Natur und Pärke

Adlergarten

Historische Villa und Parkanlage

Der Adlergarten wurde 1813 vom Textilunternehmer Johann Jakob Sulzer im Mattenbachquartier angelegt. Das historische Ensemble, bestehend aus Hauptgebäude, Pavillon, Gewächshaus, Gärtnerhaus und Park, ist ein bedeutender Vertreter des Spätklassizismus in Winterthur. Die Anlage hat eine bewegte Geschichte mit vielen Besitzenden. Seit 1947 gehört die Anlage der Stadt und dient als Alterszentrum. Ab den 1960er-Jahren ergänzten neue Bauten den Park schrittweise.


Baujahr
1813


Adresse
Gärtnerstrasse 1
8400 Winterthur

Das Haupthaus des Adlergartens eröffnete 1836 David Emanuel Haggenmacher als «Hôtel de la Fortuna». Es war eines der ersten Hotels, das ausserhalb einer Stadtmauer in der Schweiz gebaut wurde. Der Betrieb endete jedoch bereits 1839. Kupferstich um 1836.
Foto: winbib (Signatur 041693_O)

Der Adlergarten und seine glücklosen Besitzer

Der Adlergarten wurde 1813 vom Textilunternehmer Johann Jakob Sulzer auf einer ehemaligen Landwirtschafts- und Püntenparzelle angelegt. Er befindet sich im Mattenbachquartier in der Nähe der Villa Flora. Das Land war schon seit 1649 im Besitz der Familie Sulzer. In unmittelbarer Nähe liess er zudem eine kleine Rotfärberei errichten. Da es im 19. Jahrhundert verboten war, ausserhalb der Stadtmauern zu wohnen, verzichtete er auf den Bau einer Villa und erstellte stattdessen ein Fabrikgebäude für seine Färberei. Den Namen «Adlergarten» lehnte er an seine damalige Residenz am Obertor 17 an, die «zum Adlerhof» hiess. Vor der Umbenennung hiess das Gut «Zum Einfang».

Für die Gestaltung seines Gartens liess sich Johann Jakob Sulzer vermutlich vom französischen Arzt und Botaniker Joseph Philippe de Clairville inspirieren und beraten. Dieser lebte seit 1785 in der Villa «im Bühl» und pflegte dort eine eigene Parkanlage, die er vor allem mit exotischen Pflanzen bestückt hatte. Auch Sulzer liess in seinem Garten eine Reihe von in Winterthur seltenen Bäumen pflanzen, wie beispielsweise Tulpenbäume und Schwarzpappeln, die er aus Amerika importiere. 1820 liess er einen Gartenpavillon im italienischen Stil errichten, den er fortan mit seiner Familie als Sommerresidenz nutzte. 1833 ging die Textilfärberei Sulzers Konkurs und der Adlergarten wurde darauf in einer öffentlichen Auktion versteigert. Den Zuschlag erhielt der Kaufmann David Emanuel Haggenmacher. Er riss die Rotfärberei ab und gewann dadurch Baumaterial für den 1835 erfolgten Aufbau des «Hôtel de la Fortuna», des neuen Haupthauses der Anlage. In den folgenden Jahren wurden auch ein Ökonomiegebäude und Stallungen errichtet sowie ein Waschhaus mit Holzschopf. Es handelte sich um eines der ersten Hotels in der Schweiz, das ausserhalb von Stadtmauern errichtet wurde. Haggenmacher spekulierte auf viele ausländische Gäste, die durch den Status von Winterthur als wichtige Baumwollindustriestadt angezogen werden sollten. Doch der Gästestrom blieb aus und Haggenmacher ging 1839 Konkurs.

