Politik

Rudolf Friedrich

Rechtsanwalt, Bundesrat (FDP), 1923–2013

Rudolf Friedrich wurde 1982 in den Bundesrat gewählt und übernahm das Justizministerium. Politisch setzte er sich für eine starke Armee und gegen totalitäre Staatssysteme ein, was zu Kontroversen führte. Nach nur 22 Monaten im Amt gab er seinen Rücktritt bekannt. Dennoch blieb er politisch aktiv. Ab den 1990er-Jahren engagierte er sich gegen den Rechtspopulismus und setzte sich im Wahlkampf für den Beitritt der Schweiz zur UNO und später zur EU ein.


Sterbeort
Winterthur

Geburtsort
Winterthur

Geboren
04.07.1923

Gestorben
15.10.2013


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Bundesrat Rudolf Friedrich kurz nach seiner Wahl 1982
Foto: winbib (Signatur 171193)

Beruflicher Werdegang

Rudolf Friedrich kam am 4. Juli 1923 in Winterthur zur Welt. Er wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf: Sein Vater Jean-Jacques Friedrich war ein angesehener Kinderarzt, und seine Mutter Ida Fanny stammte aus der Industriellenfamilie Sulzer. Als Kind schloss sich Friedrich der Pfadfinderbewegung an, die ihn prägte und der er seinen Beinamen «Storch» verdankte. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Maturität studierte Friedrich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich. Während des Zweiten Weltkriegs leistete er Aktivdienst in einem Gebirgsarmeekorps und schlug später die Offizierslaufbahn ein. Dabei erreichte er den Rang eines Hauptmanns. 1947 promovierte Rudolf Friedrich mit seiner Dissertation über die Verstaatlichung von Elektrizitätswerken mit internationaler Konzession. Danach arbeitete er bei verschiedenen Gerichten und in einer Anwaltskanzlei und erwarb das Anwaltspatent. 1957 eröffnete er eine eigene Anwaltskanzlei in Winterthur. Friedrich kümmerte sich um ein breites juristisches Spektrum, das von Ehescheidungen bis zum Wirtschaftsrecht reichte. Trotz vorhandener Möglichkeiten baute er seine Kanzlei nicht aus, sondern führte sie alleine.

Politische Laufbahn

Schon als Jugendlicher interessierte sich Friedrich für politische Fragen. Er trat der Jugendorganisation der Freisinnigen bei, schrieb für politische Zeitungen und engagierte sich als Mitglied der Offiziersgesellschaft Winterthur. 1948 trat der 25-Jährige in die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) ein. Prägend für seine politischen Kernthemen waren seine persönlichen Erfahrungen im Aktivdienst während des Zweiten Weltkriegs. Er war ein vehementer Gegner von totalitären Systemen wie dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus. 1957 übernahm Friedrich das Sekretariat der FDP Winterthur. 1962 wurde er in den Grossen Gemeinderat gewählt, dem er bis 1975 angehörte. Von 1967 bis 1977 sass er zusätzlich im Zürcher Kantonsrat. Dort bewies Friedrich grosses politisches Talent und wurde 1970 zum Vizepräsidenten und 1974 zum Präsidenten der FDP des Kantons Zürich gewählt.

Eidgenössische Politik

1975 wurde Rudolf Friedrich in den Nationalrat gewählt. Er erhielt sofort wichtige Mandate in der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten und in der Militärkommission. Friedrich zeigte sich als engagierter Verfechter einer starken Armee und übte scharfe Kritik an den Linken wegen deren offener Haltung gegenüber der Sowjetunion. Auch den in den 70er-Jahren entstandenen Friedensbewegungen stand er kritisch gegenüber, was ihn in linken Kreisen zunehmend zur Reizfigur machte. Aufgrund seines vehementen Auftretens bezeichneten ihn manche als «Kalten Krieger».

Als der Bundesrat der FDP, Fritz Honegger, 1982 seinen Rücktritt ankündigte, beschäftigte sich die Partei mit der Frage der Nachfolge. Obwohl viele Persönlichkeiten in Frage kamen, setzte sich Rudolf Friedrich schliesslich nach einer zähen internen Ausmarchung durch. Die eigentliche Bundesratswahl fiel dann viel weniger kontrovers aus. Obwohl die Medien den spitzzüngigen Politiker oft kritisch portraitierten, zog Rudolf Friedrich schon nach dem ersten Wahlgang mit 130 Stimmen in die Landesregierung ein.

Schweizerisches Radio und Fernsehen (SRF): Porträt Bundesratskandidat Rudolf Friedrich, Tagesschau 07.12.1982.

Wirken als Justizminister

Rudolf Friedrich übernahm das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement. Der Winterthurer erbte eine Reihe von Reformprojekten, die sein veränderungsfreudiger Vorgänger Kurt Furgler (CVP) initiiert hatte. Mit Rudolf Friedrich zog jedoch ein ganz anderer Führungsstil ins Departement ein. Der ehemalige Offizier war kein grosser Redner und verhielt sich gegenüber den Medien eher zurückhaltend. Der Boulevardzeitung «Blick» gab er beispielsweise nie ein Interview. Die geplanten Reformen führte der Magistrat jedoch konsequent durch. Obwohl seine Amtszeit nur kurz dauern sollte, konnte Friedrich einige wichtige Akzente setzen. In den 1980er-Jahren entwickelte er einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Gegen den Ausverkauf der Heimat» der Rechtspartei «Nationale Aktion». Seine «Lex Friedrich» wurde 1984 knapp vom Volk gutgeheissen. Sie brachte Einschränkungen für den Erwerb von Schweizer Liegenschaften durch ausländische Personen.

