Industrie- und Gewerbeanlagen

Wespimühle

Wieshofstrasse 105

Die «Wespimühle» zählt aufgrund der erhaltenen technischen Vorrichtungen zu den bedeutendsten historischen Mühlen in der Region Winterthur und steht deshalb unter Denkmalschutz. Vom 15. Jahrhundert bis 2010 war die Mühle in Betrieb.


Adresse
Wespimühle
Wieshofstrasse 105
8408 Winterthur

Aufgrund seiner Positionierung unmittelbar entlang des Tösssteges, diente die mittelalterliche Mühle lange Zeit auch als Zollstation. Dort wurden Wegzölle für die Überquerung der Brücke eingetrieben. Die Druckgrafik aus dem 18. Jahrhundert zeigt den Steg und dahinter die Mühle.
Foto: winbib (Signatur 111083_O)

Ein ehehafter Betrieb

Die Geschichte der «Wespimühle» reicht bis ins Mittelalter zurück. Damals wurde sie noch die «Mühle zum Steg an der Töss» genannt und gehörte ursprünglich zur Herrschaft Wülflingen. Die Gerichtsherren verliehen das Gebäude jeweils an einen Müllersmann und richteten dort auch eine Zollstelle ein. Im Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit mussten nämlich Reisende für die Nutzung wichtiger Infrastrukturen, wie gepflasterte Strassen und Brücken, eine Abgabe an die jeweilige Grundherrschaft entrichten. Ohnehin waren Mühlen sehr attraktive Anlagen, da sie zu den sogenannten «Ehehaften» Betrieben gehörten, die per Gesetz gegen eine etwaige Konkurrenz geschützt waren.

Ab etwa 1530 gehörte die Mühle dem Rat von Zürich, der sie an den Müller Uli Erb verlieh. Immer wieder gab es Streitereien zwischen den Mühlenbetreibenden und der Gemeinde Wülflingen. Dabei ging es um den Unterhalt des Risswuhres und anfallende Entschädigungen für das Sägen von Holz und Stampfen von Hanf und Flachs. Nachdem die Mühle im 16. Jahrhunderte mehrere Besitzerwechsel erlebte, traten ab etwa 1650 stabilere Verhältnisse ein, als sie vom Müller Hans Bodmer (1624–1684) übernommen wurde. Die Anlage sollte über 200 Jahre lang im Besitz der Familie Bodmer bleiben, weshalb die Mühle bald auch als «Bodmermühle» bezeichnet wurde. An die «Bodmer-Ära» erinnert noch heute eine Sandsteinplatte am westlichen Ende der Gebäudegruppe. Hans Bodmer war beim Zürcher Rat wie auch in der Gemeinde Wülflingen ein angesehener Mann und besetzte wichtige politische Ämter. In seine Zeit fällt vermutlich auch eine umfassende Erneuerung der Mühle samt Zollstation und Anbei eines Kontors. Bodmers Söhne führten die Mühle noch bis in die 1780er-Jahre weiter und liessen um etwa 1780 Wohnhäuser und ein Ökonomiegebäude errichten. Gleichzeitig wurde die Wasserkraftanlage regelmässig modernisiert und ausgebaut. Zu Spitzenzeiten verfügte die Mühle über bis zu neun Antriebsräder.

Die Mühle während der Industrialisierung

1816 wollte Johannes Beugger, der ehemalige Werkstattleiter der Baumwollspinnerei, sein Glück mit einer eigenen Fabrik versuchen und reichte gemeinsam mit dem Zimmermeister Jakob Bosshard ein Baugesuch für eine mechanische Spinnerei ein, die sich nur 500 Meter neben der bestehenden Anlage befinden sollte. Dagegen reichte die Hard-Direktion Rekurs ein und auch die Gemeinde Wülflingen stellte sich gegen das Projekt. Beugger liess sich von seinem Vorhaben nicht abbringen und verhandelte stattdessen mit dem Mühlebesitzer Bodmer, denn die Spinnerei war ebenfalls auf Wasserkraft angewiesen. Bodmer erlaubte ihm, das für die Mühle entbehrliche Wasser unterirdisch aus dem Mühlekanal abzuleiten und damit seine Spinnerei zu betreiben. Dieses Vorhaben konnte er 1819 umsetzen.

