blieben für den Betriebsablauf nicht ohne Auswirkungen. Die Belegschaft schrumpfte wegen der Mobilmachung auf ein absolutes Minimum und die Kontakte ins Ausland wurden schwieriger. Aber es gelang trotz allem den Betrieb einigermassen aufrecht zu erhalten. Der Chronist schreibt zum 150 Jahre Jubiläum, dass das Geschäft unter mannigfache Änderungen seiner inneren und äusseren Strukturen gute und schwere Zeiten erlebt hat. Die Geschichte lege auch Zeugnis ab vom Weitblick und vom Wagemut der jeweiligen Führung.

ab 1951: Schnelle und übers Ganze gesehen sehr gute Entwicklung ins 21. Jhdt. hinein

1951 Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte die Expansion ins Ausland, 1951 in die USA (American Rieter Company, Arlington und 1962 nach Indien (Coimbatore). In den 1980er Jahren expandierte und diversifizierte Rieter durch Firmenzukäufe stark. 1982 wurde die englische Firma Ernest Scragg & Sons (Texturiermaschinen) und 1984 die schweizerische Unikeller (Autozulieferer: Herstellerin von Lärm und Hitzeschutzkomponenten für die Automobilindustrie) übernommen. Mit dieser Übernahme steigt Rieter ins Autozuliefergeschäft ein. Der weltweite Nachfragerückgang bei den Textilien wirkte sich nachteilig auf das Textilmaschinengeschäft aus. Die Investitionsunlust der Rieter-Kunden, überlagert von einem übermässigen Angebot an guten Occasionsmaschinen, führte zu einer Überkapazität im Textilmaschinenbau.

Mit der Übernahme der Unikeller wurde ein wesentlicher Diversifikationsschritt getan, der sich in der Folge nur positiv auf den Geschäftsgang auswirkte. 1987 wurde die deutsche Schubert & Salzer (Rotorspinnmaschinen), ein Hauptkonkurrent, übernommen. 1985: Gründung der Rieter Holding AG und Kotierung an der Börse in Zürich. 1992: Akquisition der Rieter Automatik Apparate-Maschinenbau GmbH in Grossostheim, Deutschland (Synthesefaser- und Granuliermaschinen). Deutschland (Rotorspinnmaschinen). 1994: Nach einer Krise zu Beginn der neunziger Jahre folgten weitere Akquisitionen: Akquisition von Elitex in Usti nad Orlici, Tschechische Republik (Rotorspinnmaschinen, Komponenten, Autozulieferung).

1994: Akquisition von Firth Furnishings Ltd. in Heckmondwike, England (Autoteppiche). 1995 Akquisition von Globe Industries, Inc, mit Hauptsitz in Chicago, USA (Autozulieferung). Die Division Unikeller wird umbenannt in Rieter Automotive Systems 1995: 200 Jahre Jubiläum 1996: Akquisition von Fimit S.p.A. mit Hauptsitz in Turin, Italien (Autozulieferung). 1997: Gründung eines Joint-ventures mit dem Autoteppichhersteller Magee in Bloomsburg, Pennsylvania, USA. Akquisition von Ello mit Hauptsitz in Sao Bernardo do Campo, Brasilien (Autozulieferung).

2000: Akquisition von zwei Einheiten des ICBT-Konzerns mit Sitz in Valence, Frankreich (Vliesherstellungs- und Garnveredelungsmaschinen). Mehrheitsbeteiligung an Idea Institute in Turin, Italien (Autodesign und -engineering). 2001: Akquisation von drei Einheiten der Süssen-Gruppe, Deutschland (Entwicklung von Spinntechnologien und Produktion von Schlüsselkomponenten für Spinnereimaschinen). 2002: Hartmut Reuter übernimmt per 7. Mai die Gesamtleitung des Rieter-Konzerns als Chief Executive Officer (CEO). Rieter hält 100% an Idea Institut. 2003: Rieter gründet in China ein Automotive Joint Venture zur Produktion von Lärmschutzkomponenten. Rieter erhöht Beteiligung am spanischen Autozulieferer Saifa- Keller S.A. 2004: Rieter Automotive France S.A. eröffnet in Aubergenville/Frankreich ein neues Forschungs- und Verwaltungsgebäude.

