Vereine und Verbände
Radfahrer-Verein Stadt Winterthur (RVW)
Der Radfahrerverein der Stadt Winterthur gehört zu den ältesten Vereine der Stadt (gegründet 1882) und er war und ist auch einer der aktivsten Vereine. Er zeichnet sich nicht nur aus durch seine Tätigkeit und Ausbildung in sämtlichen Radsportdisziplinen, sondern er organisierte über Jahre hinweg Radsportanlässe von lokaler bis internationaler Bedeutung.
um 1905: Radfahrer-Verein, Rundstrasse, zwischen Bahn und Lindstrasse, Stereoaufnahme
Foto: winbib, Gottlieb Stiner (Signatur 032123)
Die Entwicklung des Fahrrades begann 1817. Damals erfand der Forstmeister Freiherr Carl von Drais in Mannheim das erste einspurige Zweirad mit Vorderradlenkung. Es bekam den Namen „Laufmaschine“, da man mit den Füssen auf dem Boden lief und somit das Vehikel antrieb. Erst 50 Jahre später entstand ein Zweirad mit Tretkurbeln direkt im Vorderrad. Es folgte das Hochrad und 1884 das Niederrad mit annähernd gleich grossen Rädern und dem Kettenantrieb ins Hinterrad. Mit etwas Verzögerung fand das Fahrzeug auch in Winterthur seine Käufer. Die Vélocipèdes waren aber noch recht teuer, sodass sich die Radfahrer-Pioniere noch aus den vermögenden Kreisen zusammensetzten. Studenten des Technikums gründeten am 14. August 1882 im Hotel Löwen am Graben den Velocipedeclub. Unter ihnen befanden sich die Söhne (Charles und Sidney) des Industriepioniers Charles Brown (SLM, MFO, BBC). Sidney Brown wurde erster Präsident Velocipedeclub Winterthur.
Als Zweck nannten die ersten Statuten, die Verbreitung und praktische Verwertung des Fahrrades als schnelles und billiges Verkehrsmittel. Ferner sollen Lustfahrten und geselliges Zusammenwirken auf dem Gebiete dieses Sportes zum Vereinsleben gehören. Ein Bussensystem bekämpfte versäumtes und verspätetes Erscheinen. Für die obligatorischen Clubfahrten wurde ein Capitän gewählt, „der im Stande ist, die ganze Mannschaft im Zaume zu halten und dem absolute Folge zu leisten war". 1886 radelten die Winterthurer Velocipedisten auf Hochrädern zum ersten Bundesfest nach Zürich. Für die Hinfahrt benötigten sie 2 ½ Stunden, für den Rückweg vier Stunden. Letzteres unter anderem, weil Bauern und Hunde den Männern auf ihren Knochenschüttlern nicht immer wohlgesinnt waren.
Unter besonderer Polizeiaufsicht
In einem Landboten-Artikel wurde 1893 von der „ungemeinen Beschleunigung der Bewegung“ und der damit verbundenen Gefahren für die Fussgänger geschrieben. Die Radfahrer konterten mit einer Eingabe an den Stadtrat und baten um Schutz vor „ungerechtfertigten Anfechtungen und groben Unfug seitens des Publikums“. Die Vorschriften kamen und es bedurfte künftig einer Bewilligung, um Rad fahren zu dürfen. Die Bewilligung konnte verweigert oder entzogen werden, wenn der Gesuchsteller des Fahrens gänzlich unkundig war. Zu schnelles Fahren und die Vornahme von Fahrübungen auf der Strasse wurde verboten. Ferner war das absichtliche Erschrecken von Personen, den Radfahrern Hunde nachzuhetzen, Gegenstände in die Speichen zu werfen und andere Hindernisse in den Weg zu legen, verboten. 1895 wurden 677 Bewilligungen erteilt, 1901 waren 3400 Velos registriert.
Das studentische Element des Vereins trug dazu bei, dass stets auch das Feste feiern nicht zu kurz kam. So wurden auch an Abendunterhaltungen Fahrkünste demonstriert, an denen auch komödiantische Talente sich entfalten konnten. An der ersten Ostschweizer Velocipisten-Reunion (30. Mai 1889) produzierten sich zwei St. Galler auf dem Bahnhofplatz als Kunstfahrer auf hohem Zweirad vor zahlreichem Publikum. Am Nachmittag fand ein Corso mit 105 Radfahrern statt. Am 24. April 1892 wurde die neue Fahne eingeweiht. Am Corso nahmen bereist 148 Radler teil, auch Damen, obwohl sie nicht Mitglieder des Vereins werden durften. Am Ostschweizer Velofest 20./21. Juni 1886 fand ein Rennen über 50 km von Töss nach Pfäffikon und zurück statt. Es waren 36 Fahrer angemeldet, 23 waren am Start und 17 am Ziel. Am nachmittäglichen Corso nahmen bereits mehrere hundert Radler teil. Sie wurden durch die Stadtmusik Winterthur musikalisch begleitet. Der Club entfaltete sich stark und die Mitgliederzahl stieg ständig an. Der Durchbruch und die Anerkennung waren geschafft. Das bestätigte am Bundestag der Velocipedisten am 30. Juni/1. Juli 1906 auch die Präsenz des Stadtpräsidenten Rudolf Geilinger, der die Grüsse der Behörden überbrachte und in seiner Ansprache die Vorteile des Radfahrens betonte. Der Club entfaltete ein immer reichhaltigeres Vereinsprogramm in allen Disziplinen wie Wander-. Mannschafts-, Schul- und Reigenfahren und Strassenrennen. 1917 fusionierte der Velocipisten-Club Winterthur (VCW) mit dem Racing-Club zum Radfahrerverein der Stadt Winterthur. Die sportlichen Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene liessen nicht auf sich warten. Sie folgten sich in regelmässigen Abständen. Weitere Organisations-Höhepunkte waren das Strassen-Kriterium im Geiselweid-Quartier ab 1931-1990. Bei diesen schrieben sich auch die Schweizer Radsportlegenden Ferdi Kübler 1952 und 1953) und Hugo Koblet (1955) in die Siegerliste ein. Ferner waren auch die Hegi-Rennen 1980-2003 und das Motocross am Iberg-Hang von 1959 bis 1974 beliebte Anlässe gewesen.
