Wirtschaft und Gastronomie

Jakob Ziegler-Pellis

Erfinder, Fabrikant, Direktor Musikkollegium, 1775–1863

Jakob Ziegler-Pellis war ein umtriebiger Geschäftsmann und Erfinder und gehörte zu den wohlhabensten Winterthurer seiner Zeit. Schweizweit bekannt war er als Chemie- und Tonwarenfabrikant. Er besass eigene Fabriken in Winterthur und Schaffhausen. Seine Faszination für Schwarzpulver wurde aber ihm und zwei seiner Angestellten zum Verhängnis.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
23.07.1775

Gestorben
18.01.1863


Jakob Ziegler-Pellis mit seinen Enkeln Leonie, Anna, Gertrud und Henry, 1861.
Foto: winbib (Signatur 160250)

Persönlicher Werdegang

Jakob Ziegler-Pellis wurde am 25. Juli 1777 als zweites von drei Kindern des Arztes und Chemiefabrikaten Heinrich Ziegler und dessen Ehefrau Verena Biedermann geboren. Er wuchs in wohlhabenden Verhältnissen im Haus «Zum oberen Steinberg» in Winterthur auf. Dort besuchte er wahrscheinlich die öffentlichen Stadtschulen. Sein weiterer Bildungsgang lässt sich nicht ermitteln. Ziegler-Pellis Weg ins Erwachsenenleben war geprägt von der Besetzung der Stadt Winterthur durch französische und österreichische Truppen in den Jahren der Helvetischen Republik. Mitten in dieser unruhigen Zeiten heiratete er 1798 die damals 18-jährige Elisabetha Hegner, die einen Sohn gebar, jedoch bald darauf verstarb. So heiratete er 1801 die Winterthurerin Ludovika Steiner, mit der er acht Kinder hatte. Seine Ehefrau litt über Jahre an melancholischen Gemütszuständen und beging 1836 Selbstmord. Darauf heiratete der Witwer seine dritte Gattin, die aus Lausanne stammende Fanny Pellis, mit der er seinen Lebensabend verbringen sollte.

Über die berufliche Laufbahn von Jakob Ziegler-Pellis ist wenig bekannt. Vermutlich arbeitete er schon früh in der chemischen Fabrik an der Laboratoriumstrasse, die sein Vater zusammen mit Johann Sebastian von Clais 1778 gegründet hatte. Die Naturwissenschaften gehörten zu den Leidenschaften von Ziegler-Pellis und so richtete er gemeinsam mit seinem Vater im Hinterhaus «zum Steinberg» ein mechanisches Atelier ein, das aus einer Schmiede und einer Schlosserei bestand. Ebenfalls legten die beiden eine naturwissenschaftliche Sammlung an.

Industriepionier

1802 kaufte Jakob Ziegler in Neftenbach eine Rotfärberei. Zum Bleichen von Textilien nutzte er dabei Chlorbleiche, die er aus der familieneigenen Fabrik in Winterthur beziehen konnte. Als sein Vater 1818 starb, trat Jakob Ziegler-Pellis in dessen Fusstapfen und leitete die Chemiefabrik, die überwiegend konzentrierte Schwefelsäure herstellte. Ziegler-Pellis folgte konsequent dem Ansatz, möglichst alle benötigten Instrumente und Werkzeuge für die Fabrik selbst zu produzieren. Deshalb liess er in Elgg eine Glashütte errichten, wo die für das Laboratorium benötigten Gläser und Ballons hergestellt wurden. 1824 beteiligte er sich in Paris an der Gründung der Firma Bonjour, die Mineralwasser produzierte. Ziegler-Pellis lieferte die dafür notwendigen Apparaturen. Schon bald kam es aber zu Differenzen zwischen den Betreibern und so stieg er aus dem Unternehmen aus – nicht aber ohne das dort erworbene Wissen zur Mineralwasserherstellung mit in die Schweiz zu nehmen. In seinem Haus zum «Steinberg» begann er mit der Produktion von eigenem Mineralwasser und verlangte 1832 während einer heftigen Grippeepidemie in Winterthur von den Ärzten, sie sollten ihren Patienten Mineralwasser verschreiben. In Paris hatte man kurz davor Mineralwasser als Prophylaxe gegen Cholera eingesetzt und so erhoffte sich Ziegler-Pellis bessere Absätze.