Rudolf Friedrich war massgeblich an der Umsetzung des 1981 eingeführten Gleichstellungsartikels zwischen Mann und Frau im Bereich des Bürgerrechts beteiligt. Das entsprechende Bürgerrechtsgesetz trat erst 1992 und damit lange nach seinem Rücktritt in Kraft. Ebenfalls bedeutend war sein Einfluss auf die Revision des Eherechts. Dort setzte er sich für ein modernes partnerschaftliches Rollenverständnis von Mann und Frau ein. Die Revision wurde 1985 vom Volk deutlich gutgeheissen. Erfolgreich war er auch mit seinem Gegenvorschlag zur Initiative «Entschädigung für Opfer von Gewaltverbrechen», wodurch die Schweiz ein modernes Opferhilfegesetz erhielt. Auch die Reform des Föderalismus lag ihm am Herzen. Er war ein Gegner der Aufgabenabwälzung auf den Bund und befürwortete eine hohe Handlungskompetenz der Kantone und Gemeinden. Entsprechende Gesetze brachte er 1985 erfolgreich durch. Die Revision der Bundesverfassung forcierte er hingegen nicht.

Einen weiteren Schwerpunkt setzte er beim Ausbau des Persönlichkeitsschutzes, indem er das Recht auf Gegendarstellung im Medienrecht verankerte. Grundsätzlich setzte er sich für einen starken Datenschutz ein. Rudolf Friedrich war zudem ein überzeugter Befürworter eines Beitritts der Schweiz zur UNO und der Europaratskonvention. Mit diesen Haltungen wich er von der Parteilinie ab.

Herausforderungen im Asylwesen

Seine Amtszeit war besonders geprägt von Fragen rund um das Asylwesen. Bei seinem Antritt waren über 10'000 Asylgesuche noch nicht bearbeitet, und die Flüchtlingszahlen stiegen laufend an. Rudolf Friedrich setzte Massnahmen zur Beschleunigung des Asylverfahrens um und versuchte gleichzeitig, den Missbrauch des Asylgesetzes einzudämmen, wofür er eine Teilrevision anstrebte. Dabei stellte er sich auf den Standpunkt, dass Wirtschaftsflüchtlinge konsequent abgewiesen werden sollen, während politisch Verfolgte Aufnahme finden sollen. Im konkreten Fall die richtige Entscheidung zu treffen, war allerdings keine leichte Aufgabe, und sie belastete den Magistrat. Nicht selten beschäftigte er sich persönlich mit Härtefällen.

Anschlag auf sein Wohnhaus in Winterthur

1983 verantwortete Rudolf Friedrich im Rahmen von Massnahmen zur Spionageabwehr die Schliessung der sowjetischen Nachrichtenagentur «Nowosti» in Bern. In der Folge kritisierten die Medien ihn als «paranoiden Antikommunisten», insbesondere weil die Öffentlichkeit nicht über die Hintergründe der Schliessung informiert wurde. Aufgrund seiner antikommunistischen Haltung und seiner Position als Justizminister wurde er bald zum Feindbild der damaligen Jugendbewegung. Zwischen 1983 und 1984 erlebte Winterthur zunehmende Jugendunruhen, die in einer Reihe von Farb- und Sprengstoffanschlägen mündeten (sogenannte Winterthurer Ereignisse). Dazu gehörte auch ein Sprengstoffanschlag auf die Wohnung des Bundesrates Rudolf Friedrich am 7. August 1984. Wie bei allen vorhergehenden Anschlägen gab es keine Verletzten, und der Sachschaden war verhältnismässig gering. Dennoch löste das Ereignis ein grosses Medienecho aus. Die Behörden reagierten unter dem Codenamen «Engpass» mit der bis dahin grössten Verhaftungsaktion im Kanton Zürich, bei der 32 Jugendliche festnahmen.

Rücktritt und weiteres Engagement

Kurz nach dem Anschlag gab Rudolf Friedrich nach nur 22 Monaten im Amt seinen Rücktritt bekannt. Hauptsächlich nannte er gesundheitliche Gründe für seinen Entscheid. In Interviews äusserte er auch seine Unzufriedenheit mit der langwierigen Arbeitsweise in der Landregierung. Nach seinem Ausscheiden aus der Landesregierung blieb Rudolf Friedrich politisch aktiv. So engagierte er sich unter anderem in der Stiftung Pro Juventute und der Stiftung Patenschaft für Berggemeinden. Von 1985 bis 1993 sass er zudem im Verwaltungsrat der Neuen Zürcher Zeitung. 1986 war er Mitbegründer der Schweizerischen Helsinki-Vereinigung, die sich für den Dialog mit den osteuropäischen Staaten einsetzte und das Ziel hatte, die Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu fördern. Ebenfalls beteiligte er sich am Wahlkampf für einen UNO- und später auch EU-Beitritt. Im Verlauf der 1990er-Jahre positionierte er sich vermehrt gegen den Rechtspopulismus in der Schweiz und trat medienwirksam als liberaler Gegenspieler zu Christoph Blocher (SVP) auf.

Am 15. Oktober 2013 verstarb Rudolf Friedrich in Winterthur. Die Nachricht über seinen Tod wurde auf seinen Wunsch hin erst nach seiner Beisetzung publik gemacht, weshalb es keine offizielle Abdankung gab.


Benutzte und weiterführende Literatur

Müller, Felix E.: Rudolf Friedrich, in: Das Bundesratslexikon hrsg. von Urs Altermatt, Basel 2019, S. 570–577.
Bucher, Erwin/Rensch, Hans U.: Bundesräte aus Winterthur. BUndesrat Rudolf Friedrich, in: Winterthurer Jahrbuch 1984, S. 29–52.

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
23.07.2024