Wohnhäuser

Türmlihaus (Türmlihus)

Technikumstrasse 36

Das Hinterhaus «zum oberen Steinberg» hat eine Fassadenbreite von 24 Metern und vier Vollgeschosse. Es gehört zu den eindrucksvollsten Gebäuden der Altstadt. Ein besonderes Merkmal ist der erhaltene Wehrturm der ursprünglichen Stadtbefestigung. Der Name «Türmlihus» leitet sich von diesem Turm ab.


Baujahr
1726


Adresse
Studentenwohnheim Türmlihuus
Technikumstrasse 36
8400 Winterthur

Das Türmlihaus war ursprünglich ein Teil der Stadtbefestigung. Rundtürme sicherten die Mauerabschnitte zwischen den mächtigen Stadttoren. Postkarte aus dem Jahr 1910.
Foto: winbib (Signatur Technikumstrasse 61_18)

Wehrhaftes Winterthur

Der halbrund aus der Ringmauer vorkragende Turm gehörte zur ursprünglichen Stadtbefestigung des 12. Jahrhunderts. Solche Wehrtürme dienten zur Absicherung von Mauerabschnitten, die sich zwischen den mächtigen Stadttoren befanden. Ein eindrückliches Beispiel für eine intakte Ringmauer mit Wehrtürmen ist das Städtchen Murten im Kanton Freiburg. Der Turm verweist aber auch auf die Tatsache, dass die Stadtmauer aus den geschlossen aneinandergebauten Hinterhäusern der Altstadtliegenschaften bestand. Diese dienten in der Regel als Wirtschaftsräume und enthielten oftmals eine offene Küche und Lagerräume. Die Hausbesitzenden mussten jeweils entsprechende Abgaben und auch Wehrpflichten erfüllen, so waren sie für die Instandhaltung der Anlage verantwortlich.

1726 gelangte Hans Georg Steiner im Besitz der Liegenschaft «zum Steinberg» und begann das dazugehörige und sonnig gelegene Hinterhaus in ein Wohnhaus umzubauen. Dabei erhielt er vom Rat die Erlaubnis, den alten Wehrturm auf eigene Kosten zu renovieren und umzugestalten. Steiner liess dann eine grosse Fahne mit dem Stadtwappen darauf errichten. Er musste aber versprechen, dass der Turm Eigentum der Stadt bleibt und in Kriegszeiten von dieser auch benutzt werden durfte. 

1773 kaufte Johann Heinrich Ziegler (1738–1818), Mitgründer des Laboratoriums, den Wohnkomplex. Er erwarb ebenfalls die westliche Nachbarliegenschaft und erweiterte so das Haus um zwei Achsen auf die heutige Breite. Nach dem Tod des Besitzers ging die LIegenschaft an dessen Sohn Johann Jakob Ziegler-Pellis (1775–1863).

 

Verhängnisvoller Schwarzpulverunfall

Der Industriepionier und Naturforscher Jakob Ziegler-Pellis liess das Haus um ein drittes Obergeschoss erweitern und richtete dort ein öffentlich zugängliches Naturkabinett ein. Gleichzeitig erhielt der Turm eine Aussichtsterrasse mit Säulengalerie. Beruflich experimentierte Ziegler-Pellis in seinem Labor viel mit Schwarzpulver. Nach einer Explosion in der Fabrik verbot ihm die Stadt den Umgang mit dieser gefährlichen Substanz. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, mit seinen Versuchen in seinem Privathaus weiterzumachen. 1862 kam es bei einer Versuchsreihe zu einem folgenschweren Unfall, bei dem die Hausangestellte Salomea Grübler tragisch ums Leben kam. Nur mit Glück blieb die Stadt vor einem Grossbrand verschont. Ziegler-Pellis wurde daraufhin wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, verstarb jedoch noch vor der Urteilsverkündung.

Von der Schuhfabrik zum Studentenwohnheim

Die Liegenschaft blieb im Besitz der Familie Ziegler. Diese vermietete sie an Jakob Friedrich Amman, dem das benachbarte Haus «zum Tiger» gehörte. Er gründete 1859 eine Schuhfabrik, die sich über beide Häuser samt Hinterhäuser erstreckte und zu Spitzenzeiten bis zu 250 Mitarbeitende beschäftigte. Danach folgten weitere gewerbliche Nutzungen, bis die Stadt Winterthur im Jahr 1959 den gesamten Wohnkomplex kaufte. Schon bald kam die Idee auf, darin ein Studierendenheim einzurichten. 1967 gründeten die Verantwortlichen den Verein «Studierendenheim Technikum Winterthur» (seit 2012 Stiftung SWOWI). Dieser konnte die Liegenschaft von der Stadt kostenlos im Baurecht übernehmen. Aufgrund ungenügender Finanzierung zog sich das Projekt jedoch in die Länge. Das Vorhaben konnte dann in einem zweiten Anlauf dank der grosszügigen Unterstützung des Technikums im Jahr 1974 umgesetzt werden, das damals gerade sein 100-jähriges Bestehen feierte. Der Verein liess die Liegenschaft für 2.2 Millionen Franken umfassend sanieren und umbauen. Mit der Aufgabe betraute der Verein den Architekten Hans Rudolf Lanz. Es entstand ein Studierendenheim mit Platz für 38 Personen. Im Türmlihaus wurde jedoch nicht nur gewohnt und studiert, sondern es diente auch als Konzert-, Ausstellungs- und Veranstaltungsort. Seit 2016 verwaltet die Studentische Wohngenossenschaft Zürich (WOKO) die Liegenschaft.

Ab 1995 betrieb der Verein der Studierenden der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (VSZHAW) in den Kellerräumlichkeiten und im Wehrturm die «Brainstormbar». Obwohl sich der Ort bald als beliebter Treffpunkt für Studierende etablierte, litt der Barbetrieb unter anhaltenden Defiziten, und es drohte die Schliessung. Um die Bar zu retten, schlossen sich im Jahr 2015 fünf Freiwillige zum Verein «Türmli-Bar» zusammen.


Benutzte und weiterführende Literatur

Archivalien
Stadtarchiv Winterthur: Akten Karl Keller (Signatur A 23/40)

Literatur
Berger, Anna: Studentenbar im Türmlihaus wieder offen, in: Der Landbote, 17.03.2016.
Berger, Anna: Swowi: Streithähne einigen sich nach jahrelangem Konflikt, in: Der Landbote, 16.10.2015
Graf, Michael: Studenten-Knatsch: ZHAW-Bar schliesst, in: Der Landbote, 05.03.2015.
MST: Eines der stolzesten Bürgerhäuser in neuer Pracht, in: Neue Zürcher Nachrichten, 10.10.1977.


Bibliografie

    Technikumstrasse 36, Türmlihaus, Studenten-Wohnheim

    • Einträge ab 2011

      Dubach, Seline: Daheim im Türmlihaus. In: Coucou, Nr. 68 (2018). S. 35. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Brainstorm 2001/3 m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
09.10.2024