Natur und Pärke

Haselmausbrücke

Die erste Haselmausbrücke der Schweiz in Winterthur

Die kleine Haselmaus überquert Strassen und Wege nur ungern. Das ist gefährlich. Auf der Suche nach Nahrung oder neuen Lebensräumen klettert sie von Baum zu Baum oder nutzt ihre eigene Brücke.


Damit sich die seltenen Haselmäuse in Winterthur wohlfühlen, lancierte Stadtgrün Winterthur gemeinsam mit dem Verein Pro Bilche ein Projekt zur Förderung der Tiere.
Foto: winbib, Livia Haag

Eine Brücke für die Haselmaus

Im Jahr 2014 startete Stadtgrün Winterthur zusammen mit dem Verein Pro Bilche ein Projekt zur Förderung der Haselmaus. Das kleine Tier gehört zu den Bilchen oder Schlafmäusen und ist eng verwandt mit dem Siebenschläfer, dem Gartenschläfer und dem Baumschläfer, die ebenfalls in der Schweiz heimisch sind. Ihr Lebensraum sind artenreiche Waldränder und Wälder mit üppigem Gebüsch sowie Hecken, in denen sie viele Versteckmöglichkeiten und Nahrung findet. Da diese in der Kulturlandschaft selten geworden sind, fehlen der Haselmaus an vielen Orten geeignete Lebensräume oder sie sind klein und isoliert. Dies verhindert einerseits den genetischen Austausch, andererseits können die Tiere beispielsweise bei Nahrungsknappheit nicht in angrenzende Gebiete ausweichen. Die Art wird daher auf der roten Liste der gefährdeten Arten geführt.

In der ersten Phase des Projekts wurde im Gebiet der Bannhalden beim Reitplatz der Wald gebietsweise ausgelichtet, damit eine dichte Strauchschicht nachwachsen konnte. Die Blüten, Beeren und Nüsse dieser Sträucher bieten der Haselmaus ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot. So kann sie sich über den Sommer Fettreserven anfressen, damit sie während ihres langen Winterschlafs von September bis April nicht verhungert. Auf der Suche nach Nahrung klettert sie geschickt von Ast zu Ast und meidet dabei den Boden, denn dort lauern viele Gefahren für den nur daumengrossen Nager. Insbesondere Strassen und Waldwege hindern sie daran, auf der anderen Seite liegende Gebiete zu besiedeln, auch wenn diese einen geeigneten Lebensraum bieten würden. Damit sie neue Lebensräume erreichen kann, braucht die Haselmaus Bäume, deren Äste sich berühren, damit sie ohne Bodenkontakt hinüberklettern kann. Für die Bannhalden wurde als Alternative die erste Haselmausbrücke der Schweiz entwickelt und erstellt. Sie besteht aus mit Efeu und Waldreben gefülltem Drahtgitter, das die Untere Bannhaldenstrasse rund 6 Meter über dem Boden überspannt. Sie erschliesst den Haselmäusen die beerenreiche Hecke auf der Nordseite der Strasse als neuen Lebensraum.

Übernahme der Trägerschaft durch Winterthurer Verein

Im Jahr 2018 hat der Natur- und Vogelschutzverein Winterthur-Seen die Trägerschaft für das Projekt vom Verein Pro Bilche übernommen. Eine umfangreiche Spurensuchaktion im Sommer 2018 lieferte von verschiedenen Orten in und um Winterthur Informationen darüber, wo Haselmäuse vorkommen. Dafür wurden Spurentunnels ins Gebüsch gehängt, die in der Mitte ein Tintenkissen enthalten sowie auf beiden Seiten ein Spurenpapier. Wenn ein Tier durch den Tunnel spaziert, kann mithilfe des Fussabdrucks herausgefunden werden, welches Tier es war. In einer zweiten Projektphase ab 2018 wurden in Zusammenarbeit der Stadt Winterthur mit der Naturschutz und Artenförderung GmbH aus Zürich, den lokalen Waldbesitzenden sowie dem Natur- und Vogelschutzverein Winterthur-Seen und dem Verein MINIMUS weiterführende Massnahmen zur Förderung der Haselmaus im Raum Winterthur ausgearbeitet. Ziel ist es, die bestehenden Haselmausgebiete zu vergrössern und zu vernetzen, damit sich die Tiere vermehren und besser durchmischen können. Von den Aufwertungsmassnahmen profitieren neben der Haselmaus auch viele andere Tierarten wie der Neuntöter, das Braune Langohr oder zum Teil seltene Insektenarten.

Projekterweiterung Eidberg

Am Hulmen bei Eidberg, wo die Spurensuche 2018 eine stabile Haselmauspopulation vermuten liess, wurden in den Wintern 2020/21 und 2021/22 zusätzliche Waldränder ausgelichtet und rund 250 Meter neue Hecke aus einheimischen Sträuchern und Bäumen gepflanzt, die die bestehende Hecke mit dem Waldrand verbinden soll. Zahlreiche Freiwillige packten bei der Pflanzaktion im November 2021 mit an. In den Projektgebieten wurden ausserdem viele Nistkästen aufgehängt, die der Haselmaus Versteckmöglichkeiten bieten, in denen sie ihre kunstvoll geflochtenen Grasnester für den Sommer bauen kann. Darin verschläft sie als nachtaktives Tier die Tage und zieht ihre Jungen auf. Für den Winter bauen sich die Haselmäuse wärmere Nester in Bodennähe, da sie in luftiger Höhe erfrieren würden.

Projekterweiterung Winterthur-Wülflingen

In Winterthur-Wülflingen und Pfungen wurden im Sommer 2020 bei einer erneuten Spurensuche im Weiertal Nachweise der Haselmaus gefunden. Im Mittelwald des Hardholz, der eigentlich als Lebensraum geeignet ist, konnten in mehreren Suchen keine Spuren entdeckt werden. Das Ziel ist daher, mit gezielten Aufwertungsmassnahmen eine haselmausfreundliche Verbindung mit viel Gebüsch zwischen den beiden Waldstücken zu schaffen. Vielleicht gelingt es damit, auch das Hardholz für die Haselmaus zu erschliessen.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Stadt Winterthur: Erste Haselmausbrücke der Schweiz in Winterthur, Medienmitteilung, 25.04.2014.
Natur- und Vogelschutzverein Winterthur-Seen: Haselmausprojekt [zuletzt abgerufen 29.07.2022].
Förderprogramm Haselmaus: Artenreiche Gebüschlebensräume für Winterthur, Jahresbericht 2021.

Autor/In:
Katrin Junker
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024