Grosskonzerne
Sulzer Oberwinterthur
Während knapp hundert Jahren (1907-2001) nutzte die Maschinenfabrik Sulzer das riesige Areal zwischen Talacker und Hegi für ihre vielfältigen Produktionszweige, nach dem ihr Stammgebiet zwischen Altstadt und Töss zu klein geworden war. Das Areal wurde mit der Redimensionierung und dem Ausverkauf des Unternehmens geöffnet und wieder für die vielseitigste Nutzung zur Verfügung gestellt.
1959: Sulzer Oberwinterthur, Grossbearbeitungshalle, Aussenansicht
Foto: winbib, Michael Speich (Signatur FotSpeich_007-218)
Aufgrund der eingeschränkten Platzverhältnisse im Tössfeld und im Neuwiesengebiet gründete Sulzer 1907 in Oberwinterthur ein Zweigwerk. Der Ursprung des Werkes lag südlich der Mittleren Mühle (ab 1919 Lehrlingsheim) beim Geleiseanschluss in Oberwinterthur. Mit der einfachen Werkstatt für die Herstellung von Heizungsradiatoren und der Brikettierungsanlage mit Lokomotivschuppen entstanden vorerst einfach Bauten und Schuppen. Kurz nach dem ersten Weltkrieg entstanden dann eine kleinere Fabrikanlage mit Kesselhaus, Lagerflächen und weiteren Betriebsanlagen, die dann im Laufe der Zeit durch verschiedene Neubauten fortlaufend vergrössert wurden. Fabrikationshallen für die Rohrwerkstätten, den Turbomaschinen-, Kleindiesel- und Kompressorenbau entstanden. Mit den zunehmenden Bedürfnissen von Sulzer erfolgte dann auch die Bebauung des Bereiches östlich der damals noch ebenerdigen Seenerstrasse. Als erstes Gebäude entstand 1944 in der nordwestlichen Ecke, an der Eulach, ein L-förmiges Gebäude als Textilmaschinen-Entwicklungszentrum und Probeweberei.
In dieser Zeit entstanden auch Wohnbauten: 1947 das "Villagio" (Barackenhäuser) als Unterkunft für Gastarbeiter, und von 1948-1951 Reiheneinfamilien- und Mehrfamilienhäuser an der Grubenstrasse. 1956 begann der Bau der grossen Giessereihalle. Auf einem Grundriss von 219x148 m wurde eine vollständige Giesserei errichtet, die jährlich 18'000 t Grauguss und 6'000 t Stahlguss erzeugen konnte. Motorblocks für Schiffsmotoren, Turbinenräder für Kraftwerke, Pumpenteile oder Lokomotivräder sind die vorrangigen Gussprodukte. 1958 wurden die 32'000 Quadratmeter grossen Hallen in Betrieb genommen. Der erste Guss fand am 14. Juli statt. 1955 wurde das Wohlfahrtshaus (Personalrestaurant) erstellt. 1961 arbeiteten in der Giesserei (Giesserei Bülach miteingeschlossen) 2300 Personen.
Im gleichen Jahr wurde die Seenerstrasse tiefer gelegt, sodass der riesige Industriepark mit den Brücken zu einem Areal zusammenfand. 1963 entstand an der Hegifeldstr. 76 das grosse Unterkunftsgebäude für Gastarbeiter. Anfang der 1990er-Jahre stagnierte der Absatz für Mittel- und Grossguss und im Frühjahr 1992 wurde die Schliessung der Giesserei bekanntgegeben. Am 26. Mai 1993 wurde im Beisein von Gästen und Medienvertreter als letzter Guss ein 56 Tonnen schwerer Dieselmotorblock gegossen. Bereits 1986 wurde der Stahlguss eingestellt. Damit ging eine Tradition zu Ende, die bis auf das Gründungsjahr 1834 von Sulzer zurückreicht. Damit verlor die Schweiz die letzte Industriegrossgiesserei. Was nun mit dieser riesigen Halle? Ein Projekt der Stadt Winterthur für den Ausbau der Halle zu einem multifunktionalen Sport- und Veranstaltungszentrum kam nicht zustande, weil die Stadt nur eine Teilfläche hätte nutzen können und verbindliche Zusagen von Investoren ausblieben.
In den weiteren Jahren verlotterte die Halle zusehends. Zum erbärmlichen Anblick, den das Objekt schlussendlich bot, haben auch Aktivitäten von Vandalen beigetragen, die zahlreiche Fensterscheiben einschlugen und das Gebäude versprayten. Für eine andere oder neue Nutzung kam erschwerend dazu, dass das Areal umfangreiche Altlasten umfasst. Diese Sanierung verursacht beträchtliche Kosten. Während der Rezession der 1990er-Jahre lösten sich Hoch und Tiefs ab. Realisiert worden sind noch das Sulzer Chemtech-Zentrum sowie ein Technologiezentrum für New Sulzer Diesel. 1996 eröffnete Sulzer Medica das europäische Zentrum für die Entwicklung und Produktion von künstlichen Gelenken.
Beschäftigte die Sulzer AG in der Schweiz einst 13000 Personen, sind es nach der Jahrhundertwende noch etwa 900. In noch vier Divisionen sind sie tätig: Pumpen, Oberflächentechnologien, Chemietechnik sowie Reparatur und Unterhalt von Turbomaschinen. 2004 wurde das Areal wieder öffentlich. Die Pförtnerschranken wurden abgebaut und die Verbindungsstrassen zur Seenerstrasse abgesenkt. Grosse und kleinere Unternehmen siedelten in das Industriegebiet ein. Verschiedenst Projekte scheiterten (Paketpostzentrum Ost, Altreifen-Recycling-Anlage, Sport- und Eissportzentrum, Obi/Migros-Baufachmarkt). Im Oktober 2000 wurde für dieses Gebiet eine neue Bau- und Zonenordnung erlassen. Mit dem neuen Überbauungskonzept, dass zwischen Sulzer und der Stadt ausgehandelt wurde, wird möglich, das Land für Industriebauten, Wohnraum für 450 bis 500 zwei- und dreigeschossige Wohnbauten sowie eine grosse Grünfläche, der Eulachpark zu nutzen. Somit wird mit dem 21. Jhdt. ein neues Kapitel in der Geschichte des Industrieparks Oberwinterthur aufgeschlagen.