Wirtschaft und Gastronomie

Vera Malagoli

Wirtin, 1905–1986

Vera Malagoli war so etwas wie ein Stadtoriginal und eine Winterthurer Persönlichkeit. Über 50 Jahre lang wirtete sie im Restaurant «Akazie» an der Stadthausstrasse 10 und machte es zu einem einzigartigen Lokal, wo vom Künstler bis zum Beamten sämtliche Kreise ein- und ausgingen. Stadtbekannt waren nicht nur ihre Spaghetti, sondern auch ihre Sammlung von Kupferkrügen und Petrollampen, die dem Restaurant seine unverwechselbare Atmosphäre gaben.


Geburtsort
Ravenna (I)

Geboren
15.11.1905

Gestorben
18.03.1986


Adresse
Restaurant Akazie
Stadthausstrasse 10
8400 WInterthur
Vera Malagoli in ihrer Akazie, 1978 Foto: winbib (Signatur: 031752)

Kindheit und Jugend

Vera Malagoli kam 1905 in der Nähe von Ravenna zur Welt und verbrachte dort ihre ersten Lebensjahre. 1914 entschlossen sich ihre Eltern, Luigi und Dorina Berti, aus wirtschaftlichen Gründen aus Italien auszuwandern, und kamen mit ihren beiden Töchtern nach Winterthur. Die Eltern Berti betrieben zunächst einen Früche- und Gemüsehandel, bis sie 1916 ins Gastgewerbe einstiegen und das Restaurant «Zum goldenen Adler» an der Steinberggasse 51 (heute Pizzeria Don Camillo) pachteten. Bereits nach einem Jahr zog die Familie jedoch weiter, ins Restaurant «Rigi» an der Metzggasse und vier Jahre später ins Restaurant «Harmonie» an der Zürcherstrasse 30. Vera und ihre Schwester Katharina sind mit dem Gastgewerbe gross geworden und halfen als junge Frauen im elterlichen Betrieb als «Serviertöchter» mit.

Junge Witwe

1924 heiratete Vera Berti Willy Moll, einen Monteur bei der Gebrüder Sulzer AG, und begleitete ihn auf Montage nach Ägypten. Das junge Glück währte jedoch nicht lange, 14 Tage vor der Geburt ihres ersten Sohnes starb Willy Moll an Typhus. Vera, erst 20-jährig und bereits verwitwet, kehrte mit ihrem Neugeborenen nach Winterthur zu ihren Eltern und ins Gastgewerbe zurück. 1928 kaufte Luigi Berti die Liegenschaft an der Stadthausstrasse 10 samt Restaurant «Akazie» als Existenzgrundlage für seine beiden Töchter. 1931 übernahm Vera die «Akazie» alleine und heiratete Luigi Malagoli, seines Zeichens ebenfalls Wirt und Vertreter einer Weinhandelsfirma.

Ein Leben für die «Akazie»

Das Restaurant Akazie wurde für Vera Malagoli zum Lebensinhalt und für die Winterthurerinnen und Winterthurer quer durch alle Schichten eine «Institution». Die Künstlergruppe Winterthur, die ihren Stamm schon in der «Harmonie» bei Veras Vater hatte, zog nach und traf sich fortan in der «Akazie». Aber auch Politiker und Beamte, Lehrlinge und Studenten, Arbeiter und Handwerker gingen an der Stadthausstrasse 10 gerne ein und aus. Nur die Pfeifenraucher hatten einen schweren Stand. «Bitte Pfeifenrauchen unterlassen – Danke» gebot ein Schild über dem Buffet. Vera Malagoli hatte es aufgehängt, weil sie der Pfeifenrauch reizte und der Rauch auch ihren unzähligen im Restaurant aufgestellten Kupferkrügen nicht so gut bekam. Vera Malagoli war eine leidenschaftliche Sammlerin und war täglich damit beschäftigt, ihre Kostbarkeiten zu polieren. Sie hatte es gern, wenn es funkelte und glänzte, «Sigolinhöhle» wurde ihr Restaurant daher auch genannt. Ebenso stadtbekannt wie die Einrichtung waren auch die Spaghetti in der «Akazie». Diese liess Vera Malagoli aus Italien kommen, und die Sauce kochte sie während Stunden. Das sei das ganze Geheimnis, sagte sie einst in einem Interview, und natürlich auch, wie die Sauce gewürzt wird, «mit Kräutchen, wissen Sie, und mit Gefühl».

Das Ende vom «Zeitalter der Vera Malagoli»

1974, nach über 40 Jahren in der «Akazie», entschloss sich Vera Malagoli, sich aus dem Gastgewerbe zurückzuziehen. Doch lange hielt es die damals schon fast 70-jährige ohne ihre geliebte «Akazie» nicht aus. 1976 kehrte sie zurück und führte ihr Lebenswerk bis zu einem Blutsturz am 8. September 1984 weiter. «Ein Zeitalter ist zu Ende gegangen», schrieb der Winterthurer Schriftsteller Heiner Gross kurz darauf in seiner Kolumne im Stadtanzeiger, «das Zeitalter der Vera Malagoli».


Benutzte und weiterführende Literatur

Malagoli, Vera: Wiedereröffnung Restaurant Akazie, Merkurstrasse 3. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 1 S.
Widmer, Urs: Taverne zur Akazie. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke, Häuser und Villen St-Z. 12 S
Willkommen in der neuen Akazie, in: Der Landbote 1981/111

Bibliografie

    Akazie, Restaurant

    • Einträge ab 2011

      Malagoli, Vera: Wiedereröffnung Restaurant Akazie, Merkurstrasse 3. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 1 S.
      Widmer, Urs: Taverne zur Akazie. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke, Häuser und Villen St-Z. 12 S

      Einträge 1991–2010

      Gigi's: Landbote 1992/121.
      Neue Leitung: Landbote 1997/233.
      Salz & Pfeffer 2003/7 m.Abb.
      Tages-Anzeiger 2004/49


Autor/In:
Regula Geiser
Letzte
Bearbeitung:
15.03.2022