Der Adlergarten wurde von den Gläubigern Rapp-Wick und Konsorten aus Basel übernommen. Da sie keinen Käufer fanden, vermieteten sie die Anlage. Zuerst diente die Residenz als Hauptsitz des 1841 gegründeten Verlagsgeschäfts «Literarisches Comptoir in Zürich und Winterthur». Im gleichen Jahr wurde das Eidgenössische Sängerfest im Adlergarten ausgetragen. 1846 verlegte die Firma ihren Hauptsitz allerdings nach Leipzig. Daraufhin gelang es nicht mehr, einen neuen Dauermieter zu finden, und so wurde die Liegenschaft in den Sommermonaten jeweils vermietet. Später mietete sich noch ein Töchternpensionat ein. 1850 kaufte Heinrich Sulzer-Graf das Gut günstig von den einstigen Gläubigern ab und richtete im Erdgeschoss des Hauses eine Jacquardweberei ein, während das zweite Obergeschoss bis weiterhin an das Töchternpensionat vermietet wurde. Schon ein Jahr später ging auch Sulzer-Graf Konkurs und der Adlergarten ging an seinen Schwager Salomon Sulzer-Sulzer. Dieser nutzte das Gebäude als Wohnsitz für seine Familie. Nach dem Tod von Sulzer und seiner Ehefrau ging der Adlergarten 1879 an ihre vier Kinder über. Dem Töchternpensionat wurde 1884 gekündigt. Verschiedene Familienmitglieder mieteten den Adlergarten und zeitweise auch andere bekannte Persönlichkeiten, so der Schriftsteller und «Landbote»-Chefredaktor Johannes Scherr. Um 1900 liess August Sulzer die Villa Adlergarten durch die Architekten Ernst Jung und Otto Bridler in ein alleiniges Wohnhaus umbauen. Er lebte bis zu seinem Tod 1904 zusammen mit seiner Ehefrau Fanny Cornelia Sulzer-Bühler und seinen Kindern im Haus. 

Ein bedeutendes Ensemble des Spätklassizismus

Das erhaltene Gesamtensemble, bestehend aus dem Haupthaus «Fortuna», dem Gartenpavillon, der Orangerie, dem Ökonomiegebäude und der Parkanlage, gilt als eines der bedeutendsten gartenbaulichen Zeitzeugnisse des Spätklassizismus in Winterthur.

Das dreigeschossige Haupthaus wurde 1836 als Hotelanlage erstellt. Wahrscheinlich baute der Winterthurer Architekt Martin Verklär das Hotel. Es handelt sich um ein dreigeschossiges Haupthaus mit zwölf Fensterachsen, das durch einen Mittelrisalit dominiert wird. Im Norden befindet sich eine kleine, von Säulen getragene Vorhalle, die über drei Stufen in den Garten führt. Die Nordfassade zeigt bis heute den ursprünglichen, spätklassizistischen Stil und diente zur Zeit des Hotels als repräsentative Schauseite. Schon beim Bau wurde an allen Ecken und Kanten gespart. Während das Erdgeschoss noch mit massiven Sandsteinblöcken ausgestattet wurde, bestanden die Obergeschosse aus Fachwerk, das durch einen massiven Verputz den Eindruck von solidem Mauerwerk vortäuschte. Das «Hôtel de la Fortuna» verfügte im Erdgeschoss über grosszügige Gesellschaftssäle. Im ersten Obergeschoss gab es Restaurationsräume und Hotelzimmer, während das zweite Obergeschoss ganz zur Unterbringung der Gäste vorgesehen war. Die Innenräume waren damals mit gemalten Tapeten ausgestattet, die jedoch bereits 1863 ersetzt wurden.

Um 1900 bauten die Architekten Ernst Jung und Otto Bridler das Haus zu einer Villa um. Dabei wurde die ursprünglich zurückhaltend gestaltete Südfassade durch den Einbau von zwei neuen Risaliten neu gegliedert und zur neuen Schauseite umfunktioniert. Ebenfalls sorgten die Architekten mit einem Verputz, der Rustikaquader imitierte, für eine neue optische Wirkung. Die Innenräume im Erdgeschoss wurden ausgekernt und von Grund auf neu gestaltet.

