Öffentliche Bauten

Haus zum Balustergarten, Barockhäuschen, Barockhüsli

Museumstrasse 71

Das sogenannte Barockhäuschen wurde um 1740 errichtet und diente einem wohlhabenden Winterthurer Bürger als Sommerhaus. Es handelt sich um einer der ältesten erhaltenen Lustgärten des Kantons Zürich und war eines der ersten Steinbauten ausserhalb der mittelalterlichen Stadtmauern. 1919 gelang es in den Besitz der Stadt Winterthur, die es 1952 umfassend sanierte und erstmals öffentlich Zugänglich machte. Seither kann es für Seminare, Sitzungen und Bankette gemietet werden.


Baujahr
um 1740

Gesamtsanierung
1952-1955


Adresse
Barockhäuschen «zum Balustergarten». im Stadtgarten
Im Stadtpark
Museumstrasse 71
8400 Winterthur

Blick auf das Barockhäuschen um 1900. EInes der beiden vorgelagerten Holzhüttchen diente als Abtritt, das andere als Gartenschuppen. Im Vordergrund ist die Gartenfläche zu erkennen. Die Parzelle war nicht wesentlich breiter als das Haus selbst. 
Foto: winbib (Signatur 031780)

Sommerresidenzen für die Oberschicht

Um 1740 entstand vermutlich im Auftrag des Winterthurer Ratsherren Heinrich Steiner (1703–1753) in der Nähe des Schmidtores die kleine Sommerresidenz. Dabei handelt es sich um eines der ersten Steingebäude ohne gewerblichen Zweck ausserhalb der bis ins 19. Jahrhundert bestehenden mittelalterlichen Stadtbefestigung. Tatsächlich zählt es sogar zu einem der ältesten erhaltenen Lust- und Gartenhäuschen im ganzen Kanton Zürich.  Bis 1718 verbot die städtische Gesetzgebung nämlich den Bau von Wohnhäusern ausserhalb der Stadtmauern. So war Winterthur lange Zeit von Ackerland umgeben wobei auf dem Gelände des heutigen Stadtgartens überwiegend kleine Gartenparzellen für den Gemüseanbau standen. Die kleine Residenz am Westende dieser Gartenfläche regte weitere wohlhabende Bürger dazu an, dem Beispiel zu folgen. 

Solche auf privatem Grund errichtete Residenzen ausserhalb der Stadtmauern werden auch «Lustbauten» genannt, weil sie den wohlhabenden Familien als Freizeit- und Erholungsort dienten. An der Wende zum 19. Jahrhundert entstanden dann wesentlich grössere solcher Residenzen, nämlich 1771 das Haus «zur Pflanzschule» 1787 das «Lindengut» und 1813 der «Adlergarten»

Das Haus erhält den Namen «zum Balustergarten»

1782 verkaufte die Witwe von Heinrich Steiner das Haus an den damaligen Stadtrichter Heinrich Reinhart. Dieser wohnte damals im Haus zum «Balusterbaum» an der Marktgasse 68 und nannte sein Sommerhaus fortan Haus «zum Balustergarten». 1792 liess Reinhart eine Wasserleitung zu seiner Residenz verlegen. Danach wechselte das Sommerhaus durch Erbschaft mehrfach die Besitzenden bis es in den Besitz von Maria Elisabetha Sulzer überging, die es rund zwanzig Jahre als Alleinbesitzerin pflegte. Dabei wehrte sie sich in den 1860er-Jahren energisch aber erfolglos gegen das in unmittelbarer Nähe errichtete Gasthaus «zum Rheinfels.» Ebenfalls in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt die Überstreichung der ursprünglichen Wandtäfer und die Neuunterteilung des Saales im Obergeschoss für Wohnzwecke.  

1887 verkaufte sie die Residenz an ihren Bruder und ehemaligen Stadtpräsidenten Johann Jakob Sulzer, der es aber sofort an den Ständerrat Heinrich Rieter-Ziegler weitergab. Die Familie Rieter besass nämlich in direkter Nachbarschaft seit 1872 eine grosse Villa samt Ökonomiegebäude und Umschwung. Bereits um 1908 versuchte die Stadt den zum Anwesen gehörenden Garten zu erwerben mit dem Plan den Stadtgarten zu erweitern und darauf einen Saalbau zu errichten, doch der Kaufpreis war ihr zu hoch.  Als im Jahr 1917 der damalige Besitzer Walter Merz-Rieter starb, bevor seine Nachkommen volljährig waren, packte die Stadt Winterthur die Gelegenheit beim Schopf und kaufte 1919 das gesamte sogenannte Merz-Rieter-Gut inklusive dem «Haus zum Balustergarten» und dem Umschwung von rund 7400 Quadratmetern.  

