Kunst und Kultur

Eduard Geilinger

Journalist, Auslandkorrespondent (NZZ), 1912–1973

Eduard Geilinger war der älteste Sohn des gleichnamigen Schlossereiunternehmens. Nach seinem Geschichtsstudium arbeitete Eduard Geilinger von 1941 bis 1973 als Journalist und Auslandkorrespondent für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Sein Schwerpunkt lag auf der Berichterstattung über verschiedene totalitäre Systeme während und nach dem Zweiten Weltkrieg.


Sterbeort
Moskau

Geburtsort
Winterthur

Geboren
05.07.1912

Gestorben
05.12.1973


Eduard Geilinger wirkte während dem Zweiten Weltkrieg als Auslandkorrespondent und lebte zeitweise auch in Berlin. 1944 fand eine Stadtbesichtigung und anschliessend ein Bankett für Journalisten in Warschau statt, an der Eduard Geilinger (vorne rechts im Bild) 
Foto:  Archiv für Zeitgeschichte ETH Zürich: NL Eduard Geilinger/18

Kindheit und Jugend

Eduard Geilinger wurde am 5. Juli 1912 als erstes Kind von Eduard und Alice Geilinger-Schneider in Winterthur geboren. Er wuchs mit seinen vier jüngeren Brüdern in gutbürgerlichen Verhältnissen in der Altstadt auf. Zwischen 1925 und 1931 besuchte er das Gymnasium in Winterthur und schloss dort Freundschaften fürs Leben. Wichtige Bezugspersonen waren auch seine Lehrpersonen, darunter vor allem Ernst Hirt und der Historiker Werner Ganz. Neben der Schule übte sich Eduard Geilinger am Cello und trat der Pfadfinderbewegung bei. Um sein Taschengeld aufzubessern, arbeitete er zudem regelmässig in der Firma des Vaters

Berufliche Freiheiten für den Erstgeborenen

Zur damaligen Zeit wäre Eduard Geilinger als ältester Nachkomme der Familie der prädestinierte Nachfolger im familieneigenen Stahlbau- und Schlossereiunternehmen gewesen. Doch sein Vater erkannte schnell, dass die persönlichen Neigungen und Begabungen des Jungen in ganz andere Richtungen strebten. Deshalb wurden zwei seiner jüngeren Geschwister als zukünftige Geschäftsführer:innen aufgebaut. Eduard war damit nicht an das Familienunternehmen gebunden und genoss bei seiner Studienwahl alle Freiheiten. Er entschied sich für ein Geschichtsstudium an den Universitäten Zürich, Basel, Wien und Exeter. Seine Studien schloss er 1937 erfolgreich ab. Wesentlich geprägt wurde er von dem damaligen in Zürich tätigen Professor Karl Meyer.

Nach seinem Studium wandte sich Eduard Geilinger dem Journalismus zu. Dieses Berufsfeld bot damals wenige Sicherheiten, dennoch fand er mit seiner Berufswahl die volle Zustimmung seines Vaters, der ihn förderte und unterstützte. Seine ersten publizistischen Erfahrungen sammelte Eduard Geilinger im Rahmen eines Volontariats beim Neuen Winterthurer Tagblatt (NWT).

Auslandkorrespondenz während des Krieges

Zwischen 1937 und 1939 arbeitete Eduard Geilinger als freier Journalist in Paris. 1940 musste er aufgrund des deutschen Einmarsches aus der Stadt flüchten. Ab 1940 war er Auslandkorrespondent für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und berichtete aus Vichy-Frankreich, das zu jener Zeit vom Regime um Marschall Pétain regiert wurde. Die Anstellung bei der NZZ kam vermutlich auch dank der guten Beziehungen seines Vaters zustande.