Ebenfalls in den 1820er-Jahren übernahm Ziegler-Pellis in Schaffhausen eine Tonwarenfabrik. Diese stellte neben Ziegeln auch glasierte tönerne Leitungsröhren und Geschirr her. 1839 konnte er seinen Betrieb erweitern und liess an der gegenüberliegenden Flussseite eine neue Geschirrfabrik errichten, die jedoch bereits 1843 einem Brand zum Opfer fiel und wiederaufgebaut werden musste. Die Fayencen und Tonwaren aus der Fabrik von Ziegler-Pellis wurden bald in der ganzen Schweiz berühmt und bewundert. Bekanntheit erlangte die Tonfabrik auch mit der Herstellung von Portraitmedaillons durch den Künstler Johann Jacob Oechslin (1802–1873). Das bekannteste Fabrikat war ein Medaillon von Bundespräsident Jonas Furrer.

Neben seinen eigenen Unternehmungen beteiligte Ziegler-Pellis sich finanziell auch an der Mechanischen Baumwollspinnerei Hard und ab 1846 an einer Zeugdruckerei in Richterswil. So reiste der umtriebige Unternehmer beinahe täglich mit seiner Kutsche zwischen Winterthur, Wülflingen und Schaffhausen hin und her. 

Herr über das Türmlihaus

Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1818 fiel der stattliche Familienhauptsitz an Jakob Ziegler-Pellis. Dieser umfasste das Haus zum «Oberen Steinberg» samt dem Nebenhaus sowie das dazugehörige Hinterhaus, das «Türmlihaus». Ziegler-Pellis war ein begeisterter Ornithologe und erweiterte die schon von seinem Vater angelegte Sammlung von seltenen Vögeln. Dabei präparierte er die Tiere gleich selbst. Weiter sammelte er verschiedene Steine und auch physikalische Gerätschaften. Irgendwann war die Sammlung so gross, dass er den «Steinberg» um ein drittes Geschoss aufstocken liess und dort ein öffentlich zugängliches «Vogel-Kabinett» einrichtete. Gleichzeitig liess er den alten Wehrturm mit einer neuen Säulengalerie versehen, die fortan den Gästen als Aussichtspunkt diente. Ein grosser Teil der Vogelsammlung ging später an das Naturmuseum Winterthur über.

Vielseitig engagiert

Wie es sich für einen Mann seines Standes gehörte, engagierte sich Jakob Ziegler-Pellis in verschiedenen Funktionen. Bereits im Alter von 18 Jahren wurde er Mitglied im Musikkollegium und spielte Kontrabass. 1797 wurde er zum Vorsitzenden gewählt, etwas später zum Musikdirektor und schliesslich zum Präsidenten. Jakob Ziegler-Pellis führte das Musikkollegium durch die schwierige Zeit der französischen Besetzung, während der öffentliche Darbietungen verboten wurden. Einen Höhepunkt erlebte er 1830 als Gastgeber des 18. Helvetischen Musikfestes. Ebenfalls eine bedeutende Rolle spielte Ziegler-Pellis bei der Anschaffung einer neuen Orgel für die Stadtkirche – und zwar nicht nur als Sachverständiger, sondern auch indem er sich grosszügig finanziell daran beteiligte. Er gehörte dem Winterthurer Schulrat an. 1832 regte er die Gründung einer Gewerbeschule (heute BBW) an, deren Lehrprogramm er auch erstellte, und nur ein Jahr später rief er den Gewerbeverein ins Leben, dem er 28 Jahre lang vorstand. Bis 1830 war er  Mitglied des Grossen Rats des Kantons Zürich.

