Natur und Pärke

Stadtgarten

Der Stadtgarten gehört zu den wichtigsten zentral gelegenen Freiräumen der Stadt Winterthur. Seine Entstehung geht auf eine Initiative des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Winterthur im Jahr 1898 zurück. Eine erste Gesamtgestaltung fand im Jahr 1902 statt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Stadtgarten als Kartoffelacker genutzt. 1952 erfolgte eine Neugestaltung nach den Plänen des bekannten Landschaftsarchitekten Walter Leder. Von 2024 bis 2026 findet eine Gesamtsanierung statt.


Baujahr
1900/1902

Neugestaltung
1952/2024


Blick in den Stadtgarten nach 1900. Streng genommen ist die Bezeichnung Stadtgarten irreführend, da das Wort «Garten» auf eine private Nutzung hinweist, während mit «Park» öffentliche Anlagen gemeint sind. Der Begriff bürgerte sich jedoch bereits zur Entstehungszeit bei der Stadtverwaltung ein und wurde dann im Volksmund übernommen. Grund dafür ist, dass es sich beim Areal ursprünglich tatsächlich um Privatgartenparzellen handelte, die von der Stadt aufgekauft wurden.
Foto: winbib (Signatur: Stadtgarten
_26_24)

Die Stadt kauft Privatgärten auf

Das Areal rund um den heutigen Stadtgarten befand sich ursprünglich ausserhalb der Stadtmauern. Wohlhabende Winterthurer Bürger:innen legten dort private Lustgärten an, die als Naherholungsraum dienten. Ansichten aus dem 17. Jahrhundert zeigen die eingezäunten Anlagen. Heute erinnert das 1740 erstellte Haus zum Balustergarten, das «Barockhäuschen», noch an diese frühere Nutzung.

Nachdem die Befestigungsmauern und Tore geschliffen waren, kaufte die Stadt 1898 diese privaten Gärten ihren Besitzern für eine damals stattliche Summe von 130'000 Franken ab, um das Land etwaigen Spekulanten zu entziehen. Ohnehin kaufte die Stadt zu jener Zeit viel Land als Baureserve für neu öffentliche Gebäude an. 1899 gelangte der Verkehrs- und Verschönerungs-Verein Winterthur und Umgebung an die städtische Verkehrskommission und schlug vor, die ehemaligen Gärten der Familien Busch und Sulzer als öffentliche Anlagen der Bevölkerung zugänglich zu machen. Die Verkehrskommission sprach sich einstimmig für den Vorschlag aus. Die Stadt gab darauf im Jahr 1900 nur die Busch-Parzelle für die Nutzung als öffentlichen Park frei. Die ehemaligen Sulzer-Gärten behielt sie aus Kostengründen für sich und verpachtete das Land an die städtische Armenpflege, die dort Gemüse anbaute.

Der Verschönerungsverein wertete nun den kleinen «Buschgarten» mit privat finanzierten Ruhebänkchen auf, legte Wege an, liess ihn einfrieden und pflanzte neue Bäume. Der Park zog Personen aus der Winterthurer Mittelschicht an, die sich aber beim Flanieren am ästhetisch bescheidenen Anblick des benachbarten städtischen Gartens mit seinem «hässlichen Gerätschaftshaus», der «Wasserleitung», den «Holzhaufen» und dem ganzen Gemüseland störten. Deshalb stellte der Verkehrsverein erneut ein Gesuch zur «Umwandlung des sog. Busch- und Sulzergartens in eine öffentliche Anlage», die das Bauamt fortan als «Stadtgarten» bezeichnete, was sich dann auch als offizieller Name einbürgerte.

Der Stadtgarten wird gebaut

Der Stadtrat lehnte den Antrag des Verkehrsvereins 1901 wegen zu hoher Kosten ab. Auch der Lehrerkonvent des angrenzenden Knabengymnasiums äusserte sich ablehnend aufgrund der angenommenen Steigerung des Personenverkehrs. 1902 setzten sich die Beführwortenden dennoch durch – nicht zuletzt weil sich der Verkehrsverein verpflichtete, sich an den jährlichen Unterhaltskosten zu beteiligen, deren Höhe noch festgesetzt werden musste. Nun war der Weg frei für den neuen Stadtgarten nach den Plänen des Landschaftsarchitekten Evariste Mertens. Für die Umsetzung mussten alle zuvor getätigten Eingriffe beim Buschgarten rückgängig gemacht werden, was erhebliche Kosten verursachte.  Ebenfalls wurde die Anlage «viel gründlicher & besser ausgeführt» als von der Stadt geplant, die sich nun über erhebliche Mehrkosten ärgerte. Bereits 1903 gab der Verkehrsverein zudem zu erkennen, dass er die vereinbarten 200 Franken ab 1907 nicht mehr entrichten wolle, weil es ohnehin unüblich sei, dass ein Verschönerungsverein die Stadt subventioniere und nicht umgekehrt.