2005: Die Rieter Holding AG hat am 3. Oktober 2005 100% des Aktienkapitals der Hogra Holding AG, der Muttergesellschaft der Graf-Gruppe, übernommen. Damit baut Rieter Textile Systems die führende Rolle als einer der weltweit grössten Anbieter von Technologiekomponenten im Bereich Stapelfasermaschinen weiter aus. 2006: Rieter verkauft die Tochtergesellschaft Rieter Textile Machinery France SAS in Valence mit den Geschäftsfeldern Kablier-, Zwirnund Texturiermaschinen an das französische Unternehmen Co- Martin. Das zur Maschinenfabrik Rieter AG in Winterthur gehörende Geschäft mit Maschinen und Anlagen zur Herstellung von synthetischen Endlosgarnen wurde an die deutsche Bavaria Maschinenfabrik GmbH verkauft. Rieter übernimmt den indischen Automobilzulieferer Rieter Automotive India (früher Unikeller India) zu 100 Prozent.

Rieter erhöht per 1. Januar 2006 die Beteiligung am spanischen Automobilzulieferer Rieter Saifa auf 100%. 2011: Am 13. Mai 2011 wurde die Sparte Automotive Systems aus der Rieter AG herausgelöst, die 1984 ins Autogeschäft eingestiegen war. Die neue Firma „Autoneum“ beliefert die internationale Autoindustrie mit verschiedenen Produkten zur Wärme- und akustischen Dämmung, unter anderem mit Teppichen, Hitzeschildern und Unterbodenverkleidungen. Zu den Kunden zählen fast alle bekannten Automarken. Autoneum erzielte 2011 einen Umsatz von rund 1,7 Milliarden Franken und beschäftigt über 9500 Mitarbeiter weltweit. Am Hauptsitz in Winterthur sind rund 150 Personen tätig, vor allem in der Forschung und Entwicklung. Am einzigen Schweizer Produktionsstandort in Sevelen SG arbeiten 450 Personen.

Rieter heute (aus der Website)

Rieter ist ein führender Anbieter am Weltmarkt für Textilmaschinen und -komponenten für die Kurzstapelfaser-Spinnerei. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Winterthur (Schweiz) entwickelt und fertigt Anlagen, Maschinen und Technologiekomponenten für die Verarbeitung von Naturfasern und synthetischen Fasern sowie deren Mischungen zu Garnen. Rieter ist der einzige Anbieter weltweit, der sowohl die Prozesse für Spinnereivorbereitung als auch sämtliche vier am Markt etablierten Endspinnverfahren abdeckt. Das Unternehmen ist mit 19 Produktionsstandorten in 9 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit rund 4 700 Mitarbeitende, davon etwa 28 % in der Schweiz.

Das Unternehmen umfasst zwei Business Groups: Spun Yarn Systems entwickelt und fertigt Maschinen und Anlagen für die Verarbeitung von Naturfasern und synthetischen Fasern sowie deren Mischungen zu Garnen. Premium Technology Components bietet Technologiekomponenten und Serviceleistungen sowohl für Spinnereien als auch für Maschinenhersteller an. Rieter ist eine starke Marke mit langer Tradition. Seit der Gründung prägt Rieter den industriellen Fortschritt durch hohe Innovationskraft. Produkte und Lösungen werden optimal auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten und immer mehr auch in den Märkten der Kunden produziert. Zum Nutzen der Aktionäre, Kunden und Mitarbeitenden strebt Rieter die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes an.

