Kunst und Kultur

Warja Lavater

Grafikerin, Illustratorin, 1913–2007

Warja Lavater war eine Schweizer Malerin, Grafikerin und Zeichnerin. In den 1930er Jahren wurde sie mit Logos für die Schweizerische Landesausstellung 1939 und den Schweizerischen Bankvereins (heute UBS) bekannt. International war sie mit Künstlerbüchern und Leporellos erfolgreich, die klassische Märchen neu darstellen und in New York und Paris herausgegeben wurden. Lavater war äusserst vielseitig tätig und schuf u.a. Wandkeramiken, Wandbilder, Gedichtbände, Papierkunst und Kurzfilme.


Sterbeort
Zürich

Geburtsort
Winterthur

Geboren
29.09.1913

Gestorben
03.05.2007


Kindheit im Ausland, Ausbildung in Winterthur und Zürich

Warja (Barbara Esther) Lavater kam 1913 als Tochter der Schriftstellerin Mary Lavater-Sloman (1891–1980) und deren Ehemann, des Ingenieurs Emil Lavater (1882–1962) zur Welt. Ihr Vater arbeitete ab 1913 zunächst im Ausland für die Firma Sulzer. Warja verbrachte deshalb ihre ersten vier Lebensjahre mit ihren Eltern in Moskau, wo 1915 ihr Bruder Hans zur Welt kam. Der Name «Warja» ist eine russische Koseform für «Barbara» und stammt von ihrem Kindermädchen. Nach den Revolutionen von 1917 musste die Familie aus Russland ausreisen. Nach Aufenthalten in Hamburg und Winterthur lebten sie von 1919–1921 in Athen, bevor sie sich 1922 wieder in Winterthur niederliessen, wo Emil Lavater bis zur Pensionierung zum Direktor und Personalchef bei Sulzer aufstieg.

Zurück in der Schweiz hatte Warja wegen ihrer geringen Vorkenntnisse Schwierigkeiten in den Fächern Mathematik und Schreiben. Trotzdem besuchte sie das Gymnasium, das sie jedoch vor dem Abschluss verliess, weil sie 1931 die Aufnahmeprüfung an die Kunstgewerbeschule Zürich schaffte. Von 1932 bis 1935 studierte sie in der Grafikklasse von Erich Keller.

Arbeit als Grafikerin und Heirat mit Gottfried Honegger

Nach dem Diplom arbeitete Lavater als Grafikerin bei Herrmann Eidenbenz, was sie unter anderem an die Weltausstellung nach Paris führte, wo sie zudem einen Kurs als Modezeichnerin machte. Zurück in Basel wurde sie von ihrem späteren Ehemann Gottfried Honegger kontaktiert, der nach einem Partner für sein Grafikatelier in Zürich suchte. Eidenbenz empfahl ihm Lavater und die beiden gründeten das Atelier «Honegger und Lavater». Das Atelier übernahm immer grössere Werbeaufträge für Schweizer Firmen. Bekannt wurden sie durch Lavaters Gestaltung der Logos für die Schweizerische Landesausstellung 1939 und den Schweizerischen Bankvereins (heute UBS).

Honegger und Lavater heirateten am 21. Juni 1940 und benannten ihr Atelier in «Honegger-Lavater» um. 1943 und 1944 wurden die Töchter Bettina und Cornelia geboren. Lavater und Honegger waren Teil eines Intellektuellen- und Künstlerkreises, zu dem u.a. Max Bill, Max Frisch, Hermann Hesse, Benjamin Britten und Richard Hülsenbeck gehörten. Zahlreiche Briefe und Postkarten von Max Frisch belegen diese Freundschaft.

