Stiftungen

Wölfflinstiftung

Katharina Sulzer-Platz 12

Die Organisation bezweckt auf ihrer Liegenschaft "Waldhof" unter in der Stiftungsurkunde bestimmten Bedingungen, ein Heim für geistige und körperlich gesunde Jugendliche zu errichten. Seit 1957 geniessen Auszubildende beiderlei Geschlechts in zwei Doppelzimmern und 14 Einzelzimmer mit wunderbarer Aussicht auf die Stadt ihr Stiftendasein.


Gründungsdatum
1945


Adresse
Wölfflin-Stiftung
Katharina Sulzer-Platz 12
8400 Winterthur

Wohnheim
Waldhofstrasse 40
8400 Winterthur
um 1913: Dr. phil. Heinrich Wölfflin 1864-1945, Professor für Kunstgeschichte Foto: winbib (Signatur 173122)

Vorgeschichte

Die Wölfflin-Stiftung geht auf die Familie Wölfflin zurück. 1844 betreibt Felix Stahel, ein Bürger von Ramsberg-Turbenthal im Schwalmenacker in Winterthur eine Ziegelei.. Er erbaut am Rande des Brühlbergwaldes oberhalb des Tössfeldes, im sogenannten oberen Brühl ein Wohnhaus. 1853 geht das Haus mit dem dazugehörenden Land im Umfang von rund 10 Hektaren in das Eigentum von Dr. med. Heinrich Troll über. Dr. Troll, ein Sohn von Johann Conrad Troll, dem bekannten Rektor, der städtischen Knabenschule und Geschichtsschreiber der Stadt Winterthur, bekleidet das Amt eines Stadtrates und Forstamtmanns. Er errichtet auf dem Gut - auch unter dem Namen „Gütsch“ bekannt - ein zweites Wohnhaus und 1867 ein Nebengebäude. 1862 heiratet seine Tochter Berta Dr. Eduard Wölfflin aus Basel, Lehrer am Gymnasium Winterthur. Eduard Wölfflin ist ein schweizerischer Altphilologe (* 1. 1. 1831 Basel, † 9. 11. 1908 Basel). Er ist Mitbegründer des Thesaurus Linguae Latinae, ein umfassendes lateinisches Wörterbuch; das seit 1900 in München von deutschen und ausländischen Akademien bearbeitet und herausgegeben wird (zuerst von E. Wölfflin). Aus dieser Ehe gehen drei Geschwister hervor: Elisabeth Wölfflin (1863-1939), Dr. Heinrich Wölfflin (1864-1945), Professor der Kunstgeschichte und Dr. Ernst Wölfflin (1873-1960), Professor der Augenheilkunde an der Universität Basel. Alle drei blieben ledig.

Dr. Heinrich Wölfflin ist schweizerischer Kunsthistoriker, (* 21. 6. 1864 Winterthur, † 19. 7. 1945 Zürich). Er entwickelte kunstgeschichtliche Unterscheidungskategorien mit fünf Grundbegriffspaaren (Linear – Malerisch, Fläche – Tiefe, Geschlossen – Offen, Einheit – Vielheit, Klarheit – Unklarheit/Bewegtheit) die auch andere Geisteswissenschaften befruchteten. Sein Hauptwerk behandelt diese „Kunstgeschichtliche Grundbegriffe“ und erscheint 1915.

Legate Die Liegenschaft zum oberen Brühl, die von der Familie Troll den Namen „Waldhof“ erhielt, geht durch Erbgang auf die drei Geschwister Wölfflin über. Das ältere Bauernhaus wird von der Familie Wölfflin als Ferienhaus genutzt, während die anderen Gebäulichkeiten einem Pächter (Bähler) überlassen werden, der die Landwirtschaft besorgt. Am 10.Oktober 1939 stirbt Fräulein Elisabeth Wölfflin. Zu ihren Ehren schenken die beiden überlebenden Brüder der Stadt Winterthur Fr. 100'000, um auf diese Weise - einem Wunsche der Verstorbenen folgend - die spätere Verwendung des „Waldhofs“ zu einem gemeinnützigen Zweck zu erleichtern. Heinrich Wölfflin, der weiterhin regelmässig einen Teil des Jahres auf dem „Waldhof“ verbrachte, verhandelt - im Einvernehmen mit seinem Bruder - mit dem Stadtrat über die Möglichkeiten einer künftigen Verwendung des Gutes.