1883 kaufte Heinrich Wespi-Schollenberger den Mühlenkomplex, der von diesem Zeitpunkt an «Wespimühle» hiess. An seine Zeit erinnert auch ein Brunnen mit der Inschrift 1883. Wespi modernisierte die Anlage mit Turbinen, die er von der Jakob Rieterr &Cie. Bezog. 1894 wurden die alten Wasserräder und Antriebsanlagen zugunsten der Turbinen abgebrochen. Damit verlor die Mühle endgültig ihre mittelalterliche Prägung. Während dem ersten Weltkrieg wurde die Anlage abermals erweitert und zwar um einen Pferde- und Schweinestall, eine Autogarage und eine Doppelscheune.1923 wurde die Anlage in den Besitz der H. Wespi AG überführt. 1932 erfolgte der Bau des Siloturms. Während dem Zweiten Weltkrieg geriet der Mühlenbetreiber unter Druck und begann Kriegsvorräte aufzulösen, weshalb der Bund die Handelsmühle schloss. Betrieblich ging es der Firma immer schlechter und im Frühling 1997 musste sie Konkurs anmelden, was das Ende der Grossmühle bedeutete.

Die Wespimühle als Baudenkmal

Spätestens in den 1970er-Jahren wurde die Bedeutung der Wespimühle als industriehistorisches Baudenkmal erkannt und gewürdigt. 1983 erhielt die H. Wespi AG (später Wespi-Mühle AG und Wespim AG) den Emch-Preis für ihre umsichtige Renovation, die unter Beizug des Denkmalpflegers und Stadtbaumeister Karl Keller durchgeführt wurde. Betrieblich lief es aber nicht mehr gut und so musste 1997 Konkurs angemeldet werden, was das Ende der Grossmühle bedeutete.

Nach dem Konkurs führte das Müllerehepaar Hablützel die Mühle als Nischenbetrieb weiter und mahlte Korn zu Mehl mit Bio-Knospen-Qualität. Ausserdem lieferte das dazugehörige Kleinkraftwerk Strom für rund 40 Haushalte. 2005 ging das Gebäudeensemble in den Besitz von Robert Hofer über, dem Alleininhaber der Winterthurer L+B Gruppe über. Dieser plante das Areal entlang der Töss mit 50 Wohnungen zu überbauen, das Projekt wurde 2007 realisiert. Um den historischen Mühlebetrieb zu erhalten, initiierte der ehemalige Präsident des Zürcher Heimatschutzes, Bruno Kläusli die Gründung des Vereins «Pro Wespimühle», dem bald alt Stadtrat Reinhard Stahel vorstand. Ursprünglich wollte der Verein die historische Mühle für einen symbolischen Preis von 300 000 Franken kaufen, was aber nicht zustande kam, stattdessen vermittelte er zwischen Eigentümer Robert Hofer und dem Mietenden Müllerehepaar Hablützel. Ebenso sammelte der Verein Geld für den Erhalt des Mühlebetriebs, unter anderem durch die Organisation von Jazz-Konzerten, die in der historischen Mühle stattfanden. Aufgrund von feuerpolizeilichen Auflagen und auch vom Gesundheitsamt beanstandete Mängel musste der Konzertbetrieb im Jahr 2008 eingestellt werden.

