Burgen, Schlösser und Stadtbefestigung

Obertor

Stadttor

Das Obertor war das wichtigste und grösste Tor der Stadt. Es entstand 1340 im Osten der Stadt. Nach der Befestigung der Vorstädte ersetzte es den Oberen Bogen als Stadttor. Das Obertor bildete zusammen mit dem Untertor die beiden Haupteintrittspforten der Stadt. Es lag an der damaligen Hauptverkehrsachse, die vom Bodensee über Frauenfeld und St. Gallen bis nach Zürich führte. 1867 entschied die Gemeindeversammlung, das Obertor abzureissen.


Baujahr
1340

Abbruch
1864


Blick von Nord nach Süd zum Obertor, 1866. Links sehen Sie den Scheibenstand, der zum Schiesstand gehört. Rechts im Bild ist das ehemalige Gasthaus zum Schwert abgebildet.
Foto: winbib, Jakob Ziegler-Sulzberger (Signatur 024181_O)

Das wichtigste Tor der Stadt

Das Obertor wurde 1340 erbaut und war das wichtigste und grösste Stadttor der Winterthurer Stadtbefestigung. Es bestand anfangs aus einem Turm mit hohem Rundbogen und einem angebauten 10,2 Meter breiten Vorbau. Das Obertor lag an der damaligen Hauptverkehrsachse, die vom Bodensee über Frauenfeld bis nach Zürich führte. Der gesamte Warenverkehr aus der Ostschweiz passierte das Obertor und musste dort Zollabgaben leisten. Die Zolleinnahmen am Obertor waren enorm. Sie betrugen mehr als die Hälfte der gesamten Zolleinnahmen der Stadt. In unmittelbarer Nähe zur wichtigsten Zollstelle der Stadt befanden sich auch die bekanntesten Gasthöfe: das «Schwert» und der «Wilde Mann»

Gefängnis für gefährliche Straftäter

Im Torturm des Obertors wurden gefährliche Straftäter eingesperrt. Quelleneinträge von 1617, 1633 und aus dem 18. Jahrhundert belegen die Funktion des Obertors als Gefängnis. Das Obertor diente in erster Linie als Ausweichmöglichkeit zum Gefängnis im Holdertor. Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert verlor das Obertor als Gefängnis an Bedeutung.

Um- und Anbauten rund ums Tor

Von 1604 bis 1606 liess der Rat das Obertor umbauen. Es erhielt ein Schutzgatter und einen hervorspringenden Anbau. Der Vorbau mit flachem Satteldach diente als Torwacht- und Zollstelle. Bis 1697 zeigte die Giebelfront das Stadt- und das Zürcherwappen. Dann beschlossen der Schultheiss und der Rat, das Wappenschild am Obertor zu erneuern. Die Malerei zeigte neu das Stadt- und das Zürcherwappen, überhöht vom Reichsadler (dem «Rych»). Da das Tor zunehmend an militärischer Bedeutung verlor, verringerte man 1788 seine Höhe. Von 1788 bis 1864 entfernte man die Holzbrücke, schüttete den darunterliegenden Graben auf und baute eine Steinbrücke. 1791 errichtete man seitlich des Tors zwei etwas niedrigere Nebengebäude. Unter anderem entstand für den Torwächter ein neuer Wohnraum. 1801/02 entfernte die Stadt die Schanzen.

Widerstand gegen den Abbruch des Obertors

Nachdem man den Stadtgraben vor dem Obertor aufgefüllt hatte, fasste die Gemeindeversammlung auf Anraten des Stadtrates 1864 den Beschluss das Obertor abzureissen. Zuvor waren Verhandlungen mit den beiden Anstössern links und rechts des Tors geführt worden. Herr Schnitzler, der Eigentümer des angebauten Teils beim "Wildenmann" zeigte sich 1863 bereit diesen für 6500.- Franken an die Stadt abzutreten. Frau Sulzer-Reif vom Gasthaus Zum Schwert, die Nachbarin auf der Nordseite des Obertors, hingegen stellt laut Protokoll unannehmbare Bedingungen, so dass der Stadtrat die Diskussion um den Abriss der Tore vertagen musste. Stadtbaumeister Wilhelm Bareiss bemängelte derweil, dass die Tore eine Zirde der Stadt seien und ein Abriss mit 20'000 Franken die Stadt teuer zu stehen komme. 

Zudem stellte das Obertor kein bedeutendes Verkehrshindernis dar. Nachdem Private 5'000 Franken für den Abriss gesammelt und der Stadt zur Verfügung gestellt hatten, gab der Stadtrat unter dem Druck der öffentlichen Meinung nach und empfahl dem Gemeinderat, dem Abbruch des Obertors zuzustimmen.

Am 23. März 1864 schloss der Stadtrat mit Baumeister Schnitzler einen Vertrag ab. Er sollte das Obertor abbrechen und die Südseite entlang der Baulinie ausbauen bzw. die Ecke abschliessen. Mit Frau Sulzer-Reif kam hingegen kein Vertrag zustande, da sie nicht bereit war, ihren Teil abzugeben. Die Stadt beauftragte Schnitzler, die Teile des Obertors, die an das Gebäude von Sulzer-Reif angebaut waren, stehen zu lassen. Die Mauerruine wurde erst 1895 anlässlich des Eidgenössischen Schützenfestes abgetragen.


Benutzte und weiterführende Literatur

Dejung, Emanuel; Zürcher Richard, Hans Hoffmann: Die Stadt Winterthur und die Stadt Zürich. Kunstgeschichtliche Zusammenfassung. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band 6, Basel, 1952.
Gut, Franz: Die Übeltat und ihre Wahrheit. Straftäter und Strafverfolgung vom Spätmittelalter bis zur neusten Zeit – ein Beitrag zur Winterthurer Rechtsgeschichte. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Band 326 (1996). Chronos, Zürich, 1995. 
Isler, A.: Die Festung Winterthur und ihre Schleifung. 254. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Winterthur, 1920.
Moos von, Paul: Mein Winterthur: heimatkundliches Lesebüchlein. Winterthur, 1950. 
Sulzer, Peter: Tore, Türme, Bögen im alten Winterthur. Verschwundene Zeugen der Vergangenheit. Mit einer Einleitung und Bildlegenden von Peter Sulzer. Gemsberg, Winterthur, 1985.

Bibliografie


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
23.09.2024