Arbeit als Kinderbuchautorin und Künstlerin

In den 40er-Jahren zeigt sich ein neuer Fokus in ihrem Schaffen, indem Lavater von 1944 bis 1958 die Redaktion und Gestaltung der Kinder- und Jugendzeitschrift «Jugendwoche» übernahm. 1949 erschien ihr erstes Kinderbuch «Sandy und die Kinder». Wie wichtig diese Tätigkeit war, zeigt sich unter anderem auch daran, dass sie 1991 den Andersen-Preis für Kinderliteratur erhielt. Lavater bewegte sich in ihrer Kunst im Grenzbereich von Literatur und Bildkunst. Ihre Ausbildung an der Kunstgewerbeschule war geprägt gewesen von den formalen Ansätzen des Bauhauses und der konkret-konstruktiven Kunst, was ihr dabei half, komplexe, abstrakte Zusammenhänge anschaulich nachvollziehbar zu machen: «Ob Kinderbuch oder nicht, es muss etwas bleiben zwischen Erzählung und Film», erklärte sie später in einem Interview (Kultur im Gespräch, 1992). Lavater nahm auch an schweizweiten Kunstprojekten teil und schuf 1957–1958 ein grossformatiges Wandbild und das Buch Die Linie für die 2. Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA).

Impulse aus New York, Verlag in Paris

Da sowohl Lavater als auch Honegger sich neben alltäglicher Gebrauchsgrafik zunehmend der freien Kunst widmeten, entschieden sie sich für einen zweijährigen Aufenthalt in New York in den Jahren 1958 bis 1960. Dieser brachte Lavater entscheidende Impulse für ihre spätere künstlerische Tätigkeit. Besonders die Expressivität der amerikanischen Werbeschilder und Verkehrssignale inspirierten sie dazu, sich intensiv mit Piktogrammen auseinanderzusetzen. Dabei ging es ihr um die Frage, welche Elemente notwendig sind, um eine Geschichte zu erzählen und sie suchte nach Möglichkeiten, ihre Geschichten vom traditionellen Buchformat zu lösen und in neue Formen zu bringen, zum Beispiel mittels Faltbüchern und Leporellos.

Ab 1960 arbeitete Lavater abwechselnd in Zürich, New York und Paris und es entstanden ihre bekanntesten Werke. In ihren Faltbüchern «Wilhelm Tell» (1960),«Rotkäppchen» (1960) und «Leidenschaft und Vernunft» (1961) fand die Künstlerin zu ihrer eigenen «Bildschrift»

Das Museum of Modern Art edierte 1962 den «Wilhelm Tell» und ab 1963 brachte die Galerie Maeght in Paris ihre Faltbücher (Imageries) heraus. Sie illustrierte nun eigene Märchen und solche der Gebrüder Grimm, von Charles Perrault und Hans Christian Andersen in ihrer Zeichensprache. 1971 erschien «Tur di di», eine Parabel auf das künstlerische Schaffen. Neben Faltbildern in limitierten Auflagen entstanden auch handkolorierte Originale oder Perceptibles, kleine Kästchen mit symbolhaften, beweglichen Miniobjekten.

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): Gefaltete Geschichten Honegger-Lavater, in: Sendung Antenne vom 09.07.1965. zvg. via Play-SRF.

Trennung von Honegger und weitere Arbeit als Künstlerin

Von 1963 bis zu seiner Trennung 1972 lebte das Ehepaar Honegger-Lavater abwechselnd im Winter in Paris und im Sommer in der Nähe von Zürich. Den Zweitwohnsitz in Paris behielt Warja Lavater bis ins hohe Alter bei. 1972 verliess Honegger Lavater, die Scheidung wurde aber erst 1993 rechtskräftig.

1973 erschien der Gedichtband «Perzeptionen», bei dem jedem Buchstaben ein neu entworfenes Zeichen gegenübergestellt wird. Gleichzeitig kreierte Lavater zwischen 1971 und 1985 auch diverse Kunst-am-Bau-Werke im Auftrag der Wasserversorgung Zürich. Neben dieser Erweiterung ihrer künstlerischen Tätigkeit, experimentierte sie auch mit handgeschöpftem Papier und es entstand das aus Papierskulpturen bestehende Werk «Dialogue» (1986). Zwischen 1993 und 1995 beteiligte sie sich zudem an der filmischen Umsetzung ihrer «Imageries».

Preise und Ausstellungen in der Schweiz und Tod

Es dauerte eine Weile, bis man Lavaters Werk in der Schweiz zeigte. Nach einer ersten Ausstellung 1990 im Helmhaus Zürich, kam die Künstlerin 1994 für eine Einzellausstellung ins Kunstmuseum ihrer Heimatstadt Winterthur zurück. 2003 ehrte dann das Haus Konstruktiv in Zürich die Künstlerin mit einer Ausstellung zu ihrem 90. Geburtstag, welche sie noch miterlebte. 