Heinrich Wölfflin stirbt am 19. Juli 1945 noch vor dem Abschluss dieser Verhandlungen. Der allein noch überlebende Bruder Ernst Wölfflin lässt darauf den Stadtrat wissen, dass er gewillt sei, im Sinne seiner verstorbenen Geschwister den „Waldhof“ für eine gemeinnützige Bestimmung zur Verfügung zu stellen. Am 09. November 1945 werden die Verhandlungen abgeschlossen. Ernst Wölfflin und der Winterthurer Stadtrat unterzeichnen vor dem Notariat Winterthur die Errichtung der Wölfflin-Stiftung. Professor Dr. Ernst Wölfflin widmet der Stiftung den „Waldhof“, während ihr der Stadtrat das Kapital überträgt, das ihm seinerzeit Fräulein Elisabeth Wölfflin zu diesem Zweck übergeben hat und das inzwischen auf Fr. 120'000 angewachsen ist. Der Stiftungsrat besteht aus zwei Vertretern der Familie Wölfflin, zwei Vertretern der Stadt Winterthur und einem Vertreter der Hülfsgesellschaft Winterthur. Die Stiftung wird auf dem „Waldhof“ ein Kinderheim errichten. Der erste Stiftungsrat ist wie folgt zusammengesetzt: Professor Dr. Ernst Wölfflin, geb. 1873; Dr. Heinrich David, geb. 1902; Stadtrat Emil Bernhard, geb. 1881; Stadtrat Dr. Robert Bühler, geb. 1902, und Werner Gürtler, geb. 1880. Auf Betreiben von Ernst Wölfflin und auf Anregung des Stadtrates wird aber nicht ein Kinderheim sondern ein Lehrlingsheim erstellt.

Betriebsaufnahme
Nach Umbauarbeiten wird das Lehrlingsheim am 01.04.1957 in Betrieb genommen. Der neue Pächter, Willi Graf, nimmt zusammen mit seiner Frau die Arbeit auf dem Waldhof auf, zieht im Juli ins neu erstellte Lehrlingsheim ein und beherbergt ab August die ersten Lehrlinge.

Am 27. November 1957 findet die offizielle Einweihung des Lehrlingsheimes statt. Am 14. Januar 1960 verstirbt der Stifter, Professor Dr. Ernst Wölfflin. Er hinterlässt anlässlich seines Todes Fr. 20'000 zu Gunsten der Stiftung und bezeichnet Dr. Otto Sulzer, Winterthur, als seinen Nachfolger (Vertreter der Stifterfamilie) im Stiftungsrat. Die Aufgabe den Bauernpachtbetrieb und das Lehrlingsheim in Personalunion zu betreiben, wird immer schwieriger. Ab 1967 erwägt der Stiftungsrat die Erstellung eines Zweifamilienhauses, da „in einer ferneren Zukunft“ der Pachtbetrieb und das Lehrlingsheim nicht mehr in einer Hand sein muss. Pächter Willi Graf bezieht 1972 mit seiner Frau die Wohnung im 1. Stock des neu erstellten Zweifamilienhauses und übergibt die Führung des Lehrlingsheimes an Frau Ingeborg Quirici, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in die Wohnung des Lehrlingsheims einzieht. Per 1. April 198 findet der erste Pächterwechsel statt. Thomas und Martha Etterlin, aus Schongau, übernehmen die Pacht auf dem Waldhof und ziehen mit ihren Kindern ins Zweifamilienhaus. Da die Pächter-Familie Etterlin nach Kanada auswandert, übernimmt ab 1. November 1998 die Familie Benjamin und Barbara Mäder aus Herznach den Bauernbetrieb.