Öffentliche Toilette rettet das Kulturdenkmal

Die grossen Saalbau- und Konzerthallenträume platzen in den 1920er-Jahren an den bescheidenen finanziellen Möglichkeiten der Stadt Winterthur und die danach einsetzende Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren und der anschliessende Zweite Weltkrieg liessen ebenfalls keine grossen Sprünge zu. Das Merz-Rieter-Gut diente deshalb über 30 Jahre lang als Provisorium für die Einwohnerkontrolle und das Zivilstandsamt und das «Haus zum Balustergarten» als Abwartwohnung. Erst im Zusammenhang mit der nach dem Zweiten Weltkrieg geplanten Westerweiterung des Stadtgartens, sprach man auch über die Zukunft des Hauses «Zum Balustergarten». Während sich die Bürgerlichen für eine Renovation und öffentliche Nutzung aussprachen, wollten die Vertreter der sozialdemokratischen Partei davon nichts wissen und kurzen Prozess mit der ehemaligen Residenz machen. Sie argumentierten, dass die öffentlichen Gelder lieber für den Bau von Wohnungen eingesetzt werden sollten.

Schliesslich war er ein ganz profaner Grund, der das Häuschen vor dem Abbruch rettete. Der neue Stadtgarten brauchte nämlich eine öffentliche Toilettenanlage und das mit dem ersten Platz ausgezeichnete Projekt «Eldorado» des Zürcher Landschaftsarchitekten Walter Leder sah dafür den ehemaligen Keller des Häuschens vor. Der Grosse Gemeinderat liess sich von dieser diskreten Lösung überzeugen und bewilligte 1951 die Toilettenanlage und eine damit verbundene Sanierung des Gebäudes mit dem Ziel es wieder bewohnbar zu machen.

Die Entdeckung barocker Wandmalereien

Die Innenrenovation hätte eigentlich hauptsächlich aus einem neuen Anstrich bestehen sollen. Bei den Malerarbeiten im grossen Saal im Erdgeschoss kam unter den jüngeren Farbschichten eine vollständig erhaltene barocke Wandmalerei zum Vorschein, die verschiedene Motive aus dem Rebbau zeigt und ins Jahr 1762 datiert wird. Wer die Malerei angefertigt hat ist umstritten, als mögliche Künstler werden Christoph Kuhn (1737–1792), Christoph Strauss (1717–1769) oder Hans Konrad Kuster (1723–1798) diskutiert. In diese Zeit der Renovationsmassnahmen bürgerte sich auch die Bezeichnung «Barockhäuschen» im Volksmund ein. Nach dem Sensationsfund wich die Stadt von ihrem ursprünglichen Plan ab und wollte zuerst eine Kaffee- und Teestube daraus machen, was der Grosse Gemeinderat jedoch aus Angst vor Schäden an den Wandmalereien ablehnte. Diese liess die Stadt fachkundig vom Wülflinger Kunstmaler Fritz Stahel restaurieren.

1955 kam dann die Idee auf, das Häuschen als Konferenz- und Sitzungszimmer öffentlich zugänglich zu machen, was nun auch politisch ohne Gegenstimme überzeugte. Bald schon erstrahlte das Barockhäuschen in neuem Glanz und gilt seither als Kleinod im Herzen der Stadt. Das benachbarte grosse Mertz-Rieter-Gut hingegen wurde1957 abgebrochen Die Stadtverwaltung nutzte das Barockhäuschen danach regelmässig für repräsentative Empfänge und Sitzungen sowie als Austragungsort für den traditionellen «Pressekaffee». 1978 und 1987 erfolgten weitere Renovationsarbeiten.

Das kleine Idyll wird aufgewertet

Im Zusammenhang mit der Gesamtsanierung des Stadtgartens zwischen 2024 bis 2026 wird auch das Barockhäuschen in einem eigenständigen Projekt sanft renoviert und an das Fernwärmenetz angeschlossen. Durch die neue Gartengestaltung soll es zudem noch besser in die Gesamtanlage integriert werden.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Sollberger, Raphael: Ehem. Sommerhaus «Zum Balustergarten», in: Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung. Stadt Winterthur, Band 1, 2018, S. 123–125.
Bütikofer, Alfred: Das Merz-Rieter-Gut muss Stadtpark weichen, in: Winterthurer Jahrbuch 2004, S. 16–19.
o.A.: Das Barockhäuschen zum «Balustergarten» im Stadtgarten Winterthur, Separatdruck aus der «Winterthurer AZ», o.J.
Winkler, Helene: Das Barockhäuschen im Winterthurer Stadtgarten. Zusammengestellt für den «Obertor-Abend» vom 19. März 1993. (unpubl. Typoskript)
Stahel, Fritz: Ein «Wochenendhaus»: (das Barockhäuschen in Winterthur), 1964.

Bibliografie

    Balustergarten, Sommerhaus im Stadtgarten [Barockhäuschen]

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Barockhäuschen zum Balustergarten. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 2 S.

      Einträge 1991–2010

      Weinländer Zeitung 2002/117 von Kurt Zimmermann


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
28.05.2024