Südlicher Siedlungsteil
Winterthur verzeichnete im Jahre 1939 eine Bevölkerungszunahme von 1112 Personen; auch im Jahre 1940 vermehrte sich die Einwohnerzahl durch Zuwanderung um 455 Leute. Wohnraum war stark gefragt. Die Stadt Winterthur wollte sich nicht direkt darum kümmern. Sie unterstützte aber private Initiativen. Es entstanden anfangs der 1940er-Jahre diverse Projekte in denen die Selbstversorgung der Bewohner im Vordergrund stand. 40 Prozent der Hochbaukosten wurden durch Bund, Kanton und Gemeinde übernommen. So entstanden auch am Ostrand der Stadt in Oberwinterthur verschiedene Siedlungen. Diejenige im südlichen Teil am Anfang der Pfaffenwiesenstrasse (vor der Einmündung in die Frauenfelderstrasse) wurde 1943 durch die von der Firma Sulzer getragene „Gesellschaft zur Erstellung billiger Wohnhäuser in Winterthur (GebW)“, auch die „Billige“ genannt, erstellt.
Diese damals neue Siedlung bestand und besteht noch heute aus 46 genormten Doppeleinfamilienhäusern und wurde gebaut für „minderbemittelte, solide Arbeiterfamilien“ mit mindestens zwei Kindern. Nach den Häusern an der Schoorenstrasse (16 Doppel-EFH) folgten in der zweiten Etappe 32 Häuser an der Pfaffenwiesenstrasse. Eine dritte Etappe mit 14 Bauten wurde unmittelbar angehängt. Dabei engagierten sich zusätzlich die Unternehmen Schmirgelscheibenfabrik (heute WST Winterthurer Schleiftechnik) und Jakob Jäggli & Cie. Die Häuser waren zweigeschossige Massivbauten. Dass der Zement in den Kriegsjahren rar war, stellt man heute noch fest, sofern man noch Mauern findet, die in der Zwischenzeit nicht saniert oder ersetzt wurden. Die Einfamilienhäuser sind im First getrennt. Beide Haustypen gross und klein sind eigenständige, symmetrische Häuser mit je einem separaten Eingang.
Jeder Hausteil verfügte anfangs über einen bis hin zum Guckloch einheitlichen, seitlich angebauten Holzschopf. Der angrenzende Pflanzplätz von rund 1400 Quadratmetern ermöglichte jeder Familie weitgehend ein Selbstversorgerleben. Der Innenausbau der Häuser war karg und genormt wie auch die Fassade. Neben der Küche mit elektrischem Herd lag die Waschküche mit Holzherd, Waschtrog und frei stehender Badewanne. Boiler oder Kühlschrank waren Zukunftsmusik. Im Schopf stand ein Trichterklosett mit Grube; die Wasserspülung hielt erst 1954 mit der Einführung der Schwemmkanalisation in der «Pfaffi», wie das Quartier von den Bewohnern seit jeher liebevoll genannt wird, Einzug. Das Schöpfli, damals war eine Garage noch nicht gefragt, bot Raum für mannigfaltige Bedürfnisse. Im Herbst 1944 waren die vom Architekten Hans Ninck-Schindler erstellten Häuser von 46 Familien mit 163 Kindern unter 18 Jahren bewohnt.
Das in den 1940er-Jahren strenge Regime sah vor, dass nach einer zweijährigen Bewährungsfrist, die Chance bestand, das Haus zu erwerben. Ein Prüfungskriterium war dabei auch, ob die Hausfrau etwas vom Gartenbau und von Kleintieren versteht. Die Belastung inklusive fixer Abgaben, Unterhalt und Amortisation kam einem tauglichen «Siedler» jährlich auf 840 Franken zu stehen. Wohnten zu den Anfangszeiten Familien mit bis zu 12 Kindern in den dafür doch eher kleinen Häusern, änderte sich dies mit der Zeit stark. So wurden dann auch die grossen Gärten zur Belastung und die „Püntensiedlung“ wurde umstrukturiert. In der zweiten Bautiefe erstellte man sukzessive neue meistens Einfamilienhäuser (Eiben-, Arven- und Rösliweg).
Auch die traditionellen Häuser wurden in den letzten Jahrzehnten von neuen und alten Besitzern stark umgebaut oder sogar neu erstellt. Nur ganz wenige erinnern heute an den ursprünglichen Zustand. Der Wohnkomfort wie auch die Lage ist jedoch nach wie vor beliebt und gefragt. Mit der S-Bahnstation Wallrüti steht dem Quartier eine direkte Verbindung nach Zürich (30 Minuten bis Zürich HB) und Stein am Rhein (35 Minuten Fahrzeit) zur Verfügung. Auch Busstationen sind zu Fuss schnell erreichbar. An der Schoorenstrasse waren bereits 1941 acht identische Doppeleinfamilienhäuser gebaut worden. Der gleiche Siedlungstyp ist auch an der Rotenbrunnenstrasse in Winterthur-Seen und in Bülach erstellt worden.