Jakob Ziegler-Pellis war nicht nur eine wohlhabende, sondern auch bekannte und angesehene Persönlichkeit, die mit vielen Ehren bedacht wurde. So schickte ihn der Bundesrat 1851 als Komissionsmitglied an die erste Industrie-Weltausstellung in London. Ebenfalls zeigte er sich immer wieder von seiner grosszügigen Seite. So spendete er nach dem Tod seines Freundes, des Bundespräsidenten Jonas Furrer, im Jahr 1861 allen Zürcher Pfarrämtern je einen Eimer Wartgütlerwein für die Armen und Kranken. Mit einem weiteren Andenken an Jonas Furrer handelte er sich aber nur ein Jahr später juristischen Ärger ein: 1892 wurde in Winterthur die vom Berner Künstler Raphael Christen erstellte Büste von Jonas Furrer im Gasthaus «zum Ritter» ausgestellt. Als Ziegler-Pellis davon erfuhr, liess er seinen Knecht dorthin schicken mit dem Auftrag, die Büste zur «genaueren Besichtigung» zu sich nach Hause zu nehmen. Dabei gab Ziegler-Pellis vor, die Büste kaufen zu wollen. Nach einigem hin und her wurde dem Wunsch von Ziegler-Pellis entsprochen. Er nutzte die Zeit wahrscheinlich, um einen Gipsabdruck herzustellen, denn nach der Rückgabe wies das Modell einige «Gebrauchsspuren» auf und einige Wochen später begann es sich zu verfärben. Kurze Zeit später liess Ziegler-Pellis in der Tonfabrik mehrere Kopien produzieren und schickte gar ein Exemplar zur Zweiten Weltausstellung nach London, wo er sich selbst auch noch als Urheber des Werks ausgab. Dieses Treiben entging dem Künstler allerdings nicht und so brachte er den Fall zur Anzeige. 

Ziegler-Pellis stritt den Sachverhalt vehement ab und behauptete, ihm sei ein Gipsabguss zu Übungszwecken für einen seiner Arbeiter in der Tonwerkstatt geschenkt worden, so seien dann versehentlich Abgüsse der Büste in den Verkauf geraten. Das Winterthurer Bezirksgericht liess sich von dieser Geschichte allerdings nicht überzeugen und verurteilte Ziegler-Pellis wegen «Übertretung des Konkordats, betreffend den Schutz des schriftstellerischen und künstlerischen Eigentums» zu einer Geldbusse von 200 Franken und einer Entschädigungszahlung in der Höhe von 500 Franken. Mit dem Gesetz nahm es Jakob Ziegler-Pellis im hohen Alter ohnehin nicht mehr so genau. Einen erheblichen Anteil seines Vermögens musste er daher für die Begleichung von Bussgeldern abschreiben.

Verhängnisvolle Faszination für Schwarzpulver

Der vielseitige Geschäftsmann war nicht nur Fabrikherr, sondern auch ein engagierter «Tüftler». So stellte er verschiedene Gerätschaften und Fabrikationsanlagen für seine Betriebe selbst her. Darunter beispielsweise eine Ölmühle mit hydraulischer Presse, eine Fourniersäge, Pulvermühlen und eine Eisenschmelzhütte. Ebenfalls produzierte er Bleistifte und versuchte sich – diesmal allerdings erfolglos – mit einer eigenen Weberei. Eines seiner grössten Ziele war die Herstellung eines nichtexplosiven, das heisst stabileren Schwarzpulvers. Dafür musste er sich extra vom Bund eine Bewilligung für den Bezug und Umgang mit dem gefährlichen Pulver ausstellen lassen. Die Schwarzpulverversuche unternahm er zu Beginn in seiner Tonfabrik in Schaffhausen. Im März 1857 beauftragte er seinen Töpfermeister damit, das Schwarzpulver zu verfertigen. Dieser weigerte sich zuerst, da er über keine entsprechenden Kenntnisse verfügte, doch schliesslich setzte sich der Fabrikherr durch. Nur eine halbe Stunde nachdem Ziegler-Pellis abgereist war, kam es in der Fabrik zu einer heftigen Explosion, als der Töpfermeister Salpeter zur Kohle-Schwefel Mischung zugab. Ursache war vermutlich ein Funke oder eine Überhitzung durch die Mühlensteine. Der Vater von sechs Kindern, der mit seiner Familie auf dem Fabrikareal gewohnt hatte, verstarb wenige Stunden später an seinen schweren Verletzungen, obwohl seine drei Söhne ihm sofort zur Hilfe geeilt waren und ihn in den Rhein getaucht hatten, um seine brennenden Kleider zu löschen. Der tragische Tod des Werkführers und die gefährlichen Versuche lösten eine Welle der Empörung in der Lokalbevölkerung aus. Ziegler-Pellis selbst wies jegliche Verantwortung von sich und behauptete, der Arbeiter hätte durch unsachgemässe Arbeitsweise den Unfall selbst verursacht. Weil der Fabrikherr die Familie weiterhin kostenlos bei sich wohnen liess und auch zwei der Söhne bei sich beschäftigte und weitere Unterhaltszahlungen leistete, blieb das Unglück für ihn ohne juristisches Nachspiel.

