Museen, Sammlungen und Bibliotheken

Naturmuseum Winterthur

Museumstrasse 52

Das Naturmuseum Winterthur informiert über die Natur und die Umwelt in der Region Winterthur. Es bietet eine feste Ausstellung, Wechselausstellungen, das Kindermuseum «Kerala» und ein umfassendes Veranstaltungsprogramm an. Damit richtet es sich besonders an Familien. Die naturwissenschaftlichen Sammlungen der Stadt Winterthur bilden die Grundlage des Museums. Diese Sammlungen stammen von der 1660 gegründeten Bürgerbibliothek.


Baujahr
1916

Gründungsdatum
1660


Adresse
Naturmuseum Winterthur
Museumstrasse 52
8400 Winterthur
1 / 8

Blick ins Naturfundbüro des Naturmuseums, wo gefundene Objekte bestimmt und untersucht werden, 2021 
Foto: Naturmuseum Winterthur

Die Anfänge als Teil der Bürgerbibliothek

Das Naturmuseum geht auf die naturhistorische Sammlung der Bürgerbibliothek, die heute als Stadtbibliothek bekannt ist. Die Gründung des Museums geht auf das Jahr 1660 zurück. Die damalige Bibliothek sammelte nicht nur Bücher und handschriftliche Dokumente, sondern auch Münzen, historische Objekte, Kunstwerke, Naturgegenstände und Kuriositäten aller Art. Das älteste Inventar dieser «Raritäten» stammt aus dem Jahr 1693. Einen ersten umfassenden Katalog der naturwissenschaftlichen Gegenstände erstellte 1818 der Schriftsteller und Bibliothekar Ulrich Hegner.

Ein frühes und wichtiges Objekt war das mehr als 3 Meter lange präparierte Krokodil, das der St. Galler Bartholomäus Schobinger 1664 der Bürgerbibliothek schenkte. Dieses ist noch heute im Naturmuseum ausgestellt. Weitere Gegenstände sind Kristalle, Korallen, Tier- und Menschenskelette sowie Versteinerungen.

Die Bürgerbibliothek mit den naturhistorischen Sammlungen war bis 1842 die meiste Zeit im Rathaus an der Marktgasse untergebracht. Dann erfolgte der Umzug ins neue Knabengymnasium, das heutige Kunst Museum Winterthur Reinhart am Stadtgarten, wo der Bibliothek und ihren Sammlungen grosszügige Räume zur Verfügung standen.

Professionalisierung und Verselbständigung

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts professionalisierte sich der Bibliotheksbetrieb. Dies führte 1861 zur Auslagerung der naturhistorischen Sammlungen in eine eigene Organisation mit einer fachlichen Leitung. Diese wurde weiterhin vom Bibliothekskonvent beaufsichtigt und dem Bibliotheksbudget zugeteilt. In diesen Jahren erfuhr die naturhistorische Sammlung bedeutenden Zuwachs. Zum einen durch Ankäufe, wie die grosse Sammlung von «Tiergruppen aus der Schweizer Alpenwelt» von Richard Isidor Challandes aus Bern sowie zahlreiche Fisch-Fossilien aus Glarner Schiefern. Hinzu kam eine grosse Sammlung von überwiegend pflanzlichen Exponaten aus Oheningen und der baden-württembergischen Gemeinde Holzmaden, die neben Fischsauriern auch Krokodile enthält. Zum anderen erweiterte sich die völkerkundliche Sammlung durch Objekte, die Winterthurer Kaufleute aus Indien, dem fernen Osten, Afrika und Amerika beisteuerten. 1861 kaufte die Stadtbibliothek den Steinbruch oberhalb Veltheims, am Ort des heutigen Schwimmbads Wolfensberg. Der Winterthurer Paläontologe und Lehrer Wilhelm Gustav Adolf Biedermann (1829–1900) grub dort zahlreiche Fossilien aus, die in die naturwissenschaftlichen Sammlungen eingingen. Anschliessend verkaufte die Bibliothek den Steinbruch wieder.

Der erste fachlich ausgewiesene Konservator der naturwissenschaftlichen Sammlungen war ab 1886 Robert Keller. Hauptberuflich war er Lehrer im Knabengymnasium, und trug als Botaniker zur Sammlung ein grosses Lokalherbar bei.

Im neuen Museums- und Bibliotheksgebäude, dem heutigen Museumsstandort, erhielt die naturwissenschaftliche Sammlung 1916 grosszügige Ausstellungsräume. Seit 1914 unterstützt die Museumskommission der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Winterthur (NGW) die Sammlung. Die grossen Vitrinen, die mit Tierpräparaten gefüllt waren, prägten das Museum bis zu seiner Neukonzeption zu Beginn der 2000er-Jahre.

Modernisierung und Neukonzeption

In den 1970er-Jahren begann die Entwicklung von den mittlerweile etwas angestaubten «Naturhistorischen Sammlungen» zum modernen Naturmuseum. Ab 1973 konzipierte und organisierte der Museumsleiter Kurt Madliger die ersten Sonderausstellungen zu den Themen «Kolibris», «Erdbeben», «Das Bild der Alpen» und «Das Winterthurer Kartografische Gewerbe 1842–1924». Sein Nachfolger Hans-Konrad Schmutz (im Amt von 1982 bis 2016) führte diese Entwicklung konsequent weiter. In seiner Amtszeit präsentierte er rund 100 Wechselausstellungen. Mit dem Kindermuseum «Kerala» (ab 1996) und einem altersgerechten Veranstaltungsprogramm öffnete er das Museum für Kinder und Familien.

Das Naturmuseum heute

2001 bis 2005 baute die Stadt das Museum komplett um. Nach dem Konzept von Hans-Konrad Schmutz entstand in den bisherigen Räumen ein modernes Familienmuseum mit einem festen Bereich für Wechselausstellungen. Die Finanzierung des 5 Millionen Franken teuren Umbaus erfolgte durch die Stadt, Sponsoren und Gönner:innen. In der grosszügigen Inszenierung zeigt das Museum nur noch einen kleinen Teil der natur-, erd- und völkerkundlichen Sammlungen. Die übrigen Objekte sind in einem Magazin aufbewahrt.

Seit 2016 leitet Daniela Zingg das Naturmuseum und entwickelt es mit wechselnden Ausstellungen und einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm weiter. Zu den neueren Projekten zählen das Naturfundbüro, wo Besucher:innen mitgebrachte oder vorhandene Fundstücke aus der Natur bestimmen, erforschen und digital dokumentieren können (2017), und die «Intervention» im völkerkundlichen Teil des Museums: Mit zusätzlichen Informationen verdeutlicht und thematisiert das Museum die zum Teil problematische Herkunft einzelner Objekte (2021).


Benutzte und weiterführende Literatur

Hess, Eugen: Kleiner Führer durch die naturwissenschaftlichen Sammlungen der Stadt Winterthur, Winterthur 1967.
Troll, Johann Conrad: Geschichte der Bürgerbibliothek Winterthur (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur), Winterthur 1835.
Hafner, Albert: Geschichte der Bürgerbibliothek Winterthur, II. Teil, von 1834 – 1860 (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur), Winterthur 1874.
Hafner, Albert: Geschichte der Bürgerbibliothek Winterthur, III. Teil, von 1861 – 1875 (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur), Winterthur 1875.

Bibliografie


Autor/In:
Andres Betschart
Letzte
Bearbeitung:
18.09.2024
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