Eine Fabrik macht sich schmal

Dazu will Rieter den Umsatz und die Ertragskraft kontinuierlich steigern, primär aus eigener Kraft, aber auch durch Kooperationen und Akquisitionen. Seit 2013 baut die Rieter Arbeitsplätze ab, da sie im internationalen Markt Schwierigkeiten hat. Verschiedenste Gründe werden dazu aufgeführt. Im Vordergrund stehen die zu hohen Produktionskosten und der zu starke Franken. 2015 erfolgt die nächste Hiobsbotschaft. Über 200 Stellen sollen gestrichen werden. Geplant ist die Produktion in Winterthur einzustellen. Eigene Werke in Tschechien, China und Indien werden diese Fertigungen übernehmen. In Winterthur-Töss, um das Qualitätsmerkmal „Made in Switzerland“ aufrecht zu erhalten soll noch montiert und getestet werden.

Rieters Bekenntnis zu Töss

Was die Sulzer-Areale bereits hinter sich haben, beginnt nun auf 130‘000 m2 grossen Fabrikareal zwischen Klosterstrasse und der Töss. Dass Rieter in Töss Veränderungen plant, war bekannt. Das Areal des Textilmaschinenherstellers ist nach der Schliessung der Fertigung im Jahr 2016 zu gross. Die Frage war, wie die frei werdenden Flächen genutzt werden könnten. Im Herbst 2017 gab Rieter die neuesten Pläne bekannt. Das traditionsunternehmen will sich auf dem Firmengelände an der Klosterstrasse völlig neu aufstellen. Auf rund 30 000 Quadratmetern Fläche sollen ein Kundenzentrum, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die Montage und die Verwaltung Platz finden.

Forschungscampus

Diese bisher auf dem ganzen Gelände verstreuten Aufgaben sollen in einem modernen Neubau zusammengefasst werden, der im westlichsten Arealteil, in Richtung der Zürcherstrasse zu stehen kommt. Das neue Gebäude solle eine «Visualisierung dessen sein, wofür Rieter steht», sagt Thomas Anwander (Generalsekretär Rieter). «In China und Indien wird man immer günstiger produzieren können. In der Schweiz müssen wir uns durch höchste Innovation und Qualität abheben. Das neue Hauptquartier zeigt ganz deutlich: Wir blicken nicht nach hinten, sondern nach vorne, in die Zukunft.» Um die klügsten Ingenieure und Software-Entwickler anzuziehen, müsse man auch ein attraktives Arbeitsumfeld bieten», führt Anwander weiter aus.

Das Bauprojekt wird 2017 an die Hand genommen. Dazu findet ein Wettbewerb mit fünf Büros statt. Baustart soll 2019 sein, 2021 Bezug. Über den Rest des Geländes will man sich bei Rieter erst in einer zweiten Phase Gedanken machen. Es wird eine zusammenhängende Fläche von rund 70 000 Quadratmetern frei, die zu begehrtem und gut erschlossenem Bauland werden könnte. Genug Platz für ein kleines neues «Rieter-Quartier». (Text nach einem Artikel von Michael Graf im Landboten vom 07.10.2017)

Der „Landbote“ meldete am 30. Januar 2020 eine neue wenig schöne Veränderung der Maschinenfabrik Rieter. Arbeitsplatzabbau geht weiter. 200 Jahre lang hat Rieter in Töss Maschinenteile produziert und Spinnmaschinen gebaut. Das Unternehmen entlässt die letzten Arbeiter am Standort Töss. Voraussichtlich sind 87 Mitarbeitende davon betroffen. Laut der Gewerkschaft Unia sind die meisten von ihnen über 50 Jahre alt. Wegen Umsatzverlusten wird die Montage in Töss geschlossen. Die Nachfrage nach in der Schweiz hergestellten Spinnmaschinen sinkt. Die Kunden sehen Maschinen, die in Indien oder China montiert werden, zunehmend als gleichwertig an. Der Arbeitsplatzabbau in der Montage ist der dritte in Winterthur seit 2015. Damals beschäftigte Rieter 900 Angestellte am Hauptsitz, neu wären es noch 570. Für Forschung, Entwicklung, Verwaltung und Service plant das Unternehmen weiterhin einen Campus in Töss. (Quelle Landbote vom 30.01.2020)

