Kirchengebäude

Kirche St. Marien

Römerstrasse 105

Die Geschichte von St. Marien zeigt exemplarisch, welch enorme Aufbauarbeit in der Diaspora (römisch-katholische Gläubige waren im reformierten Kanton Zürich in der Minderheit) nötig war. Zu St. Marien gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur Oberwinterthur, sondern auch das gesamte Gebiet nordöstlich von Winterthur bis zur Kantonsgrenze.


Baujahr
1936


Adresse
Römisch-Katholische
Pfarrei St. Marien
Römerstrasse 105
8404 Winterthur

Die Kirche St. Marien mit ihrem charakteristischen Turm. Der Klang des Geläuts ist mit dem der reformierten Kirche St. Arbogast abgestimmt. Aufnahme 2004.
Foto: winbib, Andreas Wolfensberger (Signatur FotDig_Lb_002-421)

Geschichte

Um den katholischen Kindern von Oberwinterthur den langen Weg ins Stadtzentrum nach St. Peter und Paul zu ersparen, erteilten die Geistlichen ab 1901 vor Ort Religionsunterricht. 1907 kaufte die katholische Kirche Winterthur den «Römerhof», ein Restaurant mit genügend Umland für den späteren Bau einer Kirche. Im Saal des «Römerhofs» fand denn auch am 1. Dezember 1907, dem 1. Adventssonntag, die erste Messfeier seit der Reformation in Oberwinterthur statt. Mit Hilfe des Diözesanen Kultusvereins von Chur und Eigenleistungen wurden in den folgenden Jahren Umbauten an der Liegenschaft vorgenommen, um den Bedürfnissen der entstehenden Pfarrei gerecht zu werden. Den Saal des Restaurants gestaltete man 1919 zu einer Kapelle um, die schon am 16. Februar fertiggebaut war und geweiht wurde. Noch im gleichen Jahr ernannte Bischof Georg Schmid von Grüneck Oberwinterthur zum Pfarrrektorat (Vorstufe einer eigentlichen Pfarrei).

1925 widerfuhr der jungen Gemeinde ein herber Rückschlag: Ein verheerender Brand zerstörte den «Römerhof», einzig die Kapelle konnte gerettet werden. Mitten in der Wirtschaftskrise musste zunächst ein Pfarrhaus gebaut und, da die Kapelle für die Gemeinde viel zu klein war, auch noch Geld für den Bau der heutigen Kirche gesammelt werden. Durch das unermüdliche Engagement der Pfarreiangehörigen sowie durch Spenden von Katholik:innen aus nah und fern konnte die Kirche St. Marien 1935/1936 nach Plänen von Otto Linder errichtet werden. Neben dem Gotteshaus entstand schliesslich auch der für das Pfarreileben dringend benötigte Saal mit über 200 Sitzplätzen sowie eine Wohnung für die Ordensschwestern, die in der Gemeinde karitativ tätig waren.

Am 3. Mai 1936 benedizierte Bischof Laurenz Matthias Vincenz das Gotteshaus als Maria-Hilf-Kirche. Die eigentliche Weihe erfolgte nach einer ersten Renovation am 28. April 1957 durch Bischof Christian Caminada, als auch die Schulden getilgt waren. Am 19. Mai desselben Jahres konnte das alte Glöcklein, mit dem man sich 21 Jahre lang hatte begnügen müssen, durch ein vierstimmiges Geläut ersetzt werden. Es stammt aus der Giesserei Karl Czudnochowsky und ist auf die Glocken der reformierten Kirche St. Arbogast abgestimmt. 1970 erhob der Bischof St. Marien zur eigenständigen Pfarrei und trennte sie von St. Peter und Paul ab. 1976 erfolgte eine lnnenrenovation, wobei die ursprüngliche Innenausstattung entfernt und die heutige Kuhn-Orgel mit 19 Registern eingebaut wurde. Am 19. Dezember 1976 wurde das neugestaltete Gotteshaus geweiht. 2003/2004 erfolgte durch Walter Hollenstein und Andreas Bertet eine Erneuerung des Pfarreizentrums.

Seit 2013 betreibt St. Marien im Auftrag der katholischen Kirchgemeinde Winterthur im Neubaugebiet Neuhegi den sogenannten «Anhaltspunkt», ein Begegnungszentrum, welches die Seelsorge bei den zahlreichen Zugezogenen sicherstellen soll.

