Vereine und Verbände

Verein Trachtengruppe Winterthur-Stadt

1947–2018

Der Verein Trachtengruppe Winterthur-Stadt wurde 1947 gegründet. Sein Ziel war die Förderung der heimischen Volkstrachten, -tänze und Bräuche. Zu diesem Zweck organisierte der Verein regelmässig Stubete und nahm an verschiedenen Anlässen teil. Nachdem keine neue Präsidentin gefunden werden konnte, wurde der Verein 2018 aufgelöst.


Aufgelöst
2018

Gründungsdatum
1947


Frauentrachtengruppe in ihrer tösstaler (?) Werktagstracht um 1929.
Foto: winbib (Signatur 160773)

Neuorganisation des Trachtenwesens

Die Region Winterthur hatte wie viele andere Orte in der Schweiz schon früh verschiedene lokale Trachtenvereinigungen, darunter die Trachtengruppe Tösstal-Winterthur. Der Zweite Weltkrieg brachte jedoch das aktive Trachtenleben weitgehend zum Stillstand. Während die Männer zum Grenzdienst aufgeboten waren, übernahmen viele Bäuerinnen die Arbeiten auf dem Hof vollständig. Zudem leisteten viele Frauen ihren Wehrdienst als Mitglieder des Frauenhilfsdienstes (FHD) oder in den Luftschutz- sowie Hilfstruppen und im Landdienst. Am 27. Februar 1947 fand in der Wirtschaft «Steinfels» erstmals wieder eine grosse Versammlung statt. Dort fiel auf Antrag der damaligen Gruppenleiterin und Trachtenexpertin Louise Witzig die Entscheidung, eine Neuorganisation des Trachtenwesens im Tösstal und Winterthur vorzunehmen. Noch im selben Jahr gründeten die Vereine Trachtengruppe Winterthur-Stadt und Tösstal-Land. Als Ortstracht galt bei beiden Vereinen nach wie vor die Tösstalertracht. Der Unterschied bestand darin, dass im städtischen Verein neu auch Personen aus anderen Kantonen mitwirken konnten oder solche, die andere Zürcher Trachten besassen, sofern diese den Vorschriften der jeweiligen kantonalen Trachtenkommission entsprachen. Das Grenzgebiet zwischen «Stadt» und «Land» war die ehemalige Aussengemeinde Seen, wobei deren Bewohnende selbst entscheiden konnten, welchem Verein sie sich fortan anschlossen.

Das eigene Brauchtum erhalten

Die Trachtenvereinigungen sahen sich als Gegenbewegung zum nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommenden Amerikanismus. Sie verstanden sich als Teil des Heimatschutzes und setzten sich für die Förderung und den Erhalt der heimischen Volkstänze, Volkstrachten, Bräuche und der traditionellen Lebensweise ein. Gleichzeitig wehrten sich die Trachtenvereinigungen dagegen, dass die Trachten und Tänze zu reinen Kostümen und Unterhaltungsangeboten verkommen. Stattdessen sahen sie darin ein Bekenntnis zur Heimat.

Stubeten und Tanzveranstaltungen

Zur Förderung der heimatlichen Lebensweise organisierte der Trachtenverein regelmässig Stubeten in Winterthurer Wirtschaften. Der Höhepunkt des Vereinsjahres war traditionell die «Advents-Stubete» im Barockhäuschen. An den Stubeten sangen die Teilnehmenden Volkslieder, hielten Lichtbildvorträge, feierten Geburtstage und verteilten Geschenke. Neben den Stubeten organisierte der Verein jedes Jahr mehrere Exkursionen für die Mitglieder. Der Verein nahm auch an den offiziellen Trachtenumzügen und -festen teil und engagierte sich sozial. So strickten Trachtenfrauen beispielsweise Deckenüberwürfe für die ungarische Bevölkerung während des Volksaufstands im Jahr 1956. Zwei Jahre später reiste eine ganze Delegation an die SAFFA (Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit) nach Zürich. Regelmässig fanden auch Singsonntage und Tanzwochenenden statt. Häufig gab es Einladungen aus anderen Kantonen, die gerne angenommen wurden.

Vereinsstadt Winterthur

Im Jahresbericht von 1960 beklagte der Vorstand, dass es in der Stadt Winterthur immer mehr Vereine sowie Ablenkungen wie Kinoprogramme und Sportveranstaltungen gab. Die Trachtengruppe hatte nicht nur Mühe, neue Mitglieder zu gewinnen, sondern stellte auch fest, dass immer mehr Gaststätten und Lokalitäten von anderen Vereinen genutzt wurden. Auch für die aktiven Mitglieder war es nicht mehr einfach, einen gemeinsamen freien Abend zu finden, was das Vereinsleben insgesamt beeinträchtigte.

Auftritte in Altersheimen und in der Stadt

Mit ihren Volksliedern und Tänzen besuchte der Trachtenverein häufig die örtlichen Alterszentren. Dafür arbeitete der Verein immer wieder mit verschiedenen Chören und Musikgruppen zusammen. Obwohl der Verein auf eine lange Tradition zurückblicken kann, war er in den 2000er-Jahren in der Bevölkerung kaum mehr bekannt. Deshalb lancierte der Verein eine Marketingaktion und stellte einen Stand in der Winterthurer Altstadt auf, um mit Flyern und ihren Trachten auf den Verein aufmerksam zu machen. Der allgemeine Mitgliederschwund in den Trachtenvereinigungen betraf nicht nur Winterthur, sondern alle Vereine in der Schweiz. Im Jahr 2001 lancierte die Schweizerische Trachtenvereinigung (STV) anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens den «Tag der Tracht», der jeweils am 6. Juni stattfindet. Dabei handelt es sich um das Gründungsdatum des STV.

Nachdem die langjährige Präsidentin, Leonie Peter, ihren Rücktritt bekannt gab und keine Nachfolge gefunden werden konnte, beschloss die Mitgliederversammlung den Verein im Jahr 2018 aufzulösen.


Benutzte und weiterführende Literatur

Vereinsarchiv Trachtengruppe Winterthur-Stadt, Sammlung Winterthur

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
17.12.2024