Bibliografie

    Rieter, Heinrich, 1814-1889, Industrieller, Ständerat, Oberstleutnant

    • Einträge 1991–2010

      NZZ 1889/354. - Schw. Bauzeitung 1889/14 S. 152

    Rieter AG Maschinenfabrik. Arbeitsmarkt

    • Einträge 1991–2010

      Kurzarbeit und Betriebsschliessung: Tages-Anzeiger 1991/24 S.31. - Landbote 1991/24, 61, 99, 214. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1991/24 1Abb., 118 Krise... von Urs Willmann. - WOberi Zytig 1991/21 von Urs Willmann, 1Abb.
      1992: Landbote 1992/274. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1992/275. - 1993: Landbote 1993/234. - 1994, Stellenabbau: Landbote 1994/202.
      1995, Entlassungen: Winterthurer Arbeiterzeitung 1995/35. - Weinländer Zeitung 1995/19. - NZZ 1995/35 S.57.
      1996, Kurzarbeit: Landbote 1996/66.
      Stellenabbau, Entlassungen: Landbote 1996/136, 257. - NZZ 1996/258 S.53. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/232.
      Do: Landbote 1996/212. - NZZ 1996/213 S.21 und 53. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/195, 201 Interview Jürg Wieser, 1Abb.
      42-Stundenwoche, gleicher Lohn: Landbote 1996/295.
      Betriebliches Arbeitsmarktzentrum: Winterthurer Woche 1997/17 1Abb.
      Sozialplan: Landbote 1997/136.
      Stellenabbau: Landbote 1998/264. - Tages-Anzeiger 1998/264. - Weinländer Zeitung 1998/132.
      Stellenabbau: Landbote 2008/259.
      Stellenabbau, Lohnverzicht:: Tages-Anzeiger 2009/176 [Winterthurer Dok.2009/41]. - Landbote 2009/185, 259 Erfolg

    Rieter-Areal

    • Einträge ab 2011

      Gmür, Martin: Wie geht es weiter im Rieter-Areal? In: De Tössemer, Januar, 2023. S. 3. m.Abb.
      Portmann, Sandro: Das Rieter-Areal öffnet sich. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 43 (2024). S. 3. m.Abb.

    Rieter, Familie

    • Einträge 1991–2010

      Jürg Wille. Gelebtes und Gehörtes. Weinfelden, 1996, m.Abb.

    Rieter AG Maschinenfabrik. Geschichte

    • Einträge ab 2011

      Portmann, Sandro: Ein teures Industriegleis. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 23 (2024). S. 3. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Winterthurer Arbeiterzeitung 1993/184 1Abb.
      200 Jahre, Feier: Landbote 1995/72 1Abb. - Weinländer Zeitung 1995/65.
      200 Jahre: Tössemer 1995/3 von Alfred J. Furrer. - Winterthurer Jahrbuch 1995 von Alfred J. Furrer, m.Abb.
      Betriebs-Feuerwehr. 125 Jahre: Weinländer Zeitung 1998/79 1Abb. - Tössemer 1998/4 vonHenry Müller, m.Abb.
      Von Baumwollkönigen und Kinderarbeit, mechanische Werkstätte: Landbote 1998/122 von Thomas Gull.
      Betriebsfeuerwehr: Rieter Forum 2003/4 von Niklaus Spielmann, m.Abb.
      Rieter ist die neue Nummer eins: Winterthurer Jahrbuch 2005 von Reto Wäckerli, m.Abb.
      Spinnmaschinen von Rieter, in: Bärtschi, Hans-Peter. Kilometer Null : vom Auf- und Abbau der industriellen Schweiz . Zürich : Vontobel-Stiftung, 2004. - 115 S. : Ill. (Vontobel-Schriftenreihe), S.78 ff.
      Kämm-Maschine E 7/4. Rettung, im Museum Neuthal: Landbote 2009/128 1Abb.
      Der Brief als Schlüssel zum Erfolg: Landbote 2010/36 von Dieter Kläy, m.Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
23.02.2023