14 Jahre nach ihrem Tod stellte die Zentralbibliothek, in deren Graphischen Sammlung sich auch Warja Lavaters Nachlass befindet, Leben und Werk der Künstlerin einem breiten Publikum vor. Die Ausstellung trug den Titel «Sing-Song-Signs und Folded Stories» und verweist damit auf die bekanntesten Werke Lavaters.  Als Gastkuratorin fungierte die Literaturwissenschaftlerin Carol Ribi, die sich im Rahmen eines Dissertationsprojekts intensiv mit dem Nachlass beschäftigt hat. Zahlreiche erhaltene Skizzenbücher machten dabei den Arbeitsprozess Lavaters sichtbar, in dessen Verlauf ordnende und chaotische Strukturen, die sich durch Form und Zwischenraum ergeben, immer wieder durchgespielt werden. Lavater entwarf mit ihren selbsterfundenen Zeichen ein visuelles Alphabet, dessen Interpretation der Fantasie des Lesenden überlassen wird. Sie selbst war überzeugt, dass jeder Mensch eine «ungeheure Fülle von Fantasie hat, die gar nie richtig zum Zug kommt.» Sie wollte «ein Zeichen schaffen, das die Fantasie anregt» (Antenne, 1965).

Warja Lavater starb 2007 und wurde auf dem Zürcher Friedhof Fluntern beigesetzt.


Benutzte und weiterführende Literatur

Ribi, Caro: Weit mehr als die drei Schlüssel, in: Schweizermonat, 01.09.2021.
Muscionico, Daniele: Sie war Miss UBS und tanzte mit dem bösen Wolf, in: Tagblatt, 12.04.2021
Isermann, Ingrid (2021): Warja Lavater: Retroperspektive in der Zentralbibliothek Zürich, in: Literatur&Kunst 99, Zürich 2021.
Ribi, Carol : «Warja Lavaters Folded Stories. Werkgenese und Wirkungsästhetik», in: Die Geschichte(n) gefalteter Bücher: Leporellos, Livre-Accordéon und Folded Panoramas in Literatur und bildender Kunst. Hrsg. v. Christoph Benjamin Schulz. Hildesheim; Zürich; New York: Olms 2019, 347–372. 
Schwarz, Dieter: Warja Lavater, 1913-2007 (Nachruf), in: Librarium 50/2, Zürich 2007.
Zwez, Annelise: Bild als Sprache, Zur Ausstellung von Warja Lavater in Winterthur, in: Schaffhauser Nachrichten, 23.03.1994
Schweizer Fernsehen (SRF): Warja Lavater illustriert gemäss chinesischen Vorbildern Märchenbücher und Kinderbücher mit Piktogrammen, in: Kultur im Gespräch, 10.05.1992.
J. W.: Nekrolog (Nachruf auf E. Lavater), in: Schweizerische Bauzeitung 81/30, Zürich 1963. (online via e-periodica.ch)

Bibliografie

    Lavater, Warja, 1913-2007, Grafikerin

    • Einträge 1991–2010

      Teilnahme Hans Christian Andersen-Preis: NZZ 1991/161 S.13.
      Ausstellung Kunstmuseum Winterthur: Zürcher Unterländer 1994/67. - Weinländer Zeitung 1994/34 1Abb. - Landbote 1994/72 Bilder-Bücher, eine lebendige Zeichenwelt, von Georg Rutka, m.Abb. . Winterthurer Arbeiterzeitung 1994/66 1Abb.
      Vom Leben der Zeichen: NZZ 1991/167 S.15 1Abb.
      Schw. Buchhandel 1995/6 von Eva Lutz-Schläpfer, 1Abb.
      Landbote 2003/227 von Martin Kraft.
      90: NZZ 2003/226 S. 52 von Gerda Wuzenberger, 1Abb. - Tages-Anzeiger 2003/226 von Daniela Kuhn, 1Abb. - NZZ 2007/103 S. 63.
      Winterthurer Jahrbuch 2008 1Abb.


Autor/In:
Mirjam Sidler
Letzte
Bearbeitung:
06.11.2023