Burgen, Schlösser und Stadtbefestigung

Schloss Wülflingen

Wülflingerstrasse 214

Das Schloss Wülflingen wurde zwischen 1644 und 1647 am östlichen Dorfrand von Wülflingen erbaut und gilt heute als der am besten erhaltene private Gerichtsherrensitz im Kanton Zürich. Seit 1796 dient das Schlossgebäude als Gastwirtschaft. 1911 befindet es sich im Besitz der Stadt Winterthur.


Baujahr
1644–1647

Übernahme Stadt Winterthur
1911


Adresse
Restaurant Schloss Wülflingen
Wülflingerstrasse 214
8408 Winterthur

Das Schloss Wülflingen wurde 1644 im Auftrag des Zürchers Hermann Escher gebaut und diente als Herrschaftsresidenz und Gerichtsgebäude. 
Foto: winbib (Signatur 112360_O)

1634 wäre es der Stadt Winterthur beinahe gelungen die Herrschaft Wülflingen zu kaufen. Weil Winterthur dadurch aber immer mächtiger geworden wäre und die Herren von Zürich keine zweite Hauptstadt in der Region dulden wollten, kam ihr der Zürcher Patrizier Hans Hartmann Escher zuvor und so blieb Wülflingen in der Herrschaftssphäre von Zürich. Als Herrschaftssitz stand dem Käufer damals lediglich die halb verfallene Burg Alt-Wülflingen zur Verfügung, die wenig einladend wirkte. Sich in Winterthur niederzulassen, wie es die Vorbesitzer getan hatten, kam aus politischen Gründen nicht in Frage.  

Wie der Gerichtsherr sein Baumaterial zusammenklaubte

1644 gab Hartmann Escher den Bau eines neuen Herrschaftssitzes samt Gerichtsgebäude in Auftrag. Die Burg Alt-Wülflingen diente für den Bau als Steinbruch, was jedoch aufwendig und mühsam war, da die Brocken vom Hügelsporn der Ebnet heruntergeführt werden mussten. Ebenfalls verstrickte sich Escher in einen Streit mit der Dorfgemeinde Wülflingen, da er für seine Anlage viel Bauholz benötigte und der Ansicht war, dass ihm das Recht zustand, sich dafür am Gemeindewald zu bedienen, was er auch tat. Die Wülflinger bestritten dies und brachten den Fall vor Gericht und erhielten mehrheitlich Recht. Der Ruf des neuen Gerichtsherrn war damit schon angekratzt und er tat in der Folge auch wenig um in einem besseren Licht dazustehen – im Gegenteil. Zur gleichen Zeit wie der Schlossbau wollte die Dorfgemeinde nämlich eine neue Kirche errichten und so lagen auf dem Bauplatz bereits die dafür nötigen Baumaterialien bereit. Diese soll Hartmann Escher gestohlen und für seinen Schlossbau aufgewendet haben.

Gerichtsgebäude und Amtssitz

Bis 1647 entstand am Ostrand des Dorfes das Schloss Wülflingen. Dabei handelt es sich um ein ummauertes Gebäudeensemble bestehend aus einem Haupthaus, einer Scheune, einem Waschhaus und einer grosszügigen Gartenanlage. Im Gegensatz zur Burg Alt-Wülflingen befand sich die Anlage also nicht mehr militärstrategisch günstig auf einem Hügelsporn gelegen, sondern mitten in der Talebene. Diese Entwicklung ist typisch für die Herrschaftsresidenten des 17. Jahrhunderts, die das Komfortbedürfnis und die repräsentativen Funktionen wesentlich mehr berücksichtigten, als die Wehrhaftigkeit. Das Haupthaus besteht aus einem zweigeschossigen, vollständig unterkellerten Steinbau. Zur besonderen Charakteristik trägt das Satteldach mit seinen Treppengiebeln bei.

Das Schloss erfüllte unterschiedliche Funktionen: Einerseits diente es als Gerichtsstube und für repräsentative Zwecke der Herrschaft Wülflingen, gleichzeitig konnten darin auch Gäste empfangen und beherbergt werden und schliesslich war das Schloss auch der Wohnsitz der Herrschaftsfamilie. An das Ensemble angeschlossen war ein grosser Landwirtschaftsbetireb und eine Ziegelhütte. Letztere blieb bis 1900 in Betrieb.

Hochblüte unter General Salomon Hirzel

Hartmann Escher war mit Margareta von Meiss verheiratet. Nach ihrem Tod im Jahr 1682 ging das Schloss und die Herrschaft über Wülflingen-Buch an Hans Hartmann von Meiss über. Dieser liess einen schmalen Garten beim Schloss anlegen und erweiterte den Hof gegen Westen. Von 1711 bis 1717 amtete Hartmann von Meiss als Landvogt auf der Kyburg und war somit vor Ort nur noch wenig präsent. Es war damals nicht unüblich, dass die Ehefrauen in den städtischen Herrschaftssitzen zurückblieben und dort Repräsentationspflichten übernahmen. Allerdings hatte Hartmann von Meiss durch seine neue Position kaum mehr ein Interesse um die Herrschaft Wülflingen-Buch zu halten. Abermals brachte sich die Stadt Winterthur als mögliche Käuferin in Stellung und wurde wieder von der Zürcher Obrigkeit kleingehalten, was die Beziehungen zwischen den beiden Städten belastete.