Streit um neues Wasserkraftwerk

Ebenfalls im Jahr 2008 plante der Bauunternehmer und Eigentümer ein neues Wasserkraftwerk in der Nähe der alten Mühle, die Ökostrom produzieren sollte. Dieses Vorhaben stiess beim Verein sofort auf Widerstand, da dieser fürchtete, dass für die Mühle nicht mehr genügend Wasser vorhanden sein würde. 2010 kündigte das Mühleehepaar und dem Verein gelang es nicht eine Nachfolge zu finden, womit eine der letzten Mühlen der Region ihren Betrieb einstellte. Danach erfolgte die sukzessive Umgestaltung der ehemaligen Betriebsgebäude für Wohnzwecke. Zu diesem Zwecke wurde auch der alte Siloturm umgebaut. Der Verein «Pro Wespimühle» wurde in der Folge aufgelöst, was jedoch umstritten war.

Zwischen 2016 und 2017 sollte die gesamte Mühlenanlage umgebaut werden und neben Wohnungen und Büroräumlichkeiten auch Platz für das Dorfmuseum von Wülflingen und dem Kunstraum Oxyd schaffen. Ebenso solle nun gemeinsam mit der Entegra Wasserkraft AG das Kleinraftwerk realisiert werden. Die Kantonale Denkmalpflege wies jedoch das eingereichte Baugesuch zurück. Danach wurde es ruhig um die Wespimühle.   


Benutzte und weiterführende Literatur

Bibliografie

    Wespimühle, Wieshofstrasse

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Geschichte der Wespi-Mühle. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke, Häuser und Villen St-Z. 5 S.

      Einträge 1991–2010

      Zukunftsweisende Tradition: Wülflinger Dorfspatz 1994/5 von Dora Horvath, m.Abb.
      Sucht Partner: Landbote 1997/11 von Thomas Schraner, 1Abb.
      Konkurs: Landbote 1997/122 1Abb., 124, 138.
      Entlassung Hablützel: Landbote 1997/199 1Abb.
      Entlassungen: Stadtblatt 1997/130.- Stillegung: Landbote 1997/234.
      Betriebseinstellung, neu Wespi Mehl AG, Handelsfirma: Landbote 1998/67.
      Konkurs-Eröffnung: Landbote 1998/270, 276.
      Verkauf: Landbote 1999/203 1Abb.
      Wespimüllers Mählhandlig: Salz & Pfeffer 1999/8 S. 24-28 m.Abb.
      Bewahrung des Mühlbetriebs: Tages-Anzeiger 2003/60 [Winterthurer Dok. 2003/21].
      Kleinkraftwerk siehe dort.
      Wespi Mühle: Stadtanzeiger 2003/34 von Adrian Bretscher, m.Abb.
      Schweizer Mühlentag 2004, 22. Mai 2004, Samstag nach Auffahrt. Redaktion: Walter Weiss.[Stammheim] : Vereinigung Schweizer Mühlenfreunde, 2004, Nr. 94 Kurzinfo, 1Abb.
      Rettung? Verein Pro Wespimühle: Wulfilo 2005/6, 2006/1, 2. - Landbote 2005/282 Mietvertrag mit Müller, 1Abb., 293, 2006/41 Finanzen, 1Abb.
      1. GV Unterstützungsverein: NZZ 2006/40 S. 45. - Wulfilo 2007/1 1Abb.
      Sanierung für Anlässe: Landbote 2008/54 1Abb.
      Ende? Wulfilo 2008/3 von Sylvia Bärtschi, 1Abb. - Einmaliges Industrie-Ensemble an der Töss: In.Ku 2009/55 von Sylvia Bärtschi-Baumann, m.Abb.
      Wohnungen im Kornsilo; Ende? Tages-Anzeiger 2009/116 1Abb. [Winterthurer Dok.2009/29].
      Kündigung Müller Heinrich Hablützel: Landbote 2009/225.
      Schliessung: Landbote 2010/81 m.Abb.

    Wespimühle-Areal, Überbauung

    • Einträge 1991–2010

      Pro Wülflingen dagegen: Landbote 2005/73.
      Mühle. Erhaltung? Landbote 2005/243 1Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
27.08.2024