Architektur & Kunst

Das Markenzeichen von St. Marien ist ihr charakteristischer Turm. Mit seinem luftigen, an eine Loggia gemahnenden Aufbau über der Glockenstube verleiht er der Kirche, zusammen mit dem Rundfenster unter dem Giebel des Schiffs, einen Hauch von ltalianita. Die Rundbogen, die bei den Fenstern und im Chor wiederkehren, nehmen Formen der Romanik auf, während die schmucklos flache Gestaltung der Wand dem Neuen Bauen verpflichtet ist. In allem ist aber auch der zur Erbauungszeit vorherrschende Monumentalismus spürbar: Die betonte Schlichtheit des ganzen Gotteshauses, die Überwölbung der dreiteiligen Schallöffnungen durch den Loggiabogen sowie die durchgehende Front, die durch den fugenlosen Anschluss des Turmes ans Schiff entsteht, zeugen davon.

Im Innern ist die Monumentalität stark gemildert durch die neu eingebaute Holzdecke, die dem Kirchenschiff eine angenehme Wärme vermittelt. Die geometrischen Formen von Orgel, Empore und den darunter eingesetzten Türen haben aber auch etwas Nüchternes. Ähnliches gilt für den Chor. Dieser wirkt durch seine neue Ausstattung schlicht und sachlich. Raffiniert wurde die Schräge der Fensterkalotten in den Nischen über den Kreuzwegstationen aufgenommen. Passend zu allem sind Altar, Ambo und Tabernakel zurückhaltend gestaltet. Sie verbinden sich in ihrem Material sowohl mit dem Stein der Chorstufen wie mit dem Holz der Decke. Wohl noch aus der einstigen Kapelle stammen die Glasmalereien. Die ursprüngliche Taufkapelle ist, wie es bei Wegekirchenüblich war, am Eingang in einer Nische untergebracht in der Absicht, die Eintretenden an ihre eigene Taufe zu erinnern.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Weber, Markus: Sakrales Zürich. 150 Jahre katholischer Kirchenbau im Kanton Zürich, Ruswil 2018.
Niederhäuser, Peter: Von der Diaspora zur Ökumene. 150 Jahre römisch-katholische Kirchgemeinde Winterthur, Winterthur 2012.
Pfarrei St. Marien Oberwinterthur (Hrsg.): Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Pfarrei St. Marien, Winterthur 2007.
Kirchenchor St. Marien Oberwinterthur: 75 Jahre Kirchenchor St. Marien Oberwinterthur. 1914-1989, Winterthur 1989.

Bibliografie

    Oberwinterthur. Katholische Kirche St. Marien

    • Einträge 1991–2010

      Baugeschichte (Architekt: Otto Linder): Oberi Zytig 2001/140 von Andreas Spaett, m.Abb.

    Oberwinterthur. Katholische Kirchgemeinde St. Marien

    • Einträge 1991–2010

      100 Jahre: Oberi Zytig 2007/166 von Stefanie Randon. - Landbote 2007/154 von Christian Lanz, 1Abb. - Festschrit zum 100-jährigen Bestehen der Pfarrei St. Marien/ Hrsg. Pfarrei St. Marien ; Projektleiter Martin Müller. -Hinwil, 2007. - 80 S. : Ill
      Lebensecke: Landbote 2007/273.
      Organist und Kirchenchorleiter. Neu Alexander Seidel: Landbote 2010/65 1Abb.

    Oberwinterthur. Katholische Kirche St. Marien. Pfarreiheim

    • Einträge 1991–2010

      Erweiterung: Landbote 2004/4 1Abb., 29 Architekturkritik, von Ulrich Scheibler, 1Abb. - Stadtblatt 2004/1 1Abb.
      Begegnungszentrum: Oberi Zytig 2003/148 m.Abb.,149, 2004/151. - Winterthurer Jahrbuch 2005 S. 171, 1Abb.
      Pfarrei. Kritik am Gemeindeleiter: Landbote 2004/196

    Oberwinterthur. Katholische Kirchgemeinde St. Marien. Frauenverein

    • Einträge ab 2011

      Neff, Rita: 100 Jahre Frauenverein. Pfarrei St. Marien. In: Oberi Zytig, Nr. 227 (2019). S. 36. m.Abb.

    Laienbühne Römerhof, Oberwinterthur

    • Einträge ab 2011

      Naef Binz, Claudia: "Zügle und Zittere" in Oberi. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 42 (2024). S. 11. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Winterthurer Jahrbuch 2001 Von der Faszination des Theaterspiels, von Kathrin Bänziger, 1Abb.


Autor/In:
Markus Weber
Letzte
Bearbeitung:
06.11.2024