Die Behörden untersagten Ziegler-Pellis danach allerdings jegliche weitere Schwarzpulverversuche in seiner Fabrik. Er umging dieses Verbot, indem er grössere Mengen Schwarzpulver von seiner Tonfabrik in seine Privatwohnung nach Winterthur transportieren liess. Damit es sicherer transportiert werden konnte, liess er es anfeuchten. Mehrere Jahre lang wies er danach seine Hausbediensteten an, das angelieferte Schwarzpulver jeweils im heimischen Kochherd oder der Dörranlage zu trocknen, damit er danach in seiner Werkstatt heimlich mit den Versuchen fortfahren konnte. So experimentierte Ziegler-Pellis über Jahre hinweg mitten in der Altstadt und ohne dass seine Gäste etwas ahnten mit dem gefährlichen Pulver. Mehrere Pfund sollen jeweils im Ofen getrocknet worden sein. Vermutlich unmittelbar nach dem Ankauf eines neueren Herdes kam es 1862 zum Unglück: Zwölf Pfund Schwarzpulver explodierten im Backofen, wobei die anwesende Hausmagd Salomea Grübler von den herumfliegenden Teilen tödlich getroffen wurde.

Das Unglück war ein Skandal für die Winterthurer Bevölkerung. Weil es nicht der erste Vorfall dieser Art war, kam es nun auch zu polizeilichen Ermittlungen. Da Jakob Ziegler-Pellis bereits 87 Jahre alt war, verzichteten die Behörden auf eine Untersuchungshaft. Er nutzte die verbleibende Zeit in Freiheit, um heimlich in seiner Tonwarenfabrik mit seinen Schwarzpulverversuchen weiterzumachen. Ohnehin wies er abermals jegliche Schuld von sich, war aber bereit, die Verantwortung für den Unfall zu übernehmen. Das Schwurgericht verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und einer Busse von 250 Franken. Noch bevor das Urteil vollstreckt werden konnte, verstarb Jakob Ziegler-Pellis am 18. Januar 1863.


Benutzte und weiterführende Literatur

Bütikofer, Alfred: Universalgenie und Industriepionier. Jakob ZIegler-SteinerI-Pellis (1775–1863), in: Winterthur im Umbruch. 1798 bis 1848, Winterthur 1999 (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur Band 329), S. 168f.
Kägi, Hans: Ein Winterthurer Industriepionier, in: Winterthurer Jahrbuch 1963, S. 57–66.
E. Z.Z..: Jakob Ziegler-Pellis von Winterthur. Eine Skizze seines Lebens. Für die Familie bestimmt, Winterthur 1888.
Zürich, in: Eidgenössische Zeitung, 31.08.1861.
Hr. Ziegler-Pellis, in: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 37, 6. Februar 1862.
Der Murtenbieter, 31. August 1862.

Bibliografie

    Ziegler-Pellis, Johann Jakob, 1775-1863, Fabrikant

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Jakob Ziegler (1775-1863). In: Dokumentation Urs Widmer, Personen A-Z 4 S.
      Grütter, Daniel: Hans Conrad (Konrad) Hitz (1798-1866). Bildnis des Jacob Ziegler-Pellis (1775-1863), 1837. In: Jahresbericht und Erwerbungen 2019/2020. Sturzenegger-Stiftung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Schaffhausen, 2021. S. 52-55, ill.

      Einträge 1991–2010

      In: Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jh.: Keramikfreunde der Schweiz 1991/106 S.7-100 von Barbara Messerli Bolliger, m.Abb.
      Landbote 1999/47 die Klosteransicht von Töss, von Silvia Volkart, 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
15.04.2024