Industrie- und Gewerbeanlagen

Unterwerk Töss (NOK)

Zürcherstrasse 284/Auwiesenstrasse 47

Zwischen 1925 und 1926 entstand in Winterthur-Töss im Auftrag der Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) das grösste Unterwerk (Umspannwerk) im Kanton Zürich. Trotz ihrer architekturhistorischen Bedeutung erfolgte 1989 der Abriss der historischen Hallenkonstruktion. Erhalten blieb die Freiluftschaltanlage aus dem Jahr 1979.


Baujahr
1910/1925-1926

Neubau
1979


Adresse
Umspannwerk Winterthur-Töss
Auwiesenstrasse 47
8406 Winterthur

1910 baute die NOK das Unterwerk Töss I an der Zürcherstrasse 284. Es ersetzte die provisorische Schaltzentrale, die 1908 auf dem Hündler im Dättnau erstellt wurde.
Foto: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv (Signatur Ans_05144-02-105-AL-FL)

Das Land braucht Strom

Mit der zunehmenden Industrialisierung stieg der Strombedarf im Kanton Zürich stark an. Zwischen 1906 und 1908 errichtete die Motor AG aus Baden in der Gemeinde Töss auf dem Hündler im Dättnau ein provisorisches Unterwerk (auch Unterzentrale oder Umspannwerk genannt). Die Schaltzentrale verband die rund 100 Kilometer lange 27-Kilovolt-Leitung zwischen den beiden Kraftwerken Beznau im Kanton Aargau und Löntsch im Kanton Glarus. Daraus entstand 1908 mit der Gründung der Kraftwerke Beznau-Löntsch AG der erste Kraftwerksverbund der Schweiz. 1910 baute die AG das Unterwerk «Töss I» an der Zürcherstrasse 284. Dieses verfügte neben der Schaltzentrale auch über einen Wohnanbau.

Unterwerke übernehmen zentrale Aufgaben innerhalb der Stromversorgung. Einerseits verteilt das Unterwerk den über verschiedene Kraftwerke produzierten Strom ins Gesamtnetz, andererseits erfolgt dort die Transformation von Hochspannungsstrom in die von Haushalten und der Industrie benötigten niedrigeren Spannungen. Zusätzlich überwachen die Unterwerke den Stromfluss und stellen über Notfallsysteme die Netzstabilität sicher.

1914 übernahmen die Kantone Aargau, Glarus, Zürich, Thurgau, Schaffhausen und Zug die beiden Kraftwerke und gründeten die Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK).

Das grösste Unterwerk im Kanton Zürich

Zwischen 1915 und 1920 bauten die Elektrizitätswerke des Kantons (EKZ) und die NOK gemeinsam das Kraftwerk Rheinsfelden-Eglisau. Zu dieser Zeit entschloss sich die NOK, den Standort Töss als zentralen Knotenpunkt für das Stromnetz der Region auszubauen. Anfang der 1920er Jahre plante die NOK den Neubau des Unterwerks, um den stark wachsenden Strombedarf zu decken. Weil die Zeit drängte, errichtete die NOK 1924 bereits ein Holzprovisorium.

Zwischen 1925 und 1926 erfolgte der Bau des Unterwerks «Töss II», einer der grössten und technisch fortschrittlichsten Anlagen ihrer Zeit. Das Unterwerk war für 135- und 150-kV-Leitungen ausgelegt und wies eine damals in der Schweiz für Kraftwerke einzigartige Hallenarchitektur aus Eisen und Glas auf. Bereits 1949 nahm Max Bill das Gebäude in sein Mappenwerk «Moderne Schweizer Architektur» als herausragendes Beispiel für das moderne Bauen in der Schweiz auf. Diese besondere Bauweise ermöglichte eine spätere Erweiterung der Anlage, was in den Jahren 1929, 1938 und schliesslich 1960 auch umgesetzt wurde. Durch die Erweiterungen erreichte die Anlage in den 1960er-Jahren eine Gesamtlänge von rund 168 Metern, was ein Vielfaches des ursprünglichen Bauvolumens war.

Das Unterwerk Töss war lange Zeit die grösste Anlage ihrer Art im Kanton Zürich. Bis 1968 versorgte es die gesamte Region Winterthur mit Strom. Diese Abhängigkeit von nur einem Standort wurde der Stadt Winterthur schmerzlich bewusst, als es 1966 zu einem Zwischenfall kam und die ganze Region auf einen Schlag für 45 Minuten ohne Strom war.

Das Ereignis befeuerte die bereits heftig geführte politische Debatte rund um den zunehmenden Strombedarf in der Stadt. Die Lösung stellte der Anschluss an das internationale Hochspannungsnetz mit dem Bau des Unterwerks «Riet» in der Gemeinde Neftenbach durch das Elektrizitätswerk der Stadt Winterthur dar.