Die Herrschaft und das Schloss gingen schliesslich über eheliche Verbindungen an die Familie Hirzel über. Dabei handelte es sich um eines der bedeutendsten Zürcher Adelsgeschlechter. Als Schlossherr trat nun der Salomon Hirzel in Erscheinung. Er diente als General der Infanterie in holländischen Diensten und erhielt dafür ein hohes Einkommen das ihm erlaubte wie ein kleiner Fürst mit vielen Bediensteten in Wülflingen zu leben. Unter seiner Ägide nahm das repräsentative und militärische Leben im Schloss Wülflingen markant zu. Er veranstaltete häufig grosse Militärübungen, Tafelfeste, Ausritte und Jagdausflüge. Für letztere liess er an der Töss auf dem Gelände der später entstandenen Baumwollspinnerei Hard eine kleine Jägerburg errichten, die sein Lieblingsort war.

Die Verschwenderischen Söhne des Generals

Obwohl bei dem bald kränkelnden Salomon Hirzel das Geld locker in den Taschen sass, lebte er nie über seinen Verhältnissen und war nicht so verschwenderisch wie seine Söhne. Diese regierten jeweils, wenn der Vater ins Feld ziehen musste. Als Salomon Hirzel für längere Zeit krankheitsbedingt ans Bett gefesselt war, liessen seine Söhne hinter dem Schloss eine riesige Reitbahn errichten, die später vor das Holdertor bei der Stadt Winterthur verschoben wurde. Diese Investition verschlang so viel Geld, dass General Hirzel seinen Söhnen voraussagte, dass sie dereinst im Armenhaus enden würden. Als Salomon Hirzel 1755 starb, versiegte auch der Geldsegen aus Holland und die Mittel wurden knapper.

Das Schloss und die Herrschaft gingen an die drei Söhne über, die sich untereinander zerstritten. Schliesslich zahlte der mittlere Sohn Salomon Hirzel seine Brüder aus und übernahm die Herrschaft. Dieser verschuldete sich bald und verarmte. Darunter litt auch das Schloss, das immer mehr dem Verfall preisgegeben war. Kurz bevor er das Schloss abtreten musste, liess Hirzel die ehrwürdige Gerichtsstube vom Künster Christoph Kuhn neu ausmalen und zwar zeigten die Bilder die «tollen Streiche» der Hirzel-Brüder. Mit Salomon Hirzel Junior endete auch die Zeit der Wülflinger Gerichtsherrschaft. 1767 ging das Schloss an den Winterthurer Schultheissen Johannes Sulzer über, der es Restaurieren liess.

Das Schloss wird zur Schenke und drohender Ausverkauf

1796 erbte Anna Maria Sulzer das Schloss. Sie betrieb gemeinsam mit ihrem Ehemann David Sulzer eine Weinschenke im Schloss. 1883 brannte die ehemalige Scheune ab, die danach neu aufgerichtet wurde. 1906 sollte ein Grossteil der Inneneinrichtung verkauft werden. Erste Ausschreibungen waren bereits getätigt und weckten auch das Interesse ausländischer Altertumsliebhaber. Gegen diesen Totalausverkauf des heimischen Kulturgutes regte sich aber Widerstand. Innert 10 Tagen bereiteten der Winterthurer Kunstverein, der historisch-antiquarische Verein und der Verkehrs- und Verschönerungsverein Winterthur die Rettung des Schlossgutes vor. Das nötige finanzielle Rückgrat erhielt das Initiativkomitee durch die eidgenössische Kommission der Gottfried Keller-Stiftung zugesichert. Hinzu kamen Beiträge der Stadt Winterthur, der jeweiligen Vereine und Privaten.

Am 1. August 1906 erfolgte im Casino die Gründung der Genossenschaft Schloss Wülflingen, die das Schloss aufkaufte. Das Schloss sollte dabei nicht in ein Museum umgewandelt werden, wie das bei anderen Herrschaftssitzen üblich war um es für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Stattdessen sollte die Weinschenke weiterbetrieben werden, womit das Haus ja ebenfalls den Gästen offenstand. Zwischen 1907 und 1908 erfolgte unter der Leitung von Josef Zemp eine umfassende Renovation der öffentlich zugänglichen Räume, die Restaurierung der Malereien und Täfer sowie der Einbau mehrerer Kachelöfen. Mit der feierlichen Wiedereröffnung der Schlosswirtschaft hatte die Genossenschaft ihren Zweck erfüllt und so ging die Anlage 1911 in den Besitz der Stadt Winterthur über.

Die Herrenstube, der Speisesaal und die Weinstube sowie das gesamte Inventar gehört jedoch der Gottfried Keller-Stiftung, die sie als Dauerleihgaben zur Verfügung stellt.

