Der Justitia-Brunnen ist reich verziert. Der Trog besteht aus Muschelkalkplatten, die von starken Eisenbändern zusammengehalten werden. Den Sockel der Mittelsäule schmücken zwei ineinander verschlungene Delphine, aus deren Mäulern das Wasser aus Bronzeröhren sprudelt. Über ihnen befinden sich Muscheln und ein geschwungenes Gesims, das die Basis einer kannelierten ionischen Säule bildet. Auf dem durch Girlanden geschmückten Volutenkapitell thront die Statue der Justitia.
Die römische Justitia fand in der Antike Verehrung als Göttin der Gerechtigkeit. Im Verlauf der Zeit kam es immer wieder zu Vermischungen mit den griechischen Göttinnen Themis und Dike. Während Themis für die göttliche Ordnung stand, repräsentierte Dike die strafende und rächende Gerechtigkeit. Diese Zuschreibungen wurden in die christliche Ikonographie integriert. Justitia ist seither keine Göttin mehr, sondern die Personifikation des Rechtswesens und der Gerechtigkeit.
Ikonographisch weist die Winterthurer Justitia einige Besonderheiten auf, denn sie wird im Gegensatz zu vielen anderen Statuen nicht blind dargestellt. Die Erblindung der Justitia erfolgte schleichend und zwar gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Damals wurde es üblich sie einäugig, ohne Augen oder mit Augenbinde darzustellen. Als Symbol soll sie den Anspruch verdeutlichen, dass das Recht unabhängig vom Rang und der Macht einer Person gesprochen werden soll.
Die beiden anderen Hauptattribute der Justitia sind die Waage und das Richtschwert. Die Waage steht für das Gleichgewicht zwischen individuellen Bedürfnissen und jenen der Gesellschaft. Die Richterinnen und Richter müssen bei ihrer Urteilsfindung verschiedene Beweise und Fakten gegeneinander abwägen. Das Richtschwert seinerseits steht für die richterliche Autorität und die Macht des Gesetzes. Es verweist aber auch auf den Anspruch, dass die Gerechtigkeit schnell wiederhergestellt werden muss und sich ein Richtspruch als endgültig erweisen soll. Für Diskussionen sorgt immer wieder das entblösste Knie der Justitia. Mit dem angewinkelten Knie gleicht die Justitia ihre Körperhaltung aus , weshalb es als Symbol für Gerechtigkeit und Fairness interpretiert wird.
Weitere Besonderheiten der Winterthurer Justitia sind ihre zusätzlichen Attribute: So sitzt ihr ein schwarzer Adler zu Füssen, neben dem Schwert trägt sie auch einen Schild und auf ihrem Haupt einen Helm. Es handelt sich um Attribute, die vor allem mit Pallas Athene assoziiert werden. Ob aber wirklich ein Bezug besteht, ist unklar.