Ein verlorenes Baudenkmal

1979 errichtete die NOK für rund 24 Millionen Franken das Unterwerk «Töss III». Der Neubau war nötig, weil die alten 150-kV-Leitungen den stetig wachsenden Strombedarf langfristig nicht mehr decken konnten. Zudem hatte sich in der Schweiz mittlerweile 220 kV als Norm durchgesetzt. Es handelte sich um das letzte Unterwerk im gesamten Stromnetz der NOK, das auf 220 kV umgestellt wurde.

Mit dem Bau des neuen Unterwerks auf der gegenüberliegenden Seite der Autobahn, wurden die alten Hallen obsolet. Sie dienten nur noch als Lager für die NOK und das Technorama. 1987 stellte die NOK ein Abbruchgesuch. Die Stadt Winterthur verzichtete daraufhin auf eine kommunale Unterschutzstellung, da sie keine Umnutzungsmöglichkeit sah. Die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich kam zu einem anderen Schluss und erwirkte eine vorsorgliche Unterschutzstellung. 

Die kantonale Denkmalpflege liess eine Umnutzungsstudie anfertigen, die dem Gelände eine vielfältige Verwendbarkeit attestierte. Die Denkmalpflege würdigte die Hallenanlage als ein schweizweit bedeutendes Monument des «Neuen Bauens». Dennoch lehnte der Zürcher Regierungsrat, bei dem damals drei von sieben Mitgliedern gleichzeitig im Verwaltungsrat der NOK sassen, die Aufnahme ins überkommunale Schutzinventar ab. Damit war der Weg für den Abbruch frei, der 1989 vollzogen wurde. Ursprünglich bestand die Idee einen Teil der Halle abzumontieren und im Park des Technoramas als «Haus der Energie» wieder aufzubauen, doch dieser Plan konnte nie realisiert werden. Bis etwa 2006 blieb das Gelände eine Industriefläche, ehe der Coop Bau und Hobby (später JUMBO) eröffnete. Im Jahr 2008 erinnerte die kantonale Denkmalpflege anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens mit einer eigenen Website an all jene Baudenkmäler, für die sie sich erfolglos eingesetzt hatte, darunter auch das Unterwerk «Töss II».

Testzentrum für Wärmewasserpumpen

Die 1979 errichtete Freiluftschaltanlage (Unterwerk Töss III) ist bis heute in seiner Bausubstanz erhalten und befindet sich direkt bei der Autobahnausfahrt. Ende 1992 richteten die NOK (später axpo) und die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) auf dem Gelände für 2 Millionen Franken ein grosses Wärmepumpentest- und Ausbildungszentrum (WPZ) ein. Diese neue Einrichtung stand ganz im Zeichen des Aktionsprogramms «Energie 2000», mit dem die Energiewende herbeigeführt werden sollte. Der Standort Töss entwickelte sich zu einem wichtigen Baustein der damaligen eidgenössischen Förderung von Wärmepumpen, die ein bedeutendes Betätigungsfeld für Elektrizitätswerke darstellten. Die in Töss entwickelten Prüfreglemente bildeten um 1998 die Grundlage für das internationale Wärmepumpen-Gütesiegel. 

Unterwerk - Umspannwerk - Verteilzentrale

Im Schweizer Sprachgebrauch werden die Begriffe «Unterwerk», «Umspannwerk», «Unterzentrale» sowie «Schalt- oder Verteilzentrale» oft synonym verwendet. Im übrigen deutschen Sprachraum bezieht sich der «Unterwerk» jedoch nur auf die Stromaufbereitung für die Bahninfrastruktur.


Benutzte und weiteführende Literatur

Handl, Karl Heinz. et.al.: Elemente der Förderung von Wärmepumpen, in: Bulletin des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins, S. 17–19.
C.K.B. Unterwerk «Töss II», in: Zürcher Denkmalpflege. 12. Bericht 1987 – 1990, S. 334 – 339.
H.Re: Ausbau der Winterthurer Elektrizitätsversorgung, in: Neue Zürcher Zeitung, 08.12.1971
u.p.: Winterthur

Bibliografie

    NOK-Unterwerk Töss, Zürcherstrasse 284

    • Einträge ab 2011

      Vom NOK-Unterwerk zum Fachmarkt. In: De Tössemer, Nr. 1, Jg. 57 (2014). S. 14-15.

      Einträge 1991–2010

      Abbruch: Zürcher Denkmalpflege, 12. Ber. 1987-1990, Zürich, 1997, S. 334 ff., m.Abb.
      In: Burg, Dominique von:Gebrüder Pfister : Architektur für Zürich 1907-1950. Sulgen ; Zürich 2000, m.Abb.m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
26.11.2024