Öffentliche Bauten

Städtische Schweinemastanstalt

1914–1918

1911 übernahm die Stadt Winterthur das renovierte Schloss Wülflingen, das sich als beliebtes Ausflugsziel etablierte. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, trafen Bund, Kantone und Gemeinden sofort Massnahmen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung. Die Stadt Winterthur errichtete im Gutsbetrieb des Schlosses eine städtische Schweinemastanstalt mit hundert Jungtieren. Diese hatte bis 1918 bestand.


Baujahr
1914

Geschlossen
1918


Die städtische Schweinemast mit etwa 100 Schweinen im Jahr 1915. Die Stadt verkaufte das Schweinefleisch zu günstigen Preisen an bedürftige Menschen.
Foto: winbib (Signatur Schloss Wülflingen 14_14)

Schweinemastanstalten als Teil der Notversorgung und Abfallverwertung

Die Stadt Winterthur stand mit ihrer Massnahme nicht alleine da. In mehreren Schweizer Städten entstanden bereits um 1900 und vermehrt während des Ersten Weltkriegs städtische Schweinemastanstalten. Neben Winterthur besassen auch St. Gallen, Luzern, Solothurn und Zürich solche Anlagen. Die Schweine dienten nicht nur als Fleischlieferanten, sondern auch der städtischen Abfallentsorgung. Dies geschah zu einer Zeit, als es noch keine motorisierte Kehrichtabfuhr gab. Die Bevölkerung wurde von der Stadt angehalten, ihre Speiseabfälle bei der Mastanstalt abzugeben. Die Abfälle wurden zuerst sterilisiert und danach den Schweinen verfüttert. Auch hier handelte es sich letztlich um eine Notmassnahme während des Krieges, weil es an geeignetem Futter wie beispielsweise Mais mangelte.

Die Stadt als Schweinezüchterin

 Als 1915 klar wurde, dass die Schweiz nicht in den Krieg hineingezogen wird, gerieten die inzwischen ausgewachsenen städtischen Schweine in die Kritik. Die «nicht immer nach Pariser Odeurs duftende Kolonie» störte die Besuchenden und Restaurantgäste im benachbarten Schloss Wülflingen, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete. Gleichzeitig waren die Schweinemastanstalten politisch umstritten. Viele Politiker:innen waren der Meinung, dass es keine staatliche Aufgabe sei, Schweine zu züchten und Fleisch zu verkaufen, zumal dadurch auch die Fleischpreise unter Druck gerieten. Zum Verhängnis wurden den Stadtschweinen jedoch nicht der strapazierte Geruchssinn der Schlossgäste, sondern ihr Alter. Die Stadtverwaltung liess sie schlachten und verkaufte das Fleisch im Gasthof «zur Henne» an der Obergasse unter dem üblichen Marktpreis an bedürftige Personen.

Mit dem Ende des Krieges und der gleichzeitigen Einführung neuer Kehrrichtwagen wurde die Schweinemastanlage in Winterthur 1918 obsolet. Die Stadt hob die Schweinemastanlage auf. Die verbleibenden Jungtiere fanden auf einem städtischen Gutshof bei Wiesendangen ein neues Zuhause.


Benutzte und weiterführende Literatur

o.A.: Aus Winterthur, Neu eZürcher Zeitung, 22.02.1918.
o.A.: Aus Winterthur und Umgebung, Zürcher Oberländer, 29.07.1917.
o.A.: Weiterführung der Schweinezucht und Schweinemast, Neue Zürcher Zeitung, 16.08.1916.
o.A.: Beschaffung von Lebensmitteln, Neue Zürcher Zeitung, 16.09.1915
o.A: Die Städtische SChweinezucht auf dem Schlossgut, Neue Zürcher Zeitung, 08.04.1915.


Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
02.10.2024