Musik und Theater
Sommertheater
1865–2022
Eine Winterthurer Tradition ist das Sommertheater. Seit über 130 Jahren finden die Vorstellungen unter Kastanienbäumen statt. Bei Regenwetter bietet ein grosses Segeldach Schutz. Seit 1982 steht es unter der Leitung von Hans Heinrich Rüegg. Das Sommertheater zieht pro Saison (Juni bis Mitte September) zwischen 18'000 und 19'000 Zuschauerinnen und Zuschauer an. Es bietet Boulevard-Theater der gehobenen Klasse.
Adresse
Sommer Theater Winterthur
Stadthausstr. 8a
8400 Winterthur
um 1920: Stadthausstrasse, Theater-Garten
Foto: winbib, Urheberschaft unbekannt (Signatur Stadthausstrasse_48_47)
Seit 1865 wird in Winterthur im Sommer Theater gespielt. Vorerst war es aber nicht der Straussgarten, sondern einfach im Freien „Unter dem Apfelbaum“ gegenüber dem heutigen Casino. Es waren verschiedenen Wandertheater-Gruppen, die hier jeweils Halt machten. Unter den Kastanienbäumen beim „Café Strauss“ begann das Theaterleben dann 1881. Direktor Carl Heuberger hatte diesen unternehmerischen Mut. 1884 übernahm, aber nur für ein Jahr, Direktor Schrutz die Verantwortung. Dann folgte eine theaterlose Zeit bis im Sommer 1890. Theaterdirektor Möller aus Biel leitete in diesem Sommer die Zeit ein, in der bis heute jedes Jahr das Sommertheater im Strauss stattfand. Möller zog 1893 an den „Pfauen“ (Schauspielhaus Zürich) und übergab in Winterthur das Zepter ab 1893 bis 1928 an Eugen Schmitt-Hesselbach.
Dieser engagierte Theatermann führt das Sommertheater 35 Jahre lang sehr erfolgreich und ging unter dem Spitznamen „Papa Schmitt in die Winterthurer Theatergeschichte ein. Er bewährte sich aber auch als Darsteller verschiedenster komödiantischer Rollen. 1928 starb Schmitt. Theo Schmidt-Porten übernahm die Direktion von 1929 bis 1933, in deren Aufgabe er zuvor vom Verstorbenen bereits eingeführt worden war. Dem Sommertheater erwuchs damals starke Konkurrenz. Im Platten-Garten an der Bachtelstrasse 25 in Veltheim gastierte jeweils die Operettenbühne Krasensky. Als Schmidt 1933 unerwartet starb, wusste man nicht mehr wie es weitergehen sollte. Doch die Konkurrenz wurde zum Retter. Die Witwe des Plattendirektors, Gisa Krasensky, übernahm das Sommertheater und überliess die „Platte" der Witwe Schmidts, Mando Bergmann. Markus Breitner, der seit 1932 am Sommertheater engagiert war, übernahm 1935 die Sommertheater-Direktion. Damit hatte sich das Sommertheaterleben in Winterthur wieder beruhigt und mit Breitner war die Existenz des Theater unter Kastanienbäumen gesichert. Denn Breitner übernahm das Theater mit Mut und Tatkraft, um ihm wieder den alten Schwung zu verleihen. Trotz der schwierigen Vor- und Kriegszeit gelang es Breitner das Niveau wieder zu steigern und junge Theaterleute, die später in der Schweizer Theaterwelt gute Namen besassen wie Voli Geiler, Walter Morath, Elsi Attenhofer und Stephanie Glaser verdienten sich die ersten Sporen ab.
Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): 100-Jahr-Jubiläum Sommertheater, Sendung Antenne vom 11.06.1965.
Das Lustspiel, der Schwank und die Boulevard-Komödie waren immer das bevorzugte Programm, das auf der Straussbühne zur Aufführung kam. Aber auch das ernste Schauspiel wurde vor allem in den früheren Jahren -2. Hälfte 20. Jhdt.- gepflegt. So stehen unter anderen auch die Namen von Lessing, Molière, Shakespeare, Shaw, Frisch und Dürrenmatt im Autorenverzeichnis aller aufgeführten Stücke des Sommertheaters. Bis 1952 führte Breitner das Sommertheater ohne jede Subvention. Der Betrieb war in starkem Masse von der Witterung abhängig. Zwar konnte die Vorstellung bei schlechtem Wetter in den Saal verlegt werden, aber die Besucherzahl litt darunter sehr stark. So waren die finanziellen Ergebnisse schwankend. Jahrelang deckt Direktor Breiter die Defizite selbst. Seit der Spielsaison 1952 gewährte die Stadt Winterthur eine Ausfallgarantie von damals Fr. 4000.-. In der damaligen Begründung im Antrag des Stadtrates an den Gemeinderat hiess es: "Nachdem sich feststellen lässt, dass mit dem Sommertheater eine echte kulturelle Aufgabe erfüllt wird und unsere Bevölkerung auf seine Aufführungen im Straussgarten nicht mehr verzichten möchte, nachdem auch anerkannt werden muss, dass Markus Breiter namentlich jungen Schauspielern, die während dem Sommer über kein anderweitiges Einkommen verfügen, hier ein willkommenes Tätigkeitsfeld schafft, glaubt der Stadtrat sich verpflichtet, dem Grossen Gemeinderat Antrag auf eine finanzielle Hilfe an dieses Theaterunternehmen stellen zu müssen".
Der Theaterraum und die Bühne waren auch Sorgenkinder. Stetig aber langsam wurden Verbesserungen vorgenommen. Ein Brand 1973, der das Bühnenhaus zerstörte, ermöglichte im Nachgang einen etwas schnelleren Schritt für Erneuerungen. In all diesen zum Teil auch schwierigen Jahren war Jakob Guggi (Guggenheim) ein treuer Begleiter von Markus Breitner und dem Sommertheater. 1947 als Schauspieler nach Winterthur gekommen entwickelte er sich als Mann für alle Fälle. Vorverkauf und Reklame waren seine ersten beiden Ressorts. Aber bald war er der Administrator schlechthin, der alles im Griff hatte. Er verstarb als legendäre Sommertheater-Persönlichkeit 1977 und hinterliess ein grosse Lücke. Seit 1971 gehörte dann Hans Heinrich Rüegg fest zum Ensemble des Sommertheaters. Auch er kam als Schauspieler nach Winterthur und wuchs langsam in das Amt des Verwaltungschef hinein. 1981 wurde er als Nachfolger von Breitner neuer Direktor. Rüegg leitet diesen reizvolle Musentempel nun ebenfalls seit Jahren sehr sorgfältig mit viel Idealismus und Liebe.
Als Grundlage dieses Textes diente das Buch „Ein Mann und sein Theater“, das Hans Heinrich Rüegg 1981 herausgegeben hat.