Siedlungen
Siedlung Stadtrain
Mit der Siedlung Stadtrain an der Frauenfelderstrasse in Oberwinterthur, dem dritten grossen Siedlungsunternehmen nach den Arbeiten mit Hans Bernoulli und Franz Scheibler, demonstrierte ab 1928 Adolf Kellermüller seine Auffassung vom Neuen Bauen. Zweifellos ist die Modernität der Architektur dieser Siedlung auch auf die Mitarbeit von Hans Hofmann zurückzuführen.
1938: Siedlung Stadtrain, Blick westwärts über Frauenfelderstrasse bis Rychenbergstrasse, Luftbild
Foto: winbib (Signatur 064654)
Die Heimstättengenossenschaft Winterthur (HGW) gab den Auftrag im Stadtrain-Quartier von Oberwinterthur eine neue Wohnsiedlung zu erstellen. Ziel war es preisgünstige Unterkünfte in einer ordentlichen Architektur zu erstellen. Kellermüller lies sich von seinen Kenntnissen und Erfahrungen in Ostpreussen leiten. Dort war das Vierfach- oder Kreuzreihenhaus eine verbreitete Wohnform zur Unterbringung von Landarbeitern. Nach langer Vorbereitungszeit begann im Herbst 1928 das Unterfangen mit 18 Kreuzreiheneinfamilienhäusern. Eigentlich wollte man die gesamte Überbauung in einem Zuge zu erstellen. Diese Vorteile der Wirtschaftlichkeit konnten dann aber leider nicht genutzt werden. Die Krise in den Dreissiger-Jahren machte sie zu Nichte. So wurde die Siedlungserstellung etappiert und erst 1943 beendet.
Die ganze Siedlung besteht aus der viergeschossigen nördlichen Randbebauung mit 100 Ein-, Drei- und Vier-Zimmerwohnungen und im zweigeschossigen südlichen Teil. 124 Vier-Zimmer-Wohnungen in Kreuzreihenhäusern. Vier 5-Zimmerwohnungen in zusammengebauten Einfamilienhäusern, dreizehn Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen im Laubenganghaus (Spitzweg) und 36 Drei-Zimmer-Wohnungen in zusammengebauten Mehrfamilienhäusern. Die Mehrfamilienhäuser im Norden des Areals bilden eine Abschlussmauer gegen die viel befahrene Frauenfelderstrasse. Dort sind auch Ladengeschäfte eingebaut. Kellermüller hat vom Lageplan über die Wahl der Bautypen bis zur Detailausbildung alle Postulate des einfachen und zweckmässigen Wohnungsbaues in ein bestechend klar aufgebautes Programm umgesetzt.
Neu waren die Kreuzreihenhäuser. Dieser Haustyp ist nicht nur seitlich, sondern auch rückwärts aneinander gebaut. Die Blockeinheiten umfassen 18 Wohneinheiten, Ost-west orientiert. Beidseitig ist ein Garten vorgelagert, dazwischen liegt die Erschliessungsstrasse. Die durch diese Anordnung der Wohneinheiten entstehenden Belüftungs- und Belichtungsprobleme mussten durch Flachdach-Konstruktion gelöst werden. Durch ein doppeltes Oberlicht wurden WC und Korridor im Obergeschoss durch das Dach belichtet und entlüftet. Im Volksmund wird das Quartier wegen den Strassennamen Quitten-, Kirschen-, Pfirsich-, Aprikosen-, Birnen- und Apfelweg das „Birchermüesli-Quartier genannt“.
Kellermüller setzte mit dieser Überbauung neue Massstäbe für das „Neue Bauen“. Dieses Schlagwort duldete er aber nicht. Er bevorzugte den Begriff „Bauen der neuen Sachlichkeit“. Der westliche Teil wurde später an die Bewohner verkauft, der südliche Teil und alle Wohnblöcke blieben im Besitz und Verwaltung der HGW. Da dann im 21. Jhdt. der Zahn der Zeit an den Häusern genagt hatte und auch der Komfort nicht mehr so ganz den Ansprüchen der Bewohner entsprach, entstanden Pläne für Neugestaltungen. Die Instanzen der Baubehörden, der Denkmalschützern und der Besitzer konnten sich schliesslich auf eine Umbaulösung, die aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist, einigen. 2008 und 2009 werden die Häuser saniert und auf Kosten der Gärten erweitert. Das Projekt und die erste Umbauphase ist in der Galerie mit Bildern dokumentiert.
Gasexplosion im „Birchermüesli-Quartier“
So lautete die Schlagzeile in der damaligen Presse. Am 5. Dezember 1991 fand im Haus am Kirschenweg 6 eine Explosion statt. Das Haus war eingestürzt und drei Häuser auf der gegenüberliegenden Seite waren abbruchreif. Der genaue Hergang konnte nicht mehr eruiert werden. Der Geruch von Gas deutete aber darauf hin, dass bei Installationsarbeiten an den Gasleitungen die Ursache zu suchen war. Zwei Menschen, eine Bewohnerin des Hauses und ein Monteur der Stadtwerke kamen ums Leben, andere wurden, teils schwer, verletzt. Die Bewohner mussten evakuiert werden. Alle betroffenen Gebäude wurden wieder instand gestellt.