Die Vision eines Alterszentrums

Bis 1947 blieb der Adlergarten im Besitz der Familie Sulzer. Danach kaufte die Stadt Winterthur das Gut von der Witwe Fanny Cornelia Sulzer-Bühler mit der Auflage, ein Altersheim einzurichten. Zuerst vermietete die Stadt das Haupthaus an die Musikschule. 1953 begannen die Umbauten zum Altersheim unter dem Architekten Eugen Schmid. Er liess das Haus neu verputzen und verzichtete bei den Obergeschossen auf die Imitation von Rustikaquadern. 1954 konnte das Haus bezogen werden. Das Alterszentrum Adlergarten war nach dem Neumarkt und dem Brühlgut das dritte städtische Altersheim. 1966 wurde das Gebäude umfassend renoviert und 1968 erfolgte der Umbau des Ökonomoiegebäudes zu einem Nebengebäude des Altersheims, das «kleiner Adlergarten» genannt wurde.

Der bis heute erhaltene Gartenpavillon ist ein eingeschossiger klassizistischer Bau mit symmetrisch angelegten Nord- und Südflügeln. Der Pavillon wird über die Westseite durch einen dorischen Giebelportikus betreten und mündet im Osten in einen erhöhten Rundbau mit einem säulengetragenen Saal. Sehenswert ist die kunstvoll gestaltete Kuppel mit einem zentralen Medaillon, das einen Adler mit Blumen und Zweigen umrahmt. Abgerissen wurde hingegen um 1900 eine kleine Kapelle, die Salomon Sulzer 1856 in der Nähe des Teiches errichten liess. Darin befanden sich Ölgemälde von Wilhelm Tell, Arnold Winkelried sowie Nikolaus von der Flüe.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Sollberger, Raphael: Ensemble Adlergarten, in: Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung, Stadt Winterthur, Band 1, 2018, S. 10–13.
Stiftung Edition Winterthur (Hg.): Adlergarten, in: Gartenstadt Winterthur. Ein Führer durch Winterthurs Gärten, Pärke und Grünräume, 2010, S. 112–114.
Frehner, Matthias: Altersheim Adlergarten. Baugeschichtliche Untersuchung, Winterthur 1986.
Müller, Ernst Rudolf: Der Adlergarten im Wandel der Zeit. Aus Quellenangaben und Erinnerungen von Ernst Rudolf Müller, 1974.
Sulzer-Bühler, Fanny Cornelia: Erinnerungen von Fanny Cornelia Sulzer- Bühler 1865–1948. Überreicht an ihre Kinder an Ostern 1936, Winterthur 1973.
Stadt Winterthur: Adlergarten Winterthur. Festschrift zur Einweihung dews Krankenheimes Adlergarten Winterthur, Winterthur 1968.
Dejung, Emanuel/Zürcher, Richard: «Zum Adlergarten», in: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band VI, 1952, S. 247–249.

Bibliografie

    Alters- und Krankenheim Adlergarten. Bauten

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Aldergarten. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 4 S. m.Abb.
      Der erweiterte Aldergarten. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 3 S.

      Einträge 1991–2010

      Kleiner Adlergarten (Oekonomiegebäude). Umbau für Wohnungen: Winterthurer Arbeiterzeitung 1993/69. - Anträge, Anfragen und Interpellationen des Grossen Gemeinderates Winterthur 1993/29 m.Plänen. - Landbote 1993/140, 1994/288.
      Sanierung Haupttrakt: Anträge, Anfragen und Interpellationen des Grossen Gemeinderates Winterthur 1998/5 m.Plänen. - Landbote 1998/11.
      Alterszentrum, erbaut 1968. Sanierung, 56 Millionen: Anträge, Anfragen und Interpellationen des Grossen Gemeinderates Winterthur 2008/100, 2009/27 1Abb., 90. - Landbote 2009/7, 77 1Abb. - NZZ 2009/77 S. 52.
      Minergie, ohne Dämmung Gebäudehülle? Landbote 2010/32.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024