Mitten im Ersten Weltkrieg liess der Winterthurer Bund abstinenter Frauen im Stadtgarten ein «Milchhüsli» errichten. Es war das zweite Gebäude dieser Art in Winterthur und der Schweiz. Dort konnten Männer, Frauen und Schulkinder günstig ein Glas warme Milch beziehen, ohne dafür in ein Wirtshaus gehen zu müssen.

Kulturgarten oder Geschäftsviertel?

Nach der Fertigstellung des neuen Parks erwarb die Stadt Winterthur auch noch die übrigen umliegenden privaten Gartenparzellen. So gehörte ihr bald das gesamte Areal rund um die Stadthaus-, Lind-, Museum- und Merkurstrasse. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Winterthur dank umfangreicher Förderung wohlhabender Familien ihre Transformation zur Kulturstadt. Ein grosses Bedürfnis der Kulturfreunde war damals der Bau eines grossen Theater- und Konzertsaals. Dafür wurde ein dotierter Saalbaufonds eingerichtet. 1910 stellte der Winterthurer Architekt Otto Bridler im Auftrag der Familie Sulzer ein entsprechendes Projekt vor, das jedoch wahrscheinlich aufgrund des Ersten Weltkrieges wieder in der Schublade verschwand.

Nach dem Krieg entwarfen die bekannten Winterthurer Architekten Rittmeyer&Furrer im Auftrag von Georg Reinhart im Jahr 1922 ein neues, wesentlich erweitertes Projekt für ein multifunktionales Kulturhaus im Stadtgarten. Dieses sollte einen grossen Konzertsaal mit Platz für bis zu 2000 Personen sowie einen eigenen Theater- und Kinosaal für 700 Personen enthalten. Darüber hinaus sah das Projekt ein Saalbau-Restaurant mit grosser Gartenwirtschaft und Sommertheater vor. Es handelte sich um ein Projekt der Superlative, das jedoch an der Finanzierbarkeit scheiterte. Stattdessen liess die Stadt den Gemeindesaal im Stadthaus für den Konzertbetrieb erweitern, während die Theaterfreunde vorerst leer ausgingen.

Wie stark sich die Vorstellungen einer guten Nutzung des Stadtgartens veränderten, zeigt ein neuer Entwurf von Rittmeyer&Furrer aus dem Jahr 1931. Nachdem die Kantonsschule im Lee eröffnet worden war, rätselte man in der Stadt darüber, was nun mit dem alten Knabengymnasium geschehen sollte. Die beiden Winterthurer Architekten wollten damit kurzen Prozess machen und es einfach abreissen und das benachbarte Altstadtschulhaus gleich mit. An ihrer Stelle sollten mehrere viergeschossige Geschäftshäuser entstehen, die sich um den Stadtgarten gruppieren sollten. Ebenfalls sah der Plan abermals einen grossen Saalbau anstelle des damals baufälligen Häuserensembles Strauss-Rheinfels vor. Auch diese Vision wurde nicht umgesetzt.

Der Stadtgarten wird Kartoffelacker

Während des Zweiten Weltkriegs nutzte die Stadt Winterthur den Stadtgarten als Kartoffelacker und Gemüsegarten. Diese Umnutzung stand im Zusammenhang mit der vom Bund getroffenen Umstellung auf Selbstversorgung und die umgesetzten Massnahmen zur planmässigen Förderung des landwirtschaftlichen Mehranbaus. Damit sollte der Ernteertrag gesteigert und die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung gesichert werden. Die Schweiz richtete sich dabei nach dem Vorbild des damals faschistischen Italiens, das 1930 bereits eine sogenannte «Getreideschlacht» umgesetzt hatte. In der Schweiz wurde für die Massnahmen der Begriff «Anbauschlacht» geprägt. In der Propaganda der geistigen Landesverteidigung in der Zeit des Zweiten Weltkriegs wurde die Anbauschlacht auf die gleiche Stufe gestellt wie die militärische Landesverteidigung, womit sie zu einem wichtigen Symbol der Volksgemeinschaft und Selbstbehauptung wurde.