Eduard Geilinger sammelte in Vichy-Frankreich erste Erfahrungen mit totalitären Regimes und musste sich mit der örtlichen Zensur auseinandersetzen. Sein persönliches Vorbild war der französische Journalist Maurice Archeambeau, der für die «New York Times» in Vichy arbeitete und mit dem er einen regen beruflichen Austausch pflegte. Kurz darauf wurde er in den Aktivdienst eingezogen und diente als Infanterist in der Schweizer Armee. Geilinger plante persönlich die Rückkehr nach Vichy, doch stattdessen schickte die NZZ ihren jungen Journalisten als politischen Korrespondenten nach Berlin. Dort arbeitete er von 1941 bis 1945 und erlebte den Zusammenbruch des Dritten Reiches vor Ort mit. Er versorgte die Schweizer Tagespresse mit seinen Berichten und Einschätzungen. Der ehrgeizige Journalist harrte trotz massiven Luftangriffen der Alliierten bis zum Einmarsch der Sowjets im nationalsozialistischen Machtzentrum aus. Danach folgte eine mühselige Ausreise mithilfe eines sowjetischen Sonderzuges über Moskau, Baku und Ankara in die Schweiz.

Nach dem Kriegsende kehrte er nach Deutschland zurück, um über die Nürnberger Prozesse zu berichten. In dieser Zeit geriet Geilinger immer häufiger in direkten Konflikt mit der NZZ-Redaktion, da diese seine Einschätzungen jeweils anders beurteilte. Die Spannungen eskalierten jedoch, und so liess sich Geilinger 1948 erstmals für mehrere Wochen nach Rom versetzen. Die Entbehrungen während des Krieges und die ständigen Auseinandersetzungen mit der Redaktion zehrten an Geilingers Kräften. Immer häufiger war er krank und konnte seine übliche Arbeitsleistung nicht aufrechterhalten.

Kritischer Schreiber ohne grosse Karriere

Ab 1952 berichtete er aus Bonn, der damaligen Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Obwohl er sich bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) grundsätzlich nicht genügend wertgeschätzt und schlecht behandelt fühlte, blieb er dennoch bei seinem Arbeitgeber. Die Beziehung blieb jedoch belastet, insbesondere weil Geilinger nicht an die Überlebensfähigkeit der Bundesrepublik glaubte und viele kritische Artikel veröffentlichte, darunter auch über die Freie Demokratische Partei (FDP). Nachdem sich ein führendes Mitglied der Partei bei der Redaktion beschwert hatte, versetzte man Geilinger 1955 nach Rom, was einen internationalen Medienskandal auslöste. 

Bis 1971 berichtete Eduard Geilinger aus Rom und bewegte sich damit mehrheitlich abseits der grossen politischen Weltbühne. 1971 bot die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) dem inzwischen 59-jährigen Journalisten völlig überraschend einen Posten in Moskau an, weil der dafür vorgesehene Korrespondent keine Zulassung erhalten hatte. Eduard Geilinger ergriff diese letzte Chance, um endlich wieder von einem politischen Machtzentrum aus berichten zu können. Er verschrieb sein Leben ganz dem Journalismus, ohne jedoch den grossen Karrieresprung geschafft zu haben. Während er selbst keine eigene Familie gründete, blieb der Kontakt zu seinen Eltern, Geschwistern und Freunden in der Heimat sehr wichtig. Wenn immer möglich reiste er deshalb für Besuche in die Schweiz.

Im Alter von nur 62 Jahren machten sich beim umtriebigen Journalisten gesundheitliche Probleme bemerkbar. Dennoch wollte er nicht kürzertreten. Stattdessen plante er 1973 eine Reise nach Usbekistan. Unmittelbar vor der Abreise, am 5. Dezember 1973, verstarb Eduard Geilinger überraschend an Herzversagen.

Persönlicher Nachlass

Der persönliche Nachlass von Eduard Geilinger befindet sich im Archiv für Zeitgeschichte der ETH-Zürich. Neben Fotografien sowie privaten und beruflichen Korrespondenzen ist dort auch seine Kriegsberichterstattung vorhanden. 


Benutzte und weiterführende Literatur

Schneider, Oliver: Eduard Geilinger, NZZ-Korrespondent in Vichy, Berlin, Rom und Moskau, in: Winterthurer Jahrbuch 2019, Winterthur 2018, S. 158–164.
Nekrolog: Eduard Geilinger, 1912–1973, Winterthur 1973.
red.: Eduard Geilinger gestorben, in: Neue Zürcher Zeitung, 07.12.1973.

Bibliografie

    Geilinger, Eduard, 1912-1973, Journalist

    • Einträge ab 2011

      Schneider, Oliver: Eduard Geilinger, NZZ-Korrespondent in Vichy, Berlin, Rom und Moskau. In: Winterthurer Jahrbuch 2019 (2018). S. 158-163. m. Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024