Unzählige Renovationen

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde die Gesamtanlage sukzessive restauriert. Zwischen 1910 und 1926 erfolgte vor allem die Freilegung älterer Wandmalereien sowie der fortgesetzte Einbau von Kachelöfen die teilweise von abgebrochenen Häusern aus Zürich und Winterthur stammten. Auch andere historische Bauelemente, die sonst abgebrochen wären, fanden im Schloss Wülflingen eine neue Bleibe, darunter das Täfer aus dem Haus «Zur Rose», das 1917 ins Schloss transferiert wurde. In den 1980er-Jahren erfolgte dann eine Erweiterung des Kellergeschosses für Garderoben, Schutzraum und eine Trafostation. Ebenfalls wurden die Küchen erneuert.

Zwischen 2007 und 2008 erfolgte unter denkmalpflegerischer Begleitung eine erneute Gesamtrenovation.

Seminar- und Gastbetrieb

Das Schloss Wülflingen hat sich als Restaurant und Seminarzentrum etabliert. Aufgrund der herrschaftlichen Räumlichkeiten wird es auch gerne für Hochzeiten und Bankette reserviert. Im Weinkeller finden zudem regelmässig Degustationen statt. Ebenfalls können auch Schlossführungen gebucht werden.


Benutzte und weiterführende Literatur

Raphael Sollberger/Stefanie Magel: Schloss Wülflingen, in: Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung, Band 5, S.  139–151.
Stadt Winterthur: Schloss Wülflingen, Winterthur 2008.
Peter Ziegler: Wüflingen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Winterthur 1975 (305. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur).
Emanuel Dejung/ Richard Zürcher: Schloss Wülflingen, in: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band VI, Die Stadt Winterthur, 1952, S: 355–371.
Verkehrs- und Verschönerungsverein Winterthur: Schloss Wülflingen, Winterthur 1915.

Bibliografie

    Schloss Wülflingen, Restaurant

    • Einträge 1991–2010

      Gault Millau: Landbote 1991/242.
      Das gastrokulturelle Gesamtkunstwerk: Salz & Pfeffer 1992/10 von Rolf Grob, m.Abb.
      Andelfinger Zeitung 1993/39 m.Abb.
      In Gault Millau: Weinländer Zeitung1998/120.
      Schloss Wülflingen Winterthur [Werbebroschüre], 199. . 5 S. : Ill.: Winterthurer Dok. 1999/68.
      Pächterwechsel: Landbote 2007/7 m.Abb., 160 1Abb., 2008/129 1Abb., 205, 240 Koch m.Abb., 242 Interview Verena Gick.. - Wulfilo 2007/4 1Abb. - NZZ 2008/208 S. 58 neuer Pächter Hansueli Wagner. - Stadtanzeiger 2008/37 1Abb.
      Betrieb: Landbote 2008/273. - Winterthurer Zeitung 2008/48 m.Abb.
      Erfolg: Landbote 2009/240 m.Abb.

    Schloss Wülflingen

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Schloss Wülflingen. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke, Häuser und Villen St-Z. 2 S.
      Liste mit Daten zum Gebäude und der Einrichtung, undatiert, in: Doku Landbote 10/2.
      Westermann, Reto: Städtebau. Schlossscheune mit Innenleben. In: Winterthurer Jahrbuch 2023. S. 150., m. Abb.

      Einträge 1991–2010

      Stöffi Kuhn und seine Malereien im Schloss Wülflingen: Walliseller Chronik 1992, Malerfamilie Kuhn, m.Abb.
      Wie das Schloss Wülflingen zur Stadt kam: Weinländer Zeitung 2002/103 von Agi Winter.
      Totalsanierung; Verkauf? Landbote 2007/160 m.Abb., 254 m.Abb. - Tages-Anzeiger 2007/160 1Abb. - Wulfilo 2007/5 Schäden 1Abb.
      Gebundene Ausgaben, Kritik: Landbote 2007/283 m.Abb., 284 m.Abb., 288. - NZZ 2007/284 S. 59.
      Sanierung: Landbote 2008/6 Beschleunigung, 37 m.Abb., 279 Baureportage, m.Abb. - NZZ 2008/273 S. 55 1Abb.
      Umgebungsgestaltung: Anträge, Anfragen und Interpellationen des Grossen Gemeinderates Winterthur 2008/19 m.Plänen. - NZZ 2008/115 S. 52 Bezirksrat. - Landbote 2008/115 1Abb. - siehe auch Tag des Denkmals 2008. - Umbau und Renovation 2007-2008 Schloss Wülflingen / von Ina Hirschbiel-Schmid. Winterthur : Amt für Städtebau, 2008. (15 S.) : Ill.
      Sanierung Garten: Landbote 2009/30 m.Abb.
      Lichtspektakel "Chaos Lines" von Christopher T. Hunziker: Landbote 2009/267 1Abb., 2010/186 Versetzung zum Theater am Stadtgarten, m.Abb.
      Gebundene Ausgaben: Landbote 2010/50


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
17.06.2024