Versehentliches Blumenwunder

Eine besondere Erweiterung erlebte der Stadtgarten im Jahr 1947. Damals sendete die niederländische Stadt Haarlem grössere Mengen an Tulpen, Narzissen und Azaleen an verschiedene Schweizer Ortschaften als Dank für die Spenden und Sympathiebekundungen des Schweizer Volkes während des Zweiten Weltkrieges. Winterthur freute sich über 10'000 Tulpenzwiebeln sowie 2000 Narzissen. Pünktlich zu Pfingsten kamen dann weitere kostbare 800 Azaleen und 400 Rhododendronstöcke bei der Stadtgärtnerei an. Allerdings unterliefen den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) bei dieser Auslieferung Fehler, und sie hatten auch das für St. Gallen gedachte Kontingent an die Stadtgärtnerei geliefert. Als der Fehler bemerkt wurde, waren die Stöcke bereits gewissenhaft im Stadtgarten und Heiligbergpark angepflanzt. So kam die Winterthurer Bevölkerung auf Kosten von St. Gallen in den Genuss eines üppigen Blumenbouquets. Nach der Blütezeit liess die Stadt die Stöcke ausgraben und nach St. Gallen bringen.

Westerweiterung und Neugestaltung des Stadtgartens 1952

Das Blumenwunder konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Stadtgarten aufgrund der Umnutzungen während des Zweiten Weltkriegs in einem vernachlässigten und schlechten Zustand befand. In der Zwischenzeit war klar geworden, dass das alte Knabengymnasium die hochkarätige Gemäldesammlung von Oskar Reinhart aufnehmen wird. Dieses stolze Museumsgebäude sollte aber auch eine würdige Umgebung erhalten. Deshalb sollte der Stadtgarten so rasch wie möglich aufgewertet und nach Westen erweitert werden. 1948 setzte sich im Wettbewerb das Projekt «Eldorado» des Zürcher Landschaftsarchitekten Walter Leder durch. Bestimmendes Element für die Gestaltung war das klassizistische Museumsgebäude, weshalb der Park ebenfalls eine strenge, in der Regel rechteckige Gliederung erfuhr. In der direkten Verlängerung zum Gebäude platzierte Leder ein grosses Wasserbecken. Bei der Neubepflanzung des Areals achtete der Architekt zudem darauf, unschöne Elemente ausserhalb des Gartens zu kaschieren. 

Die Stimmbürger sprachen sich mit 8482 Ja- gegen 7560 Neinstimmen verhältnismässig knapp für die Neugestaltung aus. Diese umfasste neben Aufschüttungen auch neue Wege, ein Wasserbecken und ein neues Spielplatzareal. Beibehalten, aber neu angeordnet wurde der Blumengarten. Im Zusammenhang mit der Erweiterung erfolgte auch die Renovation des Barockhäuschens und der Einbau einer öffentlichen WC-Anlage. Der 1952 der Öffentlichkeit übergebene Stadtgarten zählte damals zu den schönsten öffentlichen Parkanlagen der Schweiz.

Kunst im Stadtgarten

Im Jahr 1931 und 1932 erhielt der Stadtgarten neue Schmuckstücke. Diese bestanden aus den 1930 durch den Kunstverein erworbenen Bronzefiguren «Mädchen mit erhobenen Armen» und «Mädchen» von Hermann Haller. Nach dem Zweiten Weltkrieg plante man, im Stadtgarten ein Ehrendenkmal für die aktivdienstleistenden Soldaten zu errichten. Dies lehnte die Regierung jedoch ab.

1965 erhielt die Stadt Winterthur anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Geburtstag des verstorbenen Oskar Reinhart die 1942 von Gerhard Marcks geschaffene Bronzeplastik «Maja» als Schenkung überreicht. Entsprechend dem Wunsch von Oskar Reinhart, fand sie ihren Platz neben dem Museumsgebäude.

«Europas teuerste Parkbank»

In den 1990er-Jahren kam im Grossen Gemeinderat die Idee auf, den Stadtgarten durch einen Musikpavillon zu ergänzen. Dafür bewilligte er einen Kredit von 586'000 Franken. 1991 wurde der vom Winterthurer Architekten Arnold Amsler entworfenen Musikpavillon der Öffentlichkeit. Die Freude der hiesigen Musikvereine währte jedoch nur kurz. Die Bühnenfläche war zu klein. Deshalb liess die Stadt das Podest für weitere 132'000 Franken erweitern. Nun gab es genügend Platz, doch die Umgebung war viel zu laut, und es kam immer wieder zu Konflikten mit dem benachbarten Sommertheater. Die Musikvereine mieden daraufhin den Pavillon, der sich in der Folge als Treffpunkt von randständigen Menschen etablierte und in den 2000er-Jahren als Drogenumschlagplatz immer mehr in die öffentliche Kritik geriet. Obwohl der Merkurplatz und der Stadtgarten voneinander unabhängige Baugeschichten haben, werden sie aufgrund ihrer Funktion als öffentlicher Naherholungsraum und ihrer direkten Nachbarschaft oft als Einheit betrachtet.

