Kirchengebäude

Kirche Herz Jesu

Unterer Deutweg 89

Die Herz-Jesu-Kirche Winterthur wurde inmitten des kinderreichen Stadtteils Mattenbach errichtet. Mit ihrer markanten Erscheinung ist sie ein typisches Bauwerk der 1930er-Jahre. Die Schlichtheit des Neuen Bauens verbindet sich hier mit Elementen des Heimatstils und des Monumentalismus.


Baujahr
1934

Sanierung:
2017/2018


Adresse
Unterer Deutweg 89
8400 Winterthur

Die Kirche Herz Jesu fällt von aussen durch ihren markanten Turm und die monumentale Bauweise auf. Aufnahme aus dem Jahr 2011.
Foto: winbib, David Baer (Signatur FotDig_Lb_005-105)

Geschichte

Der Winterthurer Stadtteil Mattenbach ist geprägt von grossen Genossenschaftssiedlungen, die mehrheitlich in den 1930er-Jahren entstanden. Die Verantwortlichen der katholischen Kirche erkannten die Notwendigkeit, in diesem rasch wachsenden Stadtteil eine Pfarrei aufzubauen. Deshalb kauften sie der Stadt Winterthur 1929 den Bauplatz der heutigen Kirche Herz Jesu ab. Am 27. August 1933 fand die Grundsteinlegung statt. Am 28. Oktober 1934 wurde Herz Jesu eingeweiht und gleichzeitig zum Pfarrrektorat (Vorstufe einer Pfarrei) erhoben. In den 1960er-Jahren fand eine erste Innenrenovierung statt. Nach dem II. Vatikanum (Versammlung der römisch-katholischen Weltkirche, 1962–1965) erfolgte die Umgestaltung des Altarraumes in den heutigen Zustand sowie die Erhebung von Herz Jesu zu einer eigenständigen Pfarrei. 2017/2018 erfolgte eine zweite, umfassende Sanierung; ihr Abschluss wurde am 13. Mai 2018 mit einem Festgottesdienst gefeiert.

Architektur und Kunst

Aufgrund des Strassenverlaufs wurde die Kirche Herz Jesu nicht wie traditionell üblich nach Osten, sondern gegen Südosten ausgerichtet. Es handelt sich um einen Längsbau mit angebautem Glockenturm. Rechts von der Kirche steht das Pfarrhaus, links davon das nach dem Zweiten Weltkrieg erbaute Pfarreizentrum.

Die monumentale Architektur von Herz Jesu erklärt sich aus der Diasporasituation (katholische Gläubige waren im Kanton Zürich in der Minderheit) und der zur Bauzeit herrschenden Wirtschaftskrise. Diese Art der Gestaltung wollte die Gläubigen daran erinnern, dass keine weltliche Macht, sondern nur Jesus Christus und Gott das Leben der Menschen zum Guten wenden kann.

Eine markante Schaufassade mit einer überdimensionalen Nische, in der eine monumentale Christusstatue in Kreuzform aufgestellt ist, prägt das Äussere. Die Christusstatue verweist mit gut sichtbarem Herzen Jesu auf das Patrozinium (namensgebender Schutzpatron) der Kirche. Die Herz-Jesu-Verehrung fand im 19. und 20. Jahrhundert einen Aufschwung und kann als Antwort der katholischen Gläubigen auf die Auswirkungen des Kulturkampfs und auf die sich entwickelnden politischen Kräfte verstanden werden, die die Kirchen zu marginalisieren versuchten.

Von Weitem erscheint Herz Jesu eher als bescheidenes Gotteshaus: Die Dächer auf Turm, Schiff und Chor mit ihrer gleichen Ausrichtung klingen an den Heimatstil an und nehmen den Stil der Wohnhäuser auf, welche die Kirche umgeben. Die schmucklosen Fassaden mit ihren rechteckigen Fenstern und Schallöffnungen der Glockenstube sind charakteristisch für das zurückhaltende Neue Bauen. Dieser Eindruck des Unspektakulären ändert sich jedoch, wenn man vor dem gewaltigen Eingangsportal steht, das fast die gesamte Giebelseite einnimmt.

Dieser Gestus der Monumentalität zeigt sich noch deutlicher im Innern. Durch die zwei Hauptportale der Kirche gelangt man zunächst in einen Vorraum, der sich unter der Orgelempore befindet und an den auf der linken Seite die frühere Taufkapelle angegliedert ist. Durch drei Schwingtüren gelangt man in den Hauptraum. Hohe, rechteckige Fenster lassen warm getöntes Tageslicht in den einschiffigen Raum eindringen, sodass der Innenraum bei entsprechender Sonneneinstrahlung in gelbgleissendes Licht getaucht ist.

Als Wegekirche konzipiert, richtet das Gotteshaus das Augenmerk der Gläubigen auf das liturgische Geschehen im Altarraum, der durch mehrere Stufen vom Kirchenschiff abgehoben ist. Das zentrale Gestaltungselement in der Herz­ Jesu-Kirche ist ein grosses Kreuz.

Als im Zuge des II. Vatikanums der Gemeinschaftscharakter von Priester und Gemeinde stärker betont werden sollte, gestaltete man den Chor der Kirche um. Es wurde eine aus Holz bestehende, halbrunde Wand installiert, die sich auf einer ringförmigen Schiene im Boden um den Volksaltar bewegen lässt. Findet ein Gottesdienst mit grosser Gemeinde statt, wird sie hinter den Altar geschoben und setzt dem riesigen Kirchenraum ein geborgenheitspendendes Element entgegen. Für eine kleine Gruppe wird sie um 180 Grad gedreht, sodass die Andacht, abgeschirmt vom leeren Kirchenschiff, in einem intimeren Rahmen stattfinden kann. Bei der Sanierung 2017/2018 wurde diese halbrunde Wand vergoldet, um sie den älteren Heiligenstatuen anzugleichen. Zudem erhielten die Kreuzwegstationen eine Optik im Terracotta-Stil.

Ein wichtiges Gestaltungselement auf der Rückseite der Kirche ist die Orgel. Mit den schrägen, flügelartigen Elementen bildet sie einen geschickten Kontrast zur rechtwinkligen Gestaltung des Kirchenraums. Das Instrument wurde am 14. Dezember 1969 eingeweiht. Es stammt aus der Werkstatt Mönch und Prachtel. Zunächst umfasste es 26 Register; 1993 kam ein Rückpositiv mit weiteren 7 Registern hinzu. Für kleinere Gottesdienstfeiern steht im Chor ein Orgelpositiv (kleine, transportierbare Orgel) zur Verfügung.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Weber, Markus: Sakrales Zürich. 150 Jahre katholischer Kirchenbau im Kanton Zürich, Ruswil 2018.
Niederhäuser, Peter: Von der Diaspora zur Ökumene. 150 Jahre römisch-katholische Kirchgemeinde Winterthur, Winterthur 2012.
Niederhäuser, Peter und Pescatore, Flurina: St. Peter und Paul. Die Mutterkirche von Katholisch Winterthur. Winterthur 2006.

Bibliografie


Autor/In:
Markus Weber
Letzte
Bearbeitung:
30.12.2024