Sanierung und Neustart
Dr. Jakob Biedermann, welcher der Stiftung von 1971 bis 1995 - also während exakt 25 Jahren - als Präsident vorstand, schenkt der Stiftung im Jahre 2000 Fr. 25'000 zur freien Verfügung. Bereits in den Vorjahren haben verschiedenen Zuwendungen von grösseren Beträgen immer wieder ermöglicht, den Bauernhof den neuesten Erfordernissen anzupassen. Per Ende Juni 2002 kommt es auch zu einem Pächterwechsel im Lehrlingsheim. Frau Quirici geht in Pension. Der Stiftungsrat wählt aus 40 Bewerbungen Frau Marianne Wetter, Handarbeitslehrerin, aus Winterthur, als deren Nachfolgerin.

Anlässlich einer ausserordentlichen Sitzung am 23. November 2001 beschliesst der Stiftungsrat im kommenden Jahr das Lehrlingsheim im Innern umfassend zu sanieren und gleichzeitig die Voraussetzungen zu schaffen, dass zukünftig auch junge Frauen als Pensionärinnen aufgenommen werden können. Frau Wetter zieht mit ihren zwei Kindern Mitte August 2002 in die frisch renovierte Pächterwohnung ein. Per 01. September 2002 wird das Haus unter dem neuen Namen „Jugendwohnen“ (statt „Lehrlingsheim“) wieder in Betrieb genommen. Es stehen neu 18 Betten in 15 Zimmern zur Verfügung. Die Bauabrechnung ergibt Gesamtkosten von rund Fr. 680'000.00. Dafür stehen Spenden in der völlig unerwarteten Höhe von Fr. 630'000.— zur Verfügung.

Die Stiftung muss somit maximal Fr. 50'000.— selbst finanzieren! Das Lehrlingsheim bzw. das „Jugendwohnen“, wie es neu heisst, feierte am 31. Mai 2008 seinen 50. Geburtstag und erfreut sich bei Auszubildenden und StudentenInnen - nach wie vor - grosser Beliebtheit. Unweit der Waldhof-Gebäulichkeiten ist eine Strassenverbindung zwischen Waldhofstrasse und Brünnelihöhestrasse zu Ehren der Stifterfamilie mit „Wölfflinweg“ benannt.

Neue Nutzung ab 2019: Krisenwohngruppe

Oben auf dem Brühlberg gibt es seit 2019 einen Ort, wo Jugendliche und Kinder, denen in der Familie Gewalt angetan wurde, ein Zuhause auf Zeit finden. Die Krisenwohngruppe bietet neun Plätze, professionelle Betreuung und eine grüne Umgebung. Diese neue Nutzung ersetzt das Lehrlings- und Jugendheim, das bereits im Januar 2015 geschlossen hatte. Schutz, Ruhe und Sicherheit sollen die Jugendlichen und Kinder auf dem Brühlberg erfahren. Es sind Kinder, die in der Familie körperliche, psychische, sexuelle Gewalt oder auch Vernachlässigung erlebt haben. Stiftung Okey heisst die Fachstelle, eine Stiftung, die sich seit 26 Jahren für Kinder in Not einsetzt. Sie hat dazu die Verantwortung übernommen. Mit der eigenen Krisenwohngruppe geht nun ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung. In der Liegenschaft Waldhof finden Kinder und Jugendlichen im Schulalter zwischen 4 und 16 Jahren ein neues, vorübergehendes Zuhause und Betreuung. Im Normalfall geht für die Kinder der normale Tagesablauf weiter. Sie gehen zur Schule, sie gehen in den Sportverein, in die Musikstunde oder wohin auch immer. Wenn nötig werden sie begleitet, etwa in eine Therapie. Neun Zimmer hat das Haus, vier davon können auch als Doppelzimmer (für Geschwister) genutzt werden, dazu genügend Nasszellen, Gemeinschaftsräume mit Fernseher, Fussballkasten, Spielecke, eine Küche und vor allem eine grüne Umgebung, weg von der Hektik der Stadt. Rund 850‘000 Franken haben Umbau, Renovation und Ausstattung gekostet.

Bibliografie

    Wölfflin Stiftung

    • Einträge 1991–2010

      50 Jahre: Weinländer Zeitung 1995/129.
      Sanierung: Landbote 2002/145 Graffiti, 1Abb.
      Tag der offenen Tür: Landbote 2003/140 1Abb.
      Landbote 2008/126 1Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
05.04.2023