Gesamtsanierung Stadtgarten 2024

Der Stadtgarten und der Merkurplatz gehören zu den wichtigsten zentralen Freiräumen der Stadt. Im Jahr 2010 liess die Stadt eine Testplanung für die Neugestaltung des Stadtgartens, des Merkurplatzes und des Areals rund um das Altstadtschulhaus erstellen. Die Umsetzung hätte bereits zur 750-Jahr-Feier des Stadtrechtsbriefes im Jahr 2014 erfolgen sollen, was jedoch aus finanziellen Gründen nicht möglich war. Um die unbefriedigende Situation auf dem Merkurplatz zu verbessern, realisierte die Stadt dort im Jahr 2020 das Projekt «Urban Forest». Im Jahr 2021 erhielt die Stadt Winterthur von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zu ihrem 150-Jahr-Jubiläum eine Jubiläumsdividende von rund 3,7 Millionen Franken. Das Stadtparlament beschloss darauf, das gesamte Geld in die Gesamtsanierung des Stadtgartens zu investieren. Damit ist der Grossteil des 4,9 Millionen Franken teuren Sanierungsprojekts finanziert. Am 27. Mai 2024 feiert die Stadt den Startschuss des Sanierungsprojekts, das bis 2026 dauern soll.

2021: Stadtgarten Winterthur, publiziert von der Stadt Winterthur

Benutzte und weiterführende Quellen und Literatur:

Benutzte Archivalien
Stadtarchiv Winterthur: Bauwesen. Stadtgärtnerei (Signatur II B 3 g 2)
Stadtarchiv Winterthur: Baudossiers Stadtgarten (Signatur A2/234)
Stadtarchiv Winterthur: Baudossiers Stadtgarten (Signatur A2/235)
Stadtarchiv Winterthur: Baudossiers Stadtgarten (Signatur A2/239)

Weiterführende Literatur
Sollberger, Raphael: Ehem. Sommerhaus «Zum Balustergarten», in: Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung. Stadt Winterthur, Band 1, 2018, S. 123–125.
Alfred Bütikofer, Regula Michel und Daniel Schneller, Die Altstadt Winterthur. Eine kulturgeschichtliche Entdeckungsreise, in: Schweizerische Kunstführer, Nrn. 712/713, hg. von Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2002, S. 32 und 69.
Keller, Roger: Wirren um Europas teuerste Parkbank, in: Tages-Anzeiger, 03.10.1996.
Leder, Walter: Stadtgarten in Winterthur: in: Das Werk. Architektur und Kunst, Jg. 43, Heft 8, 1956, S. 245–247.
E. Sch. Winterthur – die Gartenstadt, in Neue Zürcher Nachrichten, 30.12.1955.
Holland dankt Schweizerstädten durch Blumen, in: Neues Winterthurer Tagblatt, 10.10.1946.
Robert Rittmeyer: Theater- und Saalbau für Winterthur: Projekt-Vorschlag, in: Schweizerische Bauzeitung, Band 80, Heft. 2, 08.07.1922, S. 17–19.
Robert Rittmeyer: Theater- und Saalbau für Winterthur: Projekt-Vorschlag, in: Schweizerische Bauzeitung, Band 80, Heft. 3, 15.07.1922, S. 25–26.
Das Milchhäuschen im Stadtgarten zu Winterthur, in: Berner Tagwacht, 06.02.1914.


Bibliografie

    Stadtgarten

    • Einträge ab 2011

      Stadtgarten im neuen Kleid. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 23 (2024). S. 5. m.Abb.
      Pettannice, Nadia: Von Goldfischen, Tulpenwundern und Wildpinklern - Winterthurs Stadtgarten. In. Winterthurer Jahrbuch 2024. S. 94-99. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Tag- und Nachtleben: Kulturblätter 1995/5 m.Abb.
      Testplanung: Landbote 2009/209 m.Abb.
      Parkplätze? Landbote 2010/198 1Abb., 199 Interview Ernst Wohlwend,

    Balustergarten, Sommerhaus im Stadtgarten [Barockhäuschen]

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Barockhäuschen zum Balustergarten. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 2 S.

      Einträge 1991–2010

      Weinländer Zeitung 2002/117 von Kurt Zimmermann


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024