Den ersten sportlichen Erfolg gab es 1892, als Georg Chatel auf der Rennbahn Hardau in Zürich Schweizermeister in der Verfolgung über 6 km wurde. 1906 gewann der Veloclub Winterthur die nationale Mannschaftsmeisterschaft über 50 km von Oberwinterthur nach Romanshorn in der Zeit von 1:27:38 Stunden. 1908 und 1936 errang man diese Titel erneut. In den 1930er-Jahren brillierte der einheimische Albert Büchi. Er gewann unter anderem das Kriterium Winterthur und eine Etappe an der Tour de Suisse (1935), 1930 war er Schweizer Amateurmeister. In der zweiten Hälfte des 20. Jhdt. tauchten immer mehr RVW-Velorennfahrer in den vorderen Rängen der Klassemente auf. Zu nennen sind René Rutschmann, Walter Villiger, Richard Trinkler, Hansjörg Aemisegger. 1992 wird Peter Steiger Weltmeister bei den Profi Stehern in Valencia.
Der Radball war und ist eine Spitzendisziplin des RVW. Erstmals erwähnt werden die Radballer in der Chronik 1910, als die aufblühende Sportart ins Sportprogramm aufgenommen wurde. Nebst dem Zweier-Radball wird auch Rasenradball (6 Spieler pro Team) gespielt. Die ersten Schweizer Meisterschaftsmedaillen errangen 1927 in der Kategorie A Kunz und Borsani (2. Rang) und die Rasenradballer (3. Rang). Ein Jahr später wurden Kunz/Borsani dann Schweizermeister. 1933 wurden die Winterthurer Rasenradballer in Paris Weltmeister. Die vier RVW-Spieler Mächler/De Zordi/Breitenmoser/Flachsmann gewannen in den Jahren 1933-1949 16 Schweizermeisterschaftsmedaillen in der höchsten Spielklasse. 1950 werden die Winterthurer Radballer Osterwalder/Breitenmoser Weltmeister. Sie verteidigen diesen Titel dreimal. Die Erfolgsserie ging mit Breitenmoser/Flachsmann (WM-Titel 1954) und 1956 nochmals mit Osterwalder/Breitenmoser (WM-Titel 1956) weiter. Später folgten Hauri/Jiricek (1999) und Looser/Jiricek (2002) mit Radball-WM-Titeln. Die Radballer des ATB Winterthur und des RV Stadt Winterthur (RVW) haben sich per 1. September 2012 im Radballclub Winterthur zusammengeschlossen. Während sich die beiden Vereine in früheren Jahrzehnten nicht so nahe gestanden sind, wurde die Zusammenarbeit immer stärker. Schliesslich gipfelte sie in der gemeinsamen Durchführung der Hallenradsport-WM 2007 in der Eulachhalle. Gemeinsame Trainings und auch Spielertransfers zum „Stadtrivalen“ wurden fortan ohne Nebengeräusche vollzogen. Dabei war dies alles andere als selbstverständlich, denn die Vereinskulturen konnten unterschiedlicher nicht sein. Während der RVW mit ihrem Fanionteam Waldispühl/Jiricek den Fokus auf den Spitzensport legte, standen beim ATB der Breitensport, die Nachwuchsförderung und das Vereinsleben klar im Vordergrund. Nun wurden diese Komponenten vereint und die Teams spielen neu unter dem neuen Vereinsnamen „Radballclub Winterthur“.
Der aktive RVW hat 2007 anlässlich seines Jubiläums 125 Jahr Radfahrer Verein Stadt Winterthur eine reichhaltige Jubiläumsschrift herausgegeben. Dieser Text hier im Winterthur-Glossar gibt ein paar wenige aber wichtige Einzelheiten aus dem 90-seitigen Bericht wieder und kann aus der grossen Vielfalt von bemerkenswerter Ereignissen keine Vollständigkeit erreichen. Der RVW zählt Ende 2007 324 Mitglieder, davon 302 Männer und 22 Frauen, dazu kommen noch 26 Ehrenmitglieder und 159 Freimitglieder. In den Ressorts Tourenfahrer, Rennsport/Biker und Hallenradsport